Für den Ausgang eines Konzertes sehen sich zwei Parteien verantwortlich: Die Fans auf der einen, die Musiker*innen auf der anderen Seite. So viel zur Theorie. Ist ja möglich, dass diese Erkenntnisse im Vakuum zwischen März 2020 und Herbst 2021 verloren gegangen sind. Doch mehr zu den zwei relevanten Komponenten: Für die Anhänger*innen der Indie-Punker Lygo hielten die vergangenen 18 Monate wohl wenig Live-Musik bereit. In Corona-konformen Settings fanden nur vereinzelte Punk-Shows statt und so ist das unter der magischen 2G+-Zugangsregelung stattfindende Release-Konzert der Gruppe wohl für viele der erste Happen Live-Genuss seit Pandemie-Ausbruch. Für die Band selber – Lygo – liefen die letzten zwei Jahre auch trotz Pandemie nahezu kalkuliert ab: Eine Bandpause hatten die drei Musiker 2019 eh beschlossen. Dementsprechend aufgeladen ist die Luft im Raum, als die zersetzten Akkorde des Konzerteröffners „Schockstarre“ durch den Raum schwirren, denn es ist für alle Beteiligten quasi ein zweites erstes Mal.
Die Band hat fernab der Live-Rückkehr einiges zu feiern. Zuerst einmal ist am Vortag ihr drittes Album „Lygophobie“ erschienen. Aus Langeweile – so erzählt Gitarrist Simon Meier – habe man sich im letzten Jahr dann doch schneller als gedacht wieder zusammengefunden und neue Songs geschrieben. Ganz wie geplant läuft die Pause dann also auch nicht. Es entsteht ein neues Album. Aus dem spielen die Drei heute bereits das ein oder andere Stück. „Warmes Bier & Kalter Kaffee“ etwa verwandelt das Artheater zum Ende des Hauptsets in ein wohliges Gewusel aus Körpern. Test bestanden: Funktioniert.
Außerdem: Der Ehrenfelder Club ist heute fast bis zum Rand mit Menschen gefüllt. Es scheint fast als habe die Band in ihrer Abstinenz gar neue Fans gewonnen denn verloren. Es ist daher die bislang größte Lygo-Show in Köln. Das freut die Band, die so manche Danksagung aus Versehen auf Englisch weiterreicht – man habe in der letzten Zeit viel Live-Mitschnitte englischsprachiger Bands geschaut –, und auch die Menge hat Lust dem gerecht zu werden. Nicht nur schallen die Texte, die Meier und Bassist Jan Heidebrecht in ihre Mikrofone brüllen, standhaft zurück gen Bühne, sondern auch Pogo wird von allen Seiten wieder mit Freude getanzt. Man konnte sich lange nicht mehr nah sein, da möchte nun so viel Nahkontakt herstellt werden wie möglich. Dieser mit Euphorie aufgenommene Funken Normalität prägt den Abend. Beide Parteien – die Menschen auf sowie die vor der Bühne – machen demzufolge eines: Abliefern. Funktioniert also nicht nur in Theorie, sondern auch in der Praxis.
Und so hört sich das an:
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Lygo live 2021:
27.11. – Hannover, Bei Chéz Heinz (Otterfest)
Fotorechte: Jonas Horn.
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