Vom vertrackten Prog bis zum großen Cut mit dem ersten persönlichen Album “The Color Before The Sun” bis zum poppigeren nächsten Kapitel der großen Weltraumsaga – Fans von Coheed and Cambria mussten in letzter Zeit schon einiges durchstehen. Dabei war die Band ja sowieso schon immer zu vertrackt für Pop-Rock-Fans und zu poppig für trve-Progger. Eine große Fanbase hat sich die Band im Laufe der 18-jährigen Karriere aber dennoch erspielt, was wohl auch an dem einzigartigen Story-Telling der Konzeptalben um die komplexe Armory-Wars von Claudio Sanchez liegen mag. Auch das Konzert in der Kölner Live Music Hall beweist, wie gut die Band immer noch ankommt: Es ist die größte Deutschland-Show der Band seit 10 Jahren. Und das mit einem Album im Gepäck, das gar nicht mehr versucht zu verstecken, dass Coheed and Cambria auch durchaus gute Popsongs schreiben können.
Für den Einstieg in das Geschehen dürfen heute aber erstmal The Intersphere (Foto) sorgen, die wie die Faust aufs Auge zum Headliner passen. Bei der reinen Freude, die beim Zuschauen der vertrackten Rhythmus-Verschiebungen entsteht, vergisst man glatt, wie mitreißend die epischen Melodien geschrieben sind, konzentriert man sich wiederum auf die hymnischen Sing-A-Long-Parts, bemerkt man kaum, wie anspruchsvoll und verzwickt die Musik eigentlich ist. Dass die Band sogar noch beeindruckender werden könnte, wenn die Geigen und Bläser nicht vom Band kommen, sondern von weiteren Live-Musiker*innen eingespielt werden würden, kann man schon erahnen. Bombastisch! Das Publikum dankt es den Mannheimern mit begeistertem Jubel.
Mit einem kleinen Einspieler aus den Anfangsklängen der aktuellen Coheed and Cambria-Single “Old Flames” verdunkelt sich die Live Music Hall dann für den Hauptact. Als Opener dient dann aber das epische “The Dark Sentencer”, das mit seinen knapp acht Spielminuten das längste Stück des aktuellen Albums “The Unheavenly Creatures” darstellt. Passender könnte ein Song auch gar nicht in diesen besonderen Abend einleiten, als mit den “Welcome Home”-Rufen im Refrain, bei denen die Fans direkt dabei sind. Willkommen Zuhause, in einer Galaxie, ganz weit entfernt. Wir nehmen euch mit. Auf Publikums-Interaktion setzen die US-Amerikaner nicht, viel mehr wirken sie wie die Überbringer, die Erzähler hinter den Armory Wars, als die Guides durch den wahnwitzigen Kosmos. Das geht unter die Haut, die Fans schließen die Augen, brüllen jedes Wort mit, entladen sich höchstens in Moshpits und in die Lüfte gereckte Fäuste.
Auf diesem Gänsehaut würdigen Niveau bleibt die Stimmung, während sich die Band konsequent mit musikalischer Brillianz und sichtlicher Spielfreude durch Stücke ihrer gesamten Karriere spielt. Überraschenderweise stechen die aktuellen Songs nicht besonders heraus, fügen sich hervorragend in die restliche Setlist ein. Einige Stücke betonen die hymnischen Parts, andere klingen nach satterem Metal mit Shout-Einschüben von Gitarrist Travis Stever, wieder andere klingen eher nach Stoner-Rock. Alle werden von Sanchez’ besonderer Stimme getragen und erzählen die Geschichten mit großen Melodien – aber trotz der poppigeren Neuausrichtung auf dem aktuellen Album, fügen sich die Songs aus der langen Karriere perfekt ineinander ein. Verbunden werden die Stücke mit passenden, atmosphärischen Einspielern, was dem epischen Konstrukt noch einmal zugute kommt,
Für das poppigere “Unheavenly Creatures” nimmt Frontmann Claudio Sanchez schließlich die Gitarre aus der Hand, um über die Bühne zu wirbeln und seine Trademark-Mähne zu schwingen – ein kleiner Bruch in einem sonst sehr durchkonzipierten Abend.
Coheed and Cambria bieten eine einzigartige Verschmelzung von Bombast und Eingängigkeit, die live genau so mitreißt wie auf Platte. Auch das aktuelle Album bricht trotz des noch eingängigeren Sounds nicht mit der Imposanz der Darbietung. Dabei bleiben die Bandmitglieder selbst nur die Strippenzieher hinter der Geschichte. Wenn Musik die eigene Persönlichkeiten übersteigt, handelt es sich um etwas ganz Großes. Und das haben die Prog-Rocker dem Kölner Publikum ohne Frage geboten.
Und so hört sich das an:
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Coheed and Cambria live 2019:
- 01.05.2019 Markthalle Hamburg
- 02.05.2019 SO 36, Berlin
- 03.05.2019 Substage, Karlsruhe
Beitragsbild von Julia.
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