Disturbed gehören 2019 zu den Bands, die häufig nur belächelt werden. Aber wie so oft gilt auch hier: Der Erfolg spricht manchmal eben für sich. Denn auch wenn die US-Amerikaner nicht gerade für ihre kreativen Impulse bekannt sind, verkaufen sie auch heute noch Hallen in den Größen des Kölner Palladiums Monate vor dem Termin aus. In Köln boten die US-Amerikaner einen Auftritt, der viel Erwartbares abliefert, aber gerade durch die unvorhersehbaren Elemente in Erinnerung bleiben wird.
Zunächst sorgten aber die Reggae-Metal-Größen Skindred für das zünftige Aufwärmprogramm. Kein Wunder, dass ihr Set so gut ankam, schließlich sind sie selbst durchaus auch Szene-Größen. Um Punk 21 Uhr wurde es dann aber auch Zeit für die Headliner, die sich mit einem epischen Film ankündigten. Dieser wurde über eine riesengroße Leinwand ausgestrahlt und zeigte Bildmaterial aus der gesamten Karriere der Band, inklusive einiger bekannter Gesichter wie Jonathan Davis von Korn. Schließlich färbte sich das Bild in einen türkis-Ton, der sich wiederum in das Albumcover des aktuellen Albums “Evolution” verwandelte. Passend dazu stürmt die Band unter wildem Beifall die Bühne und Frontmann Draiman fragt “Are You Ready?”, um den gleichnamigen Song einzustimmen. Die Frage ist berechtigt, denn die Stimmung bleibt eher gedrückt. Zwar ist der Mitsingpegel sehr hoch, abgesehen von einigen Fäusten in den Lüften bleibt es sonst aber größtenteils ruhig – was vielleicht am recht hohen Altersdurchschnitt liegen mag.
Was nun folgt, ist die erwartbare Performance der großen Hits. Die meisten Songs stammen dabei natürlich vom Erfolgsalbum “The Sickness”, die Fans sind aber auch bei den neuesten Songs überraschend textsicher. Anstelle der sonst so beliebten Pyro-Spielereien wird die Leinwand für diese Tour auch bei der Live-Performance genutzt. Meist werden die Bandmitglieder darauf projiziert, was für die Menschen im langgezogenen Palladium immerhin eine Möglichkeit war, sich davon zu überzeugen, dass da auch wirklich Disturbed auf der Bühne stehen. Für einige Songs, wie das Genesis-Cover “Land Of Confusion”, werden passende Animationen, bei anderen hingegen extra die Mitsing-Parts im Karaoke-Stil an die Wand geworfen. Zu der Musik selbst passt das Pyro dann vielleicht doch etwas besser, auch die Herren selbst wirken etwas in die Jahre gekommen und vor allem Draiman hebt höchstens manchmal die Faust in die Luft – musikalisch und gesangstechnisch liefern sie aber durchgehend hervorragend ab.
Für “A Reason To Fight” wird es dann plötzlich doch ganz anders – ein Einspieler übersetzt die vorgetragenen Empfehlungen des Frontmanns Draiman, sich mit dem Thema Mental Health auseinanderzusetzen ins Deutsche und fügt am Ende gar die deutsche Nummer für die Telefon-Seelsorge ein. Für ein Genre, bei dem Sozialkritik meist nicht so verdeutlicht wird wie beim Hardcore oder Punk, ist das eine starke Geste. Wenn Draiman dann dazu aufruft, dass alle die Hand heben sollen, die selbst betroffen sind oder jemanden kennen, der an Depressionen leidet, um dann zu sagen “Ihr seid nicht alleine”, ist das ganz großes Kino. Im Anschluss ruft die Band außerdem zu Gemeinschaft über Nationalitäts-, Religions- und Sexualitätsgrenzen hinweg auf – was bei einem Publikum, bei dem viele Onkelz-Shirts vertreten sind, wohl noch mehr Bedeutung haben könnte als bei kleinen Club-Konzerten von linken Punks. Auch die ruhigen Songs “Watch You Burn” und natürlich das Erfolgs-Cover “The Sound Of Silence” werden im Akkustik-Gewand vorgetragen und dürfen dank der hervorragenden Gesangs-Leistung von Draiman und kleinen Streicher-Einschüben für Gänsehaut sorgen. Für die Zugabe wird ein Fan aus dem Publikum geholt, der bei “A Reason To Fight” wegen einer Freundin besonders emotional wurde – dieser umarmt seine Helden, die sich heute wunderbar menschlich zeigen, und macht mit ihnen Selfies, während das Publikum mit Handy-Lichtern den Raum erhellt.Trve-Metal ist das wohl kaum, dafür der Hallengröße würdig und durchaus bewegend.
Für das große Finale holen Disturbed dann schließlich auch endlich “Down With The Sickness” raus. Auch 19 Jahre nach Erscheinen ist der Song noch mitreißend, obwohl mittlerweile weder Band noch Publikum noch der Inbegriff von Wahnwitz sind. Für die nächste Tour wollen Disturbed größere Hallen ansteuern – den Hatern zum Trotz hat die Band sich den Erfolg erarbeitet. Der Auftritt in Köln bewies, warum sie es sich doch verdient haben. Auch wenn der Abend eher Metal für Mutti als wirklich gefährlich war, sind Disturbed auch 2019 noch eine unterhaltsame Live-Band mit Herz – und die muss es eben auch geben.
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