Mit ihren „Pazifik Open Airs“ folgen Provinz einem Trend, der diesen Sommer in der Musikszene ziemlich angesagt scheint: als Band eigene Open Airs auf die Beine zu stellen. Im Rahmen dieser groß angesetzten Freilufttour präsentierten Provinz das „Pazifik Open Air“ am 12.07.2025 auch im Westfalenpark in Dortmund – und wir waren dabei.
Die Markenzeichen der Band sind mittlerweile bekannt: Provinz, das sind drei Cousins – Vincent, Robin und Mosse – an deren Seite ihr Freund Leon am Schlagzeug. Getragen von der markanten Stimme ihres Sängers und einem Haufen melancholischer Songs über das Erwachsenwerden, hat sich aus einer Gruppe träumender Jugendlicher aus der Nähe von Ravensburg in den vergangenen Jahren eine der erfolgreichsten deutschsprachigen Pop-Bands entwickelt. Auch wenn das Open Air in Dortmund nicht komplett ausverkauft war, fanden sich dennoch tausende junge, überwiegend weibliche Fans auf der großen Wiese vor der Bühne ein, um einen sommerlichen Konzertabend zu erleben.
Eröffnet wurde der Abend zunächst von IDER, einem englischen Singer-Songwriter-Duo aus London, bestehend aus Megan Markwick und Lily Somerville. Ihr musikalischer Stil ist schwer greifbar – irgendwas in Richtung Indiepop und Singer-Songwriter mit Dance-Elementen? – doch trotz der eher unerwarteten Kombination gelang es IDER, dem Publikum mit Songs wie „Mirror“ oder der aktuelleren Single „Attachement Theory“ einen angenehmen Start in den Abend zu verleihen und die Menge auf den Auftritt von Provinz vorzubereiten.
Bevor die Band auf die Bühne trat, verdeckte ein pazifikblauer Vorhang das eher schlichte Bühnenbild, das mit einem grau-blauem Stoff vermutlich das tosende Meer symbolisch nachbilden sollte und somit thematisch hervorragend zum Konzert- und Albumtitel „Pazifik“ passte. Auch ihre leuchtende Drehscheibe der letzten Tour hatten sie wieder mit dabei.
Entgegen den Erwartungen begann das Konzert nicht mit einem euphorischen, tanzbaren Song, sondern mit „Kein Tag ohne dich“, einer eher ruhigen Nummer vom neuen Album, das in diesem Jahr erschienen ist (Rezension). Die anfängliche Zurückhaltung der Band zeigte sich auch im Publikum, die zunächst vorrangig mit Handyfotos und Snapchat-Videos beschäftigt waren. Mit den anschließenden bekannteren Songs wie „Großstadt“ und „Tanz für mich“ tauten die Besucher*innen mit verhaltenen Bewegungen und lautem, textsicheren Gesang dann aber langsam auf. Sänger Vincent zeigte an diesem Abend einige stimmliche Schwankungen und Texthänger, was der Konzertatmosphäre jedoch keinen Abbruch tat. Erstmalig war mit Asita außerdem eine Geigerin dabei, die die Band musikalisch unterstützte und zwischendurch auch zur Gitarre wechselte. Ihre Integration wirkte durchdacht und passte zu vielen der emotionaleren Stücke, spielte sich insgesamt jedoch eher im Hintergrund ab.
Während ihres Sets präsentierten Provinz sowohl bewährte Stücke ihrer bisherigen Alben als auch mehrere neue Songs wie „Sommer macht melancholisch“, „Weißer Mercedes“ oder den Titeltrack „Pazifik“. Obwohl die Setlist bunt gemischt und das Wetter überwiegend waren, wirkte die Band stellenweise etwas steif – fast so als ob sie ein einstudiertes Programm abspulen würden. Die unbeschwerte Energie, die bei früheren Auftritten vor allem durch das freudig-lebhafte Herumtanzen von Vincent und Mosse spürbar war, fehlte an diesem Abend irgendwie. Eine gewisse Melancholie spiegelte sich auch in der Ansage zum Song „Indigo“ wider. Die Band berichtete, dass der Song entstanden sei, als ihnen bewusst wurde, wie sehr sie gewachsen sind – von der kleinen Straßenband zu den großen Bühnen. Gleichzeitig würden sie aber auch die Ruhe und die Langeweile früherer Tage vermissen. Ein ungewohnter Einblick in die Gefühlswelt der Musiker, der die Frage aufwarf, ob sich die junge Band in den letzten Jahren vielleicht ein Stück weit verausgabt hat.
