Courtney Barnett gehört zu den aufstrebenden Indie-Künstler*innen der letzten Jahre: ob das Debütalbum “Sometimes I Sit and Think, and Sometimes I Just Sit” mit diversen Jahreslisten-Platzierungen, das gemeinsame Album mit Kurt Vile im letzten Jahr oder gefeierte Live-Auftritte – alles scheint zu gelingen. So auch nicht anders beim zweiten Werk “Tell Me How You Really Feel” (Rezension hier), das sich ähnlich wie der Vorgänger in Windeseile zum Kritiker*innenliebling mauserte und vielerorts jetzt schon als heißer Kandidat zum Album des Jahres gehandelt wird. Mit diesen beiden Alben im Gepäck macht sich Barnett nun auf den Weg nach Europa – zum krönenden Abschluss wird die Live Music Hall besucht.
Beim letzten Tourabschnitt durfte das Trio Loose Tooth (Foto) Barnett unterstützen, die eine erfrischende und ungemein spannende Darbietung von Riot Grrrl-Punk und Rock hinlegten. Besonders überzeugen konnte hier, dass der Gesang von allen drei Musiker*innen geboten wurde – mal alleine, mal in Harmonien zu dritt oder zu zweit. Dadurch konnten die Lieder schon beim ersten Hören begeistern, wozu auch die Bühnenpräsenz der drei einiges beitragen konnte. Von Berichten der Band konnte beim Berlin-Konzert am Vortag Sängerin Nellie Jackson sogar Stagediven, da das Publikum so aufgeheizt war. In Köln war das nicht ansatzweise so, sehr verhalten bewegen sich die Massen, schade, denn der Auftritt war wirklich bemerkenswert. Im August erscheint das neue Album bei Milk Records, dem Label von Courtney Barnett – wir sind gespannt!
Mit “Hopefulessness” und “City Looks Pretty” sucht sich Barnett als Opener gleich zwei sehr atmosphärische Lieder aus, die Bühne wird lediglich mit Lichterketten erleuchtet. Hier präsentiert sich Barnett von einer ruhigen, zerbrechlichen Seite, dennoch wirken die zarten Songs live doch wuchtiger, die Gitarren stehen vermehrt im Vordergrund und das Slacker-Image wird durch die direkte, sympathische Art der Künstlerin um eine Facette erweitert. Von atmosphärischer Ruhe zum Indie-Hit “Need a Little Time” bis zum Aufweck-Song “Nameless, Faceless” vergeht nicht viel Zeit, doch musikalisch liegen Welten dazwischen. Während “Need a Little Time” noch introperspektivisch über das Leben als Künstlerin berichtet, klagt “Nameless, Faceless” dann direkt und laut das Leben in einer misogynen Gesellschaft an. Fortgeführt wird dies, wie auch auf dem aktuellen Album, mit “I’m Not Your Mother, I’m Not Your Bitch”. Die Bühne wird verdunkelt, einzig grüne Lichter beleuchten Barnett von unten, wie sie dann drauf losbrettert und sing-schreit, kauft man ihr den Zorn über das Patriarchat ohne Frage ab – ein Gitarrengewitter, Barnett rutscht sogar ins Screamen ab. Beeindruckend dann der erneute Wechsel in atmosphärische Songs.
Im gesamten 90-Minuten-Set kann Barnett dieses Spannungsfeld beibehalten, bei Hits wie “Elevator Operator”, “History Eraser” oder natürlich “Pedestrian at Best” entstehen große Moshpits, die Stimmung kocht. Im Kontrast stehen virtuos-ausufernde Episoden wie “Anonymous Club”, in denen Barnett ihr Geschick an der Gitarre unter Beweis stellt. Einem Fan in der ersten Reihe übergibt Barnett schließlich eine Gitarre, die sie nicht mit zurück nach Australien transportieren kann. Nach einem so wunderbaren Auftritt hätten wohl alle mit der glücklichen Person getauscht!
Und so hört sich das an:
Website / Facebook / instagram / Twitter
Rechte an den Beitragsbildern liegen bei Julia Köhler.
* Affiliate-Link: Du unterstützt minutenmusik über deinen Einkauf. Der Artikel wird für dich dadurch nicht teurer.