Denzel Curry, Die Kantine Köln, 10.12.2018

Denzel Curry, Die Kantine Koeln, 10.12.2018

US-Rapper Denzel Curry in Köln: Zwischen Genie, Wahnsinn und kollektiver Überforderung.

Von vorne bis hinten durchkonzipierte Konzerte ist man im Rap-Bereich eigentlich nur von den bekanntesten und größten Künstlern aus Amerika gewohnt, seien das ein Drake, Kendrick Lamar oder der stets realitätsnahe Kanye West. Die Masse an kleinen bis mittelgroßen Acts konzentriert sich zumeist auf ihre eigene (Rap-) Performance und weniger auf Lichtshow, Animationen und Showstruktur. Mit seinem dritten Album „TA13OO“ ging Rapper Denzel Curry einen großen Schritt weg von losen Songaneinanderreihungen hin zu einem durchgetakteten Albumkonzept: In drei Akten – veröffentlicht an drei aufeinanderfolgenden Tagen – arbeitet sich der 23-Jährige vom Licht hin ins Dunkele und zieht den aufmerksamen Hörer dabei immer tiefer in sein zwiegespaltenes Inneres. Bereits vor Beginn des Auftrittes des Amerikaners in der Kölner Kantine deutete sich an, dass Curry seine einzigartige, durchdachten Vorstellung eines Konzeptes auch in seine Live-Show einarbeiten möchte. Auf einer Leinwand hinter der Bühne prangten in großen weißen Lettern und auf rotem Samt die Worte „Act I“. Es folgte ein 75-minütiges von Genialität getriebenes Konzert, das das Publikum in einigen Aspekten an seine Grenzen brachte.

Nun aber erstmal zurück an den Anfang: Überpünktlich einige Minuten vor offiziell angekündigtem Start betritt ein DJ die Bühne der Wochen im Voraus ausverkauften Kantine. Er und Rapper und Kollege IDK haben heute die Aufgabe, das zum größten Teil männliche, eher junge Publikum, aufzuwärmen. Dafür packen sie nicht nur alle angesagten New-School-Hits der letzten Jahre, sondern auch ungefähr alle Mitmach-Animationen, die Live-Konzerte bieten können, aus. So verliert sich die Menge in Wall-Of-Deaths, beteiligt sich brav an Call-And-Response-Spielchen, lässt sich von IDKs Lobsagungen um den Finger wickeln. Vielen scheint der Amerikaner jedoch auch schon ein Begriff zu sein. Dementsprechend enthusiastisch geht das Publikum dann auch mit. Dementsprechend laut sind die „ULT“-Chöre – der Titel eines Songs von Currys Debütalbum „Imperial“ – in der Umbaupause. Dementsprechend aufgeheizt ist die Stimmung schon bevor Denzel Curry sein Set überhaupt beginnt.

Der hat dann erstmal mit leichten technischen Schwierigkeiten zu kämpfen: So ganz wollen die Projektionen auf der riesigen Leinwand, die die Songs stets unterlegen, dann doch nicht. Das ist dann aber schnell gegessen, sodass es fix los gehen kann. Der junge Mann aus dem Süden der Vereinigten Staaten baut seine Show dann analog zu seinem verkopften Konzeptalbum auf – Akt für Akt arbeitet sich der Rapper durch die Platte und streut dabei immer wieder alte Klassiker zwischen die vielen neuen Songs. Die Übergänge zwischen den Akten unterlegt man mit passenden Animationen und dramatischen Instrumental-Stücken. Genau wie auf „TA13OO“ durchzieht die ersten Stücke eher klassischer Hip-Hop, der eher zum Arme-Wackeln als Pogen einlädt. Die knapp 1000 von IDK auf Hochtouren gebrachten Besucher müssen sich hier bereits das erste Mal in Geduld üben, scheinen viele doch tatsächlich für ausgelassenen Tanz und nicht für eine detailreiche Inszenierung angereist zu sein. Spätestens  ab „SUMO | ZUMO“ kommt dann aber auch das tanzfreudige Lager vollends auf seine Kosten.

Im weiteren Verlauf nimmt die Energie, die die Stücke transportierten, dann immer weiter zu und findet schlussendlich im brachialen Albumoutro „BLACK METAL TERRORIST | 13 M T“ seinen Höhepunkt. Einzig das unveröffentlichte „BLACK BALLOONS 2 | 13LACK 13ALLOONZ 2“, das ursprünglich auch auf „TA13OO“ landen sollte, sowie das politische „SIRENS | Z1RENZ“ fahren im Mittelteil des zweiten Aktes noch einmal etwas ruhigere, gelassenere Töne auf. Immer wenn Curry diese verletzlichere und ernstere Seite seiner Selbst zum Vorschein bringt und dabei das Tempo etwas drosselt, schnellen gleich unzählige Smartphones in die Höhe, auf denen die Fans sich Instagram-Storys widmen, Snaps verschicken oder den eigenen Freunden auf anderen Wegen mitteilen, wie toll das, was man selber gerade erlebt, sei. Nunja, deshalb geht man ja schlussendlich auch auf ein Konzert! Öhm.

Solche Situationen sind nur wenige von vielen Beispielen, die aufzeigen, dass Denzel Curry sehr viel weiter greifen möchte, dabei aber mental viel weiter ist als seine Zielgruppe. Seine Konzerten sollen mit passenden Animationen über eine tiefere audiovisuelle Ebene verfügen, neben den Moshpit-Bangern nachdenkliche Stücke, die zum Reflektieren anregen, stehen lassen und Publikumsanimation weit über die Standard-Spielchen hinaus bieten. Als der Rapper in „Equalizer“ bereits den Überhit „Ultimate“ anteast und versucht die Menge in Frage-Antwort-Manier zum Mitmachen zu bewegen, bleiben die Reaktionen vor der Bühne komplett aus. Erst als die ersten Töne des Songs durch den Saal tönen, weiß der Großteil, was Sache ist. Dass Denzel Curry einer der besten Live-Rapper der Szene ist und bis auf die vielen melodischen Hooks fast ohne Backing-Track auskommt, bleibt bei der ganzen Gefeierei ebenfalls etwas auf der Strecke. Nicht nur mental, sondern auch von den Skills ist Curry vielen seiner Kollegen also einige Schritte voraus. Da würde es einen fast wundern, wenn der junge Herr nicht bald einer der ganz Großen im Rap-Game ist. Zu gönnen sei es ihm.

Das Album „TA13OO“ kannst du dir hier kaufen.*

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Foto von Jonas Horn.

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