Fever 333, Live Music Hall Köln, 19.11.2019

fever 333

Jetzt wo Rage Against The Machine wieder da sind, braucht es Fever 333 doch eigentlich gar nicht mehr. Denn sowohl musikalisch, als auch in Bezug auf den gesellschaftskritischen Rundumschlag tritt das US-amerikanische Trio ganz offensichtlich in die übergroßen Fußstapfen seiner legendären Vorreiter. Doch nicht nur die immense Nachfrage nach Fever 333 und ihren „Demonstrations“ spricht für sich – die Band kann ihren ganz eigenen Stellenwert in der alternativen Musikszene live sogar noch mehr unter Beweis stellen als auf ihrem Debütalbum „Strength in Numb333rs“. So entwickelte sich das bislang größte Konzert auf europäischem Festland der Band zu einem der denkwürdigsten Ereignisse des Rockjahres in Deutschland.

Community, Charity, Change

Für diese drei Aspekte stehen nicht nur die Dreien im Bandnamen, die Band trägt diese auch in wirklich jeden Bereich ihres Schaffens: Ein Teil aller Einnahmen wird stets an Charity-Organisationen gespendet, die Zeit vor dem Auftritt wird explizit als Raum für offene, gewaltfreie Kommunikation ausgeschrieben, am Merchtisch wird Platz für lokale Einrichtungen wie die Hardcore Help Foundation eingeräumt. Dass bei Fever 333 im Gegensatz zu vielen anderen Bands wirklich etwas hinter den großen Slogans steckt, beweisen sie also hinreichend und daher johlt das Publikum umso lauter, als sich Frontmann Jason Aalon Butler regelmäßig Zeit nimmt, um die Missstände der Welt anzuklagen. Im Vergleich zu ihren Vorfahren verfrachten die Musiker ihre Gesellschaftskritik jedoch ins Jahr 2019: Bei der US-amerikanischen Politik werden nicht nur Rassismus und Kapitalismus, sondern bewusst auch die trans- und homophoben Einstellungen verteufelt; Frauen wird explizit ein „safe space“ zugesprochen; Butler und Gitarrist Stephen Harrison bedanken sich zudem für den herzlichen Empfang, den sie als People of Colour in der von weißen Menschen geprägten Punk-Szene nicht als selbstverständlich nehmen können. Das wirkt zu keinem Zeitpunkt gekünstelt oder überzogen, sondern extrem ehrlich, was natürlich auch mit dem zweiten wichtigen Standbein des Abends zu tun hat: Der Musik.

fever 333

Wüste Ekstase im Großformat

Schon als um 20:30 zu einem düsteren Wabern die Lichter ausgehen und die Band die ersten druckvollen Takte hinter einem Vorhang anspielt, bis dieser unter dröhnenden Beifall fällt und der Überhit „Made An America“ mit raumgreifenden Gesten angestimmt wird, begreift man schlagartig die Größe dieser eigentlich-Newcomer. Denn dass diese überhaupt erst seit vergangenem Jahr gemeinsam auf der Bühne stehen, merkt man der professionellen, energetischen Darbietung zu keiner Sekunde an, viel mehr erscheint das Trio wie das klassische „Match Made in Heaven“: Butler schreit sich beim wilden Umherstapfen die Seele aus dem Leib und schwingt sich sogar ins Publikum (Foto), Harrison hüpft unentwegt lässig von Bühnenseite zu Bühnenseite oder wirbelt seine Gitarre umher, ohne seine Riffs dabei zu vernachlässigen, Schlagzeuger Aric Improta springt häufig auf, spielt im Stehen, stürmt vom Schlagzeug weg und wieder darauf zu, vollführt stilechte Backflips. Überhaupt – akrobatische Meisterleistungen fließen in die nahezu kranke Performance durchgehend ein. Das macht optisch einiges her und verschafft den deftigen Crossover-Brechern eine gehörige Schicht Bombast.

Dass sich Fever 333 im Gegensatz zu ihren Vorgängern vor allem am Post-Hardcore von unter anderem Butlers ex-Band letlive. bedienen, bemerkt man den deftigen Breakdowns wie im Closer „Hunting Season“ merklich an. Die Massen danken es mit drängenden, gigantischen Moshpits, vielen Crowdsurfern, wunderschönen Chören und Applaus an allen Ecken und Enden. Neben diesen anklagenden Umschwungshymnen wie „Burn It“ oder „We’re Coming In“ deuten Fever 333 aber jetzt schon mögliche Weiterentwicklungen an: Die Balladen „Inglewood“ oder „Am I Here?“, das Butler am Klavier mitten im Publikum anspielt, sorgen für Gänsehaut-Momente und erinnern musikalisch ein wenig an Bring Me The Horizon oder Linkin Park; Mit dem Cover von Green Days „Brain Stew“ mit Einsprengseln von „California Love“ und „Old Town Road“ gibt’s außerdem einen spannenden Blick über den Tellerrand. Auch wenn diese Show schon gigantisch war – Den Weg noch viel weiter nach oben könnten Fever mit dieser puren Energie, den wichtigen Statements und den treuen Fans auf jeden Fall schaffen. Bis dahin bedanken sich die drei nach knapp 80 Minuten Bühnenzeit aber noch mit Handschlägen und Umarmungen bei den ersten Reihen und versichern, nächstes Mal auch Supportbands mitzubringen – aber nur wenn die dann auch vernünftig bezahlt werden. Bei so viel Hingabe und Können haben sich die drei den Platz neben den großen Visionären also schonmal redlich verdient; Die junge Generation braucht schließlich auch ihre Helden.

Und so hört sich das an:

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Beitragsbild von Julia.

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