Die Nerven, Bachsaal Düsseldorf (New Fall Festival), 25.10.2018

Die Nerven, Bachsaal Duesseldorf, 25.10.2018

Wenn man sich nach dem Support-Act denkt, dass die Hauptband dieses Niveau nur schwerlich halten kann, verlässt man den Konzertsaal nur selten nicht enttäuscht. Das New Fall Festival in Düsseldorf zieht jährlich die spannendsten neuen und eingesessenen Geheimtipps der internationalen Musik in die Stadt am Rhein. Zu diesen Perlen gehörten im Jahr 2016 die Post-Rocker Explosions In The Sky, im letzten Jahr die Verletzlichkeit in Person (Julien Baker) und dieses Jahr neben Drangsal eben auch die laut der Die Zeit „mies gelaunteste Rockband“ Deutschlands – Die Nerven. Als Einheizer hatte man drei blutjunge Herren aus dem Süden Frankreichs engagiert.

Diese hören als Trio auf den Namen Lysistrata und genießen uneingeschränkten Geheimtipp-Status. Erschien das Debütalbum dieser talentierten jungen Menschen letztes Jahr erst in ihrem Heimatland, so sollte die Band dieses Jahr auch in Deutschland erste Schritte wagen, „The Thread“ auf den Markt werfen und erstmals touren. Nun fanden wir uns also zwischen den vertrackten Gitarrenriffs, dem nicht selten dreistimmigen, die ruhigeren Passagen dominierenden Gesang und den mal schrammeligen, mal gezupften Basslines wieder und mussten uns im verwachsenen Jungle aus Post-Hardcore, (Post-) Rock und Math-Core wiederfinden. Schlagzeuger und Hauptsänger Ben tritt zwischen den Songs immer wieder einige Schritte von seinem Instrument zurück, geht kurz in Richtung Backstage, als müsse er sich selber von der einfangenden Intensität der eigenen Songs erholen – verständlich. Der dreiviertelstündige Auftritt der Band findet im fünfzehnminütigen „The Boy Who Stood Above The Earth“ seinen Schluss- und Höhepunkt, in dem sich die Musiker in die komplette Ekstase spielen. Irgendwann landet der Bass auf dem Bühnenboden, die Gitarre in den Händen einer Freundin der Band in der ersten Reihe, während die eigentlichen Instrumentherren entweder über den Bühnenmonitoren hängen oder schreiend durch die ersten Reihen schreiten. Uns lässt man mit offenen Mündern ratlos zurück – das ist also die nächste Band, die sehr bald riesig wird?

Dass Die Nerven das nun noch überbieten können, scheint zu dem Zeitpunkt sehr unwahrscheinlich. Das Trio aus Stuttgart versucht jedoch gar nicht sich beim Publikum anzubiedern. Die ersten Songs konzentrieren sich die drei Virtuosen auf das Wesentliche – ihre Musik. Einzig Drummer Kevin Kuhn weicht ab und an aus seiner Fassade, zieht Grimassen und schleicht wie ein Gnom um sein Schlagzeug. Nach einigen Songs bittet Gitarrist Max Rieger alle Menschen unter 50 Jahren die Hand zu heben. Gerade einmal ein Drittel der anwesenden Handpaare schnellen nach oben. Nach der Frage nach Personen unter 30 halbiert sich diese Anzahl noch einmal. Passenderweise teast Rieger daraufhin Pink Floyds „Shine On You Crazy Diamond“ aus dem Jahre 1975 an – den vielen älteren Zuhörern muss der Titel bekannt sein. Sieht so Zielgruppenorientierung aus?

Obwohl die Band ihren „Hit“ „Niemals“ gleich zu Beginn spielt, gibt sich die Menge zunächst zurückhaltend. Eine halbe Stunde später weicht diese Passivität in den ersten Reihen einem wilden Pogo-Mob, der während Rieger immer wieder „ich bin der letzte Tanzende“ skandiert tobt. Nach einer Stunde gibt es dann die unfreiwillige Zugabe – das Feedback-Getöse der Verstärker übertönt noch jegliche Anfeuerungen, da stehen die drei Bandmitglieder schon wieder auf der Bühne. Es folgt „Eine Minute schweben“ aus dem Zweitwerk und eine improvisierte Drums-only Version von Queens „We Are the Champions“. Dann stehen der hagere Frontmann und Bassist Julian Knoth wie Bullentreiber mit ihren Handtüchern wedelnd am Bühnenrand und animieren das Publikum zum jubilieren. Wir machten uns zufriedengestellt auf den Heimweg.

Und so hört sich das an:

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Die Nerven live 2018:

01.11.2018 – Orpheum, Graz (AU)
02.11.2018 – Ahoi Pop Festival, Linz (AU)
03.11.2018- Eurovox Festival, Wien (AU)

Die Nerven live 2019:

17.02. – Waldsee, Freiburg
18.02. – Kohl, Karlsruhe
19.02. – Schon Schön, Mainz
20.02. – Zeche Karl, Essen
21.02. – Forum, Bielefeld
22.02. – Schaubühne, Kiel
23.02. – Loppen, Kopenhagen (DK)
24.02. – Mau Club, Rostock
27.02. – SO 36, Berlin
28.02. – Z Bau, Nürnberg
01.03. – Kammerspiele, München
02.03. – Zauberberg, Passau

Foto von Jonas Horn.

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