Einige fröhlichere Songs, darunter der Hit „Diego Maradona“, lockerten die Stimmung auf, ehe Provinz das Publikum wieder auf eine kleine Achterbahn der Gefühle schickte, indem sie die Hauptbühne verließen und wenig später auf einer B-Stage mitten im Publikum wieder auftauchten, um hier einen besonders emotionalen Teil des Konzerts zu spielen. Neben dem Hit „Zorn & Liebe“ präsentierten sie hier „Alaska“, einen ehrlichen und sehr persönlichen Solosong gesungen von Robin am Klavier, der dem Publikum eine spürbare Gänsehaut bescherte. Auch der neue Song „1000 Nächte“, der vom Verlust eines geliebten Menschen handelt, berührte die Menge durch seine intensive Stimmung.
Zurück auf der Hauptbühne folgten dann mehrere bekannte Hits wie „Wenn die Party vorbei ist“, „Was uns high macht“ und „Spring“. Was hierbei positiv hervorzuheben ist: ihr einstudiertes Bühnenprogramm unterbrach die Band, als in der Menge eine Zuschauerin sanitäre Hilfe benötigte. Was eigentlich selbstverständlich klingt, haben wir im vergangenen Jahr in unserer Rezension der “Heimweg” Tour von Provinz noch bemängelt, denn dort hatte die Band erstmalig ein Awareness Team mit dabei, welches jedoch kaum Präsenz zeigte und wie eine Ausrede wirkte, als die Band ihre Show im Kölner Palladium nicht einmal kurz unterbrach, obwohl mehrere Fans von Sanitätern aus der Menge gezogen werden mussten. In diesem Jahr gingen Provinz deutlich besser mit der Situation um, doch insgesamt hinterließ das „Pazifik Open Air“ dennoch einen zwiespältigen Eindruck:
Einerseits wirkte die Setlist vergleichbar mit bisherigen Shows, ergänzt um eine Handvoll neuer Songs. Die junge Band zeigte sich weniger ausgelassen und mit einer spürbar geringeren Spielfreude als bei früheren Auftritten. Diese Zurückhaltung übertrug sich auch auf das Publikum, das zeitweise etwas eingeschlafen wirkte – lebhafte Moshpits blieben nahezu vollständig aus.
Andererseits präsentierten sich Provinz aber auch deutlich nahbarer und persönlicher, insbesondere in den Ansagen zwischen den Songs. Zudem bot das “Pazifik Open Air” mit neuen Stücken aus dem gleichnamigen Album einige frische Momente und die Gelegenheit, die neuen Songs erstmalig live zu erleben.
Abschließend bleibt festzuhalten: Provinz sind ohne Zweifel eine großartige Band mit viel Talent und Potenzial. Zugleich scheint es aber, als könnten die Jungs eine kleine Pause gebrauchen, um ihre kreative und vor allem mentale Energie vollständig wieder aufzuladen.
So hört sich das an:
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Provinz “Pazifik” Open Airs 2025:
01.08.2025 – Wien, AT – ausverkauft
02.08.2025 – Wien, AT – Zusatzshow
08.08.2025 – Hamburg
09.08.2025 – Braunschweig
15.08.2025 – Lingen (Ems)
16.08.2025 – Rostock
17.08.2025 – Winterthur, CH
22.08.2025 – Ravensburg
23.08.2025 – Köln
29.08.2025 – Freiburg im Breisgau
30.08.2025 – Ladenburg
31.08.2025 – Bielefeld
13.09.2025 – Berlin
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