girl in red, Palladium Köln, 09.04.2023

„do you listen to girl in red?“ gilt im Social-Media-Kontext als mehr oder wenige subtile Strategie, um die Queerness von FLINTA herauszufinden. Marie Ulven Ringheim, die Sängerin, um die es bei diesem Trend geht, ist in ihren Texten nämlich alles andere als subtil, was die eigene Queerness betrifft. Die ist hier explizit homoromantisch und zelebriert in „girls“ gleich das ganze weibliche Geschlecht. In Zeiten, wo die Nachrichtenlage für queere Menschen in den letzten Monaten durch queerfeindliche Gewalt, neue anti-queer-Gesetzeslagen und Boykotte gegen Queer-Aktivist*innen global gezeichnet ist, ein immens wichtiges Symbol für die Community. Dementsprechend ist das Kölner Palladium an diesem Ostersonntag auch genau der Safe Space, den Tausende junge Queers brauchen. Aber auch musikalisch wird hier einiges aufgetischt.

Alles fürs queere Herz

Die Vorzeichen für einen besonderen Abend waren schon früh sehr gut. Zum einen weil das Palladium schon sehr früh ‚ausverkauft‘ melden konnte, zum anderen weil die anwesenden Fans selbst bei der okayen, etwas belanglosen Indie-Musik von Support-Act Harriette Beifall und zufriedene Reaktionen spendieren. Zwischen den Acts läuft dann das großartige Doja Cat-Album „Planet Her“, ein weiterer Meilenstein der jungen Queer-Szene, – und schon hier wird lauthals mitgesungen. Aber erst als die Regenbogen-Flaggen in die Höhe gereckt werden und um Punkt 21 Uhr girl in red mit Begleitband auf die Bühne tritt, stimmt wirklich alles. Dafür macht der Opener „You Stupid Bitch“ direkt eine gute Figur, funktioniert bestens zum Mithüpfen und macht gute Laune. Der perfekte Nährboden für die Vielzahl an außergewöhnlichen Momenten, die diesen Abend zeichnen.

Top 3 Momente, die bleiben:

  1. Coming Out am Telefon: Ein junger Fan in den ersten Reihen bittet girl in red um Hilfe beim eigenen Coming-out bei der eigenen Mutter als pansexuell. Marie schnappt sich das Smartphone und schaltet Mutter Sabine auf Lautsprecher – gemeinsam mit Tausenden Kehlen bekommt die das Coming-out zu hören. Und die Mutter reagiert mit dem schönen „Ich liebe meine Tochter immer!“ I’m not crying, you are!
  2. Heiratsantrag im Publikum: Mitten im Set geht ein großes „Aw“ durch die Menge, als ein queerer Antrag stattfindet. Marie wird selbst ganz emotional und wirft kurzerhand die Setlist um, damit das frisch verlobte Paar zum romantischen „we fell in love in october“ tanzen kann.
  3. Tattoo-Malerei von girl in red herself: Meisterin der Publikumsinteraktion Marie lässt es sich nicht nehmen, die Bitte verschiedener Poster zu erfüllen und zeichnet Fans verschiedene Tattoo-Motive auf die Plakate. Vom Tannenbaum bis zum Tour-Tattoo der eigenen Crew gibt es eine ganze Bandbreite. Marie erhält im Gegenzug ein DIY-Armband.

Ikone ohne Hierarchie

Speaking of Publikumsinteraktion: Selten kommt ein*e Musiker*in so nahbar rüber, während sie gerade vor Tausenden Leuten performt. Das liegt natürlich sehr stark daran, dass die knapp 90 Minuten Stagetime nicht hart durchgetaktet sind und genügend Raum für den Kontakt zu den Fans geschaffen wird. Hier geht’s eben immer um mehr als nur die Musik. Aber auch die hat alles, was man sich wünschen könnte. 16 Songs kredenzt girl in red den Fans. Von Mithüpf-Eskalation bei „bad idea!“ oder „dead girl in the pool.“ über emotionale Momente von „Rue“ oder „Midnight Love“ bis zur großen Hymne „i wanna be your girlfriend“ gibt es keine Stimmungskiller, sondern immer 100% auf und vor der Bühne. Mit einer reduzierten, aber gut eingesetzten Lichtshow und einer gut eingespielten Liveband steht das Ganze dann auch noch auf verlässlichen Füßen. Schöner könnte ein Safe Space gar nicht sein.

Und so hört sich das an:

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Beitragsbild von Jacqueline Landvik.

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