Kytes, Triple M München, 28.02.2020

Release-Shows sind bekanntermaßen eine gute Möglichkeit für Künstler, dem Publikum ihr neuestes Werk zu präsentieren. Endlich kann man die Songs live ausprobieren und das neue Baby und sich selbst gebührend feiern. Da die Kytes offensichtlich in die Kategorie der besonders spiel- und feierwütigen Bands fallen, reicht ihnen eine Release-Show aber nicht. Was macht man da? Man spielt einfach drei Shows an einem Abend in drei verschiedenen Locations in München und nennt das Ganze „Triple M“. Warum ist eigentlich vorher noch niemand auf diese zugegebenermaßen verrückte, aber doch grandiose Idee gekommen?

Ein schwitziger Auftakt in der MS Utting

Los ging es um 19 Uhr in der MS Utting, einem ausgedienten Schiff, das nun auf einer Eisenbahnbrücke liegt. Am Heck des kleinen und gemütlichen Saals hatten die Kytes so gerade genug Platz für sich, ihre Instrumente und ein einsames K als Deko. Auch vor der „Bühne“ war es kuschelig: Gut 100 Leute hatten das Schiff gekapert und mussten fast aufpassen, dass sie sich beim Hüpfen nicht die Köpfe an der niedrigen Decke stießen. Wer die Münchner Indie-Band schon mal live gesehen hat, kann sich vorstellen, dass in der Utting schnell Sauna-Bedingungen herrschten. Mit dem Song „Go out“ vom neuen Album „good luck“ eröffneten die Jungs das Set und brachten das Publikum auf Knopfdruck zum Tanzen. Titel wie „On the Run“, „Another Ride“ und die aktuelle Single „Runaway“ ließen die versammelten Indie-Herzen höher schlagen und das Schiff beben. Da war es eine willkommene Abwechslung, als man beim entspannten „Take It Easy“ durchatmen konnte. Mit Verweis auf den straffen Zeitplan des Abends fielen die Ansagen meist kurz aus, aber gerade zu den neuen Songs gab Sänger Michi den Fans gerne noch ein paar Worte mit auf den Weg. Gegen Ende des Konzertes gab es dann noch einen ganz besonderen Moment: Michi und Kerim setzten sich mit ihren Akustikgitarren mitten ins Publikum und spielten die wunderschöne Ballade „Wheels“ vom neuen Album. So laut und tanzfreudig das Publikum vorher auch gewesen sein mag, in diesem Moment waren alle mucksmäuschenstill und lauschten andächtig. Danach wurde nochmal zwei Songs lang Vollgas gegeben, bevor nach einer knappen Stunde Teil 1 des Abends als beendet erklärt wurde und sich die Kytes-Pilgergruppe mehr oder weniger geschlossen auf den Weg zur zweiten Station machte.

Mehr-Generationen-Pogo in der Muffathalle

In der Muffathalle angekommen, wurden wir gleich von der Vorband Pool empfangen, die gerade mit ihrer Show angefangen hatte. Als Zuhörer konnte man ziemlich schnell erkennen, was wohl der gemeinsame Nenner von Vor- und Hauptband ist: die musikalische Nähe zum Sound der Parcels lässt vermuten, dass Pool die Australier ähnlich gerne und oft hören wie die Kytes. Ein sehr stimmiges Warm-up also. Fast pünktlich schafften es die Protagonisten des Abends um 21:15 Uhr auf die Bühne, die im Vergleich zum kuscheligen Auftakt in der Utting einfach riesig wirkte und nicht nur Platz für das K bot, sondern auch für die restlichen 4 Buchstaben des Bandnamens, die im kreativen Chaos über die Bühne verteilt vor einem türkisen Backdrop lagen und standen. Vor der Bühne tummelten sich nun zehnmal so viele Leute wie auf dem Schiff, denn natürlich hatten die Kytes es geschafft, das Heimspiel auszuverkaufen. Bemerkenswert war dabei vor allem die bunte Mischung des Publikums: von Kindern in der ersten Reihe bis zu gemütlich mitwippenden Rentnern war alles vertreten. Das Set bot dieses Mal auf gut 1,5 Stunden Länge eine ausgewogene Mischung aus alten und neuen Songs. Das verträumte „Emily“ vom neuen Album konnte die Fans ebenso begeistern wie zum Beispiel „Two of Us“ vom Debütalbum aus dem Jahre 2016. „Take Me Home“, ebenfalls ein brandneuer Titel, entpuppte sich als Live-Kracher, der im tanzfreudigen Publikum sofort für einige Moshpits sorgte. Und so manche Songs, die die treuen Triple-M-Besucher schon vorher zu hören bekommen hatten, zeigten sich in anderem Gewand: eine Akustikversion von „Wheel“ mitten im Publikum wäre in diesem großen Rahmen wohl vollkommen untergegangen, also gab es stattdessen die „Vollversion“ mit Keyboard, bei der auch Bassist Thommy sein Talent an der Akustikgitarre beweisen durfte. Bei „Alright“ wurde die Größe der Bühne mal so richtig ausgenutzt und fünf Tänzerinnen untermalten den Inbegriff eines Feel-Good-Songs in knalligen Neon-Outfits. Trotz aller Ausgelassenheit fand Michi noch den richtigen Moment für eine ernste und wichtige Ansage, in der er für den Klimaschutz und die Verantwortung jedes Einzelnen plädierte. Die Fans bekamen also ein Indie-Konzert, dass keine Wünsche offen ließ und die meisten der 1.200 Besucher zogen zufrieden davon. Abgesehen natürlich von den knapp 200 Leuten, für die der Abend noch immer nicht vorbei war und die euphorisiert zur dritten Station weiterwanderten.

