Das Open Air Gelände an der Kölner Südbrücke begeistert seit der Pandemie viele. Endlich ist in Köln mal eine neue Livelocation dazu gekommen und nicht schon wieder die nächste geschlossen worden. Und dann auch noch so eine wunderschöne. Direkt an der Südbrücke ist ein Open Air Gelände entstanden, dass mit einem Biergarten und einer großen Stage – gebaut aus Containern – alles bietet für einen denkwürdigen Konzertabend. Es liegt im Grünen, es gibt an jeder Ecke spannende gestalterische Details zu entdecken und wenn das Wetter dann auch noch so gut mitspielt, wie am gestrigen Abend, dann könnte es wirklich nicht schöner sein hier im Kölner Süden.
Gleich vier Konzerte hintereinander spielten Bukahara an diesem Wochenende an der Kölner Südbrücke – um ihre Heimatstadt im Rahmen der Tales of the Tides-Open Air Tour auch entsprechend zu würdigen. Und natürlich auch, weil so ein hohes Interesse da war. Bukahara, das ist eine Erfolgsgeschichte der letzten Jahre. In Deutschland, aber auch im europäischen Ausland ist die Band immer häufiger auf Festivalplakaten in höheren Positionen zu finden, auch Tourneen werden ausgedehnter. Die vier Multi-Instrumentalisten auf der Bühne begeistern mit ihren eingängigen und zugleich wahnsinnig gemütlichen Sounds, hinterlegt mit gesellschaftskritischen Texten, eine Menge Menschen. Und diese Menge wird immer größer. Gut so, denn musikalisch ist das einfach klasse.
Auch in der Kölner Südbrücke spielen die vier Musiker auf der Bühne, deren Lebensläufe in etwa so vielfältig sind wie die musikalischen Genre-Einflüsse im Sound ihrer Songs, leidenschaftlich und mit viel Liebe zu ihrer eigenen Musik. Das spürt man und es überträgt sich aufs Publikum. Glückliche Gesichter sieht man hier allerorts. Besonders die letzten beiden Alben “Tales of the Tides” und “Canaries in a Coal Mine” haben zu Bukaharas Bekanntheit beigetragen, so ist es wenig überraschend, dass auch hier das Publikum am lautesten mitgeht. Bei den schnelleren Songs wie “We Are Still Here!” wird ausgelassen getanzt, in den ruhigeren Momenten ist zwar weniger Bewegung im Publikum zu sehen, aber langweilig ist es dennoch nicht.
Denn auf der Bühne passiert immer Spannendes, obwohl es gar keine großen Showelemente gibt. Spannend ist einfach nur, was Soufian Zoghlami, Ahmed Eid, Daniel Avi Schneider und Max von Einem musikalisch auf der Bühne zaubern. Alle vier können singen, alle vier sind in der Lage mehrere Instrumente zu spielen und die Vielfalt an Instrumenten, die auf so einer Bukahara Show zum Einsatz kommen, ist schon besonders: Schlagzeug, Gitarre, Contrabass, Mandoline, Trompete, Posaune, Tuba und mehr. So passiert immer irgendetwas Neues und das Konzert ist auch entsprechend kurzweilig.
Ein musikalisch sehr toller Abend in einer wunderbaren Atmosphäre bei bestem Wetter. Hier hätte dieser Artikel nun enden können mit ausschließlich positiven Worten über dieses musikalisch tolle Konzert. Aber auch die politische Weltlage spielte an diesem Abend eine Rolle und sollte einen Schleier über diesen ansonsten durch und durch gelungenen Abend legen.
Dass Bukahara von den militärischen Auseinandersetzungen im Nahen Osten persönlich betroffen sind, ist bekannt. Der Mann am Contrabass, Ahmed Eid, ist in Syrien geboren und in Palästina aufgewachsen. Daniel Avi Schneider hat einen israelischen Vater und ist selbst jüdisch-schweizerischer Herkunft. Auf der Bühne sprach zu dem Thema nur Ahmed Eid, der mehrfach „Free Palestine“ forderte, mehrfach vom „Genozid in Gaza“ sprach und sich gegen Mitte des Konzertes äußerte: „Der Genozid geht nun seit 11 Monaten.“ Eine Einordnung, warum es überhaupt eine militärische Auseinandersetzung seit 11 Monaten in Gaza gibt? Fehlanzeige. Ein Wort zu den 100 Geiseln, die sich immer noch in der Hand der Hamas befinden? Fehlanzeige.
Ich hatte wirklich erwartet und auch gehofft – wenn sie schon politisch werden, dass Bukahara die Chance nutzen, für viele Fans die Lage ein wenig besser einzuordnen. Denn die Band hat ein total durchmischtes Publikum – über Alt-Hippies und Neu-Hipster, über klassische linke Bubbles bis hinein in eher konservativere Gefilde – von Familien mit kleinen Kindern bis hin zu Jugendlichen und auch älteren Leuten war hier jedes Spektrum vertreten. Gerade da hätte man die Chance gut nutzen können auch verschiedene politische Bubbles zu erreichen und sowohl auf das Leid der Palästinenser als auch auf das Leid der jüdischen Bevölkerung hinzuweisen. Das Publikum reagierte jedenfalls sehr unterschiedlich, der Applaus nach den Ansagen von Ahmed Eid zum Thema Gaza fiel spürbar geringer aus als nach allen konzertbezogenen Ansagen. Nach seiner Aussage „Der Genozid geht nun seit 11 Monaten“ rief ein Mann aus dem Publikum in Richtung Bühne zurück: „Du hast ne Vollmeise!“, es gab an dieser Stelle also sogar aktiven Widerspruch. Das habe ich nur sehr selten auf Konzerten bisher erlebt. Die Menschen um mich herum schien das Thema jedenfalls ordentlich aufzuwühlen und der eine oder andere verlor sich, statt weiter in Ruhe dem Konzert folgen zu können, in eine Diskussion zum Nahostkonflikt. Das zeigt vielleicht auch noch einmal gut auf, dass die Sache so viel komplexer ist, als sie hier auf der Bühne gemacht wurde.
Am Ende bleibt ein guter Konzertabend, über den sich ein Schleier legt.
Und so hört sich das an:
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Foto von Melvin.
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