Self Esteem – Prioritise Pleasure

Review: Leonie erwartet feministisches Empowerment, bekommt mit dem 2. Self Esteem-Album "Prioritise Pleasure" jedoch etwas anderes.

Ich war gerade auf der Suche nach spannenden Releases im Oktober, als ich über die englische Popmusikerin “Self Esteem” stolperte. Ihr Album “Prioritise Pleasure” sollte rauskommen, irgendwer hatte über sie geschrieben, ihre Musik sei rockig, trotzig und feministisch. In meinem Kopf bildeten sich Assoziationen zu Dua Lipa und Blond, überzeugend.

Es ist immer so, wenn man feste Vorstellungen von etwas hat: am Ende kommt es ganz anders. Vielleicht ist es auch unfair, bei dem Schlagwort “feministisch” direkt an andere Künstler*innen zu denken, zu vergleichen und zu erwarten, aber so war es auch mit diesem Album.

Die Engländerin steigt mit großen Liedern ein, mit Drama und Trotz, es ist faszinierend, nur irgendwie fehlt der rote Faden. Das Soundbild fügt sich nicht zusammen, wird immer wieder gebrochen durch Songs wie “Moody”, wechselt zwischen Verzerrung und Drama, Pop und Rock. Eine Mischung, die spannend sein kann, wenn die Songs in der richtigen Reihenfolge kommen, aber hier hört es sich stellenweise eher an wie eine Aneinanderreihung von konzipierten Radiosingles. Einprägsame Melodie, Text mehr im Hintergrund und garantierte Ohrwürmer.

An sich in der heutigen Zeit, in der alles sehr schnell gehen muss, schnell klicken, schnell passen, schnell einprägen – wir haben alle keine gesunde Aufmerksamkeitsspanne mehr – eine legitime Strategie. Aber als eine Person, die Spaß daran hat, in Alben nach Verknüpfungen und einer eingängigen Geschichte zu suchen, ist Prioritise Pleasure in dieser Hinsicht enttäuschend.

Es fühlt sich fast schon an wie Verschwendung des Potentials der Künstlerin: sie hat eine besondere, starke Stimme, und dass sie tiefergehenden, feministischen Inhalt formulieren kann, zeigt sie in Songs wie “I Do This”, einer Mischung aus Lied und Interlude, in dem sie einfach erzählt. Feministische Popmusik klingt vielversprechend, entpuppt sich aber irgendwie als leere Versprechung, wenn sie in ihren Texten nur ausgelaugte Phrasen wie “Frauen sind stark und brauchen keinen Mann” wiederholt. Das ist nicht falsch, aber auch nicht mehr zeitgemäß.

„Prioritise Pleasure“ ist, wie versprochen, trotzig und lehnt sich auf – am Ende bleibt nur die Frage: gegen was genau? Es ist ein poppiges Album, man kann sich berieseln lassen, im Radio funktioniert es bestimmt auch sehr gut, feministische Hymnen werden wir daraus aber wohl eher nicht ziehen.

Rebecca Lucy Taylor hätte mehr aus ihrer Stimme herausholen können. Inhaltlich und musikalisch. Ich bleibe trotzdem gespannt, was in der Zukunft von ihr kommt.

Und so hört sich das an:

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Die Rechte für das Cover liegen bei Universal Music.

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