Abriss in der Milla

In der Milla führte der Weg erst einmal die Stufen in den Keller hinunter, wo man dann unweigerlich vor einer schwierigen Entscheidung stand: Geht man im langgezogenen, schlauchförmigen Club mit dem schiefen Boden links runter zur Bühne oder doch lieber rechts hoch zur Bar? Der Weg führte zuerst zur Bar, schließlich mussten die Kytes ihr drittes Set noch vorbereiten und es blieb genug Zeit für ein Bier zur Stärkung zwischen den Shows. Erfahrungsgemäß kann ich jetzt übrigens sagen, dass der Weg „bergauf“ zur Bar mit jedem weiteren Bier immer beschwerlicher wird. Pünktlich um 23:59 Uhr – schließlich sollten alle drei Konzerte am gleichen Tag starten – öffnete sich der Vorhang und zeigte nicht nur die vier Mitglieder der Indie-Band, sondern auch ein unbekanntes weibliches Gesicht, das bei „Go out“ fröhlich mitsang und tanzte. Wie Michi nach dem Song vorstellte, hatten sie sich seine Schwester Julia für den Opener zur Unterstützung auf die Bühne geholt. War das etwa ein erstes Anzeichen von Ermüdungserscheinungen bei den Jungs? Die nächsten 60 Minuten gaben Entwarnung: auch in der dritten Runde gaben die vier alles und rockten den Club. Auf der kleinen, stufenreichen Bühne hatte nicht nur das treue „K“ wieder seinen Platz gefunden, sondern dieses Mal auch das „Y“ und auch die Tänzerinnen schauten für „Alright“ wieder vorbei. Die Setlist war eine Mischung aus Teil 1 und Teil 2 des Abends und doch schien keiner der Anwesenden davon gelangweilt. Damit das auch so blieb, musste bei den Ansagen auch mal zu scheinbar harten Mitteln gegriffen werden. Hatte Michi schon in der Utting und der Muffathalle darauf hingewiesen, dass der Song „Want You Back“ ihm persönlich besonders wichtig sei, da er doch der deepste Song sei, den sie jemals geschrieben hätten, ließ Schlagzeuger Tim ihn in der Milla gar nicht erst zu Wort kommen: „Jaja, wir wissen es, das ist der krass ehrlichste Song…“. Das sorgte nicht nur für Belustigung in den ersten Reihen, sondern zeigte einmal mehr, dass hier eben Freunde auf der Bühne stehen und nicht nur eine zusammen gewürfelte Band. Bei wunderbar familiärer und intimer Atmosphäre holten also sowohl Band als auch Publikum nochmal ihre letzten Reserven hervor und powerten sich so richtig aus. Nach insgesamt gut 3,5 Stunden Konzert beendete schließlich Thommy den Abend: „Das war super, aber das machen wir bestimmt nicht nochmal!“ Schade eigentlich.

Wer die Kytes – in einfacher Dosis – bei der kommenden Tour sehen möchte, kann hier Tickets bestellen. Und das neue Album „good luck“ gibt es hier. *

Und so hört sich das an:

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Kytes “Good Luck” Tour 2020:
5. März – London, The Fiddler
12. März – Wien, Arena
14. März – Zürich, Dynamo Werk
17. März – Wiesbaden, Schlachthof
18. März – Köln, Luxor
19. März – Berlin, Lido
20. März – Hamburg, Knust
21. März – Leipzig, UT Conewitz 

Die Bildrechte liegen bei Andrea Holstein/minutenmusik. 

 

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