Knapp anderthalb Jahre war es ruhig um die Post-Hardcore-Legenden Boysetsfire, nachdem das Quintett im März 2016 eine vorübergehende Bandpause angekündigt hatte. Vor allem Frontman Nathan Gray vergnügte sich in der Zwischenzeit mit Nebenprojekten, veröffentlichte ein sehr düsteres, kontroverses Werk unter dem Synonym „Nathan Gray Collective“ und erst vergangenen Monat ein Akustik-Soloalbum. Aus dem Nichts kam im letzten Herbst dann endlich wieder eine Neuigkeit aus dem „Camp Boysetsfire“. Hatte man schon im Jahr 2015 im Kölner Palladium seine Bandgeschichte mit knapp 4000 Fans gefeiert, würde man Anfang 2018 erneut in die langgezogene Industriehalle zurückkehren und dem sogenannten „Family First Festival“ eine zweite Ausgabe bescheren. Es kam, wie es kommen musste, die Show war ruckzuck ausverkauft und die Band kündigte an, kleinere Warum-Up-Shows zu spielen – eine davon im schnuckeligen Gebäude 9 auf der Schäl Sick, die andere in der Ehrenfelder Live Music Hall.
Einen Tag vor der langersehnten Zelebration ging es also in den Westen Kölns, um sich gemeinsam mit dem Quintett auf den nächsten Tag vorzubereiten. Bevor diese jedoch das Publikum übernahm, durfte die ehrlicherweise eher zurückhaltende und betrunkene Masse von der Leipziger Hardcore-Band Coldburn und dem Schweinfurter Punk-Rock-Songwriter Matze Rossi aufgewärmt werden. Bis auf einige wenige Two-Stepper blieb es vor der Bühne während ersteren noch eher leer und verhalten. Zu Matze Rossi sah das dann zum Glück schon ein wenig anders aus und erste Kehlen und Fäuste erhoben sich gen Hallendecke und Kronleuchter. Der für deutsche Texte ungewöhnlich amerikanische Sound des sympathischen Herren reißt aber auch einfach mit!
Spätestens als Boysetsfire einige Minuten später gänzlich ohne Intro ihre Instrumente ergriffen und ihr knapp 80-minütiges Konzert mit „After The Eulogy“ eröffneten, befand sich nun auch der letzte Nachzügler in der Halle. Immer mehr Arme schossen in die Luft und bahnten sich ihren Weg nach vorne in den Moshpit – dort tobten vor allem die Hardcore-Fans, die jede Zeile mitsangen. Gray bedankte sich gleich mehrfach ausführlich dafür, dass sie die Möglichkeit bekommen, drei Tage hintereinander ihr eigenes Festival durchziehen zu dürfen und zeigte sichtlich, wie viel Spaß er dabei hatten, die ganzen alten Klassiker seiner Gruppe zu performen. Während „Vehicle“ in der Mitte des Sets wurde es zwischenzeitlich kurz emotional, als Bassist Robert Ehrenbrand die Bühne verließ um seinem amerikanischen Kollegen Chris Rakus auch ein wenig verdiente Aufmerksamkeit zu schenken. So konnten also auch mal die deutschen Fans eine kurze Kostprobe bekommen, wie die amerikanische Formation des Quintettes so funktioniert.
Die Band präsentierte in ihrem energievollen Set einen harten, aber für ihre Diskographie repräsentativen Querschnitt ihrer Historie. Seine größten Hits hatte man sich jedoch bis ganz zum Ende aufgespart. So schloss „Rookie“ das Hauptset und das hymnische „Empire“ die Zugabe des intensiven Konzertes ab. Ein letztes mal tanzte die Band – zumindest für diesen Abend -gemeinsam mit ihren Fans, eine letzte Bierduschen ergoss man in der Menge über seine (Steh-)Nachbarn. Einen Tag später prallvollen Palladium ging das ganze Spiel dann noch einmal von vorne los. Aufwärmen, tanzen, gereckte Fäuste, Bierduschen. Ja, bei der Menge Bier, die die letzten drei Tage in der Domstadt verschwendet worden ist, kann man sich fast fragen, warum die deutschen Brauereien sich momentan in einer selbstaufgerufenen Krise befinden. Diejenigen, die später die klebenden Böden der Hallen säubern mussten, werden es den Fans danken. Boysetsfire kann das egal sein. Ihr Schritt zurück auf die Live-Bühnen ist allemal geglückt.
Und so hört sich das an:
Foto von Jonas Horn.
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