Grian Chatten beherrscht sie alle. Hat sie bis zur Fingerspitze perfektioniert. Jede Bewegung abgestimmt. Die Posen der großen Bühne. Etwa auf den Zehenspitzen stehend, die Hände gierig in die Lüfte gereckt. Oder den einen Fuß auf der Monitorbox, den Mikrofonständer lässig dazwischengeklemmt, eine Hand an diesem, die andere in der Bückhaltung weit von sich gestreckt. Oder der stampfende Gang um das Mikrofon, mit den Armen rudernd, im richtigen Moment zum Takte die Finger schüttelnd. Oder auch: Beide Hände Gallagher-Style tief in den Taschen der Hose vergraben, später dann die eine zur Faust erhoben.
All diese Posen, sie sind eigentlich zu groß für das E-Werk. Diese dreifach Grammy-nominierten Fontaines D.C., die gerade alles abräumen, gehören mindestens in das Palladium gegenüber, womöglich gar den Rhein runter in die Arena. Die allumfassende, gigantisch anmutende Musik des aktuellen Albums „Romance“ jedenfalls bedarf danach ebenso wie das Auftreten.
Heute jedenfalls muss die Band sich ohne dramatikverhangenen Vorhangfall – eigentlich der Einstieg momentan – zufrieden geben. Das E-Werk, die deutlich kleinste Halle der fünfstoppigen Deutschland-Rutsche, lässt diesen nicht zu. Das restliche Bühnenbild passt in die seit Monaten ausverkaufte Halle (Tickets: begehrter und doch knapper als das Bier am 11.11). Vom überdimensional emotionalen Ballonherz über den beleuchteten Bandschriftzug hin zum niedlichen Sternvorhang.
Auch Wunderhorse übertreffen ihre Position bereits. 40 Minuten lang gehören die 2000 Kölner*innen zunächst den Briten und ihrem klar in den 90ern anzusiedelndem, doch modern aufgefrischten Sound. Ein bisschen Britpop schwingt da mit, Grunge und auch Indierock. Das alles wiederum ist so dicht gestrickt und dargeboten, dass jeder Saitenschlag, jede Muskelzuckung emotionale Berge freisetzt. Im UK füllen Wunderhorse längst Hallen größerer Dimension, hier wird deutlich, warum.
Dann wird der Tiger – er trägt Sonnenbrille und senfgelbes Trikot – aus dem Gehege gelassen und Chatten schleicht das epochale Introstück des „Romance“-Albums singend auf die Bühne. Es folgt der Blick zurück, ein kurzes Best-Off der vergangen zwei Studioalben, bevor im zweiten Drittel “Romance” mitsamt seiner melancholisch verstimmten Hymnen übernimmt. Klingen jedenfalls tut das fantastisch. Immerhin tourt die Band nun seit einigen Monaten mit dem Set, hatte demnach Zeit alle Handgriffe Routine werden zu lassen.
Von Routine kann auch sonst gesprochen werden. Chatten bleibt ausnahmslos in seiner Rockstar-Rolle, versteckt sich hinter seiner Sonnenbrille und bringt binnen 85 Minuten gerade mal ein kurzes “Thank you” hervor. Ansprachen und Persönliches bleiben aus. Das Auftreten natürlich ist Show. Die Band weiß: Die Songs stimmen und die Posen ebenso.
Die Stimmung währenddessen ist gut. Mehr nicht. Es knistert des Hypes wegen, so ganz möchte sich die aufgestauchte Spannung aber nicht entladen. Möglicherweise ist die eine Hälfte der Menge zu alt und gemütlich. Ekstase gibt es dennoch. Die Jüngeren übernehmen. Vor allem bei “Boys In The Better Land” aber auch beim neuerem “Here’s The Thing” hüpfen Menschenkörper umher. Und auch an letzter Stelle, dem orchestralen Sprech-Rock-Querschlag “Starburster” ist stillstehen keine Option. Es ist der letzte Knall, ein letztes Aufbäumen. Dann blitzt der nun in Irland-Farben beleuchtete Fontaines D.C.-Schriftzug ein letztes mal auf. Ende.
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Fontaines D.C. live 2025:
04.08. – Leipzig, Parkbühne
05.08. – Berlin, Zitadelle Spandau
19.08. – Bonn, Kunstrasen
20.08. – Stuttgart, Bürger Freilichtbühne Killesberg
Foto von Jonas Horn.
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