PVRIS, Gloria Köln, 02.02.2023

Es ist ein wenig bizarr: Die Stimmung im gemütlichen Kölner Gloria ist an diesem Abend gut, stellenweise sogar sehr gut. Und doch lässt die letzte Viertelstunde Spielzeit erahnen, dass schon die nächste PVRIS-Tour nochmal einen draufsetzen könnte. Ein Rückblick auf einen Abend, der von dichter Atmosphäre, überraschend starken Gesangsleistungen und tollem Sound, aber auch von einem hingebungsvollen Fankreis geprägt ist.

Ein Start mit Ausrufezeichen

Gute Support-Acts sind wie eine köstliche Tomatensuppe vorm Hauptgang – die machen im Optimalfall noch mehr Appetit. Übertreibt die kochende Person aber, könnte sie sogar den anschließenden Burger blass aussehen lassen. In einem Punkt war das auch an diesem Abend der Fall. Charlotte Sands macht bei ihrem ersten Deutschland-Auftritt ever nämlich direkt alles, was im How-to-Bühnenpräsenz-Handbuch steht richtig. Sympathische Ansagen, viel Bewegung auf der Bühne und das richtige Maß an Anheizen. Dass der türkis-haarige Wirbelwind ihren sonst teils doch etwas generischen Pop-Punk noch mit einer außergewöhnlich guten Stimmleistung verziert, sorgt endgültig dafür, dass das Kölner Publikum ihr aus der immer wieder ausgestreckten Hand frisst. Dutzende Handylichter zur Ballade, Mitsing-Chöre aus dem Stehgreif und Hüpf-Parties zur Eskalation später kann man sicher sagen: Das war großartig. Mehr davon!

Der Place to Be für die alternativen Queers

Da hat es Lynn Gunn, die bei Promo-Terminen mittlerweile als einziges Bandmitglied von PVRIS auftritt, dementsprechend schön warm auf der Bühne. Zu warm vielleicht, denn es soll lange dauern, bis der Stimmungspegel beim PVRIS-Auftritt den gleichen Stand erreicht wie bei Sands. Gunn selbst ist nicht unbedingt die geborene Entertainerin und das Publikum, so maßlos begeistert es auch sein mag, nicht das geborene Energiebündel. Hier wird lange vor allem gefühlvoll mitgesungen und begeistert auf die Bühne geschaut. Die ist mit etlichen Pflanzen sehr schön in Szene gesetzt, über das Licht müssen wir uns aber nochmal unterhalten. Viel zu oft bleiben Gunn und ihre Bandmitglieder Brian MacDonald & Denny Agosto im Dunkeln. Das ist im besten Fall schön atmosphärisch, viel zu oft aber schlicht anstrengend.

Abgesehen davon gibt es aber handwerklich nichts zu meckern. Lynn Gunn singt und spielt sich auf einem durchweg sehr guten Niveau durch die knapp zehnjährige Diskographie. Vom neuen „Goddess“ über den großen Hit „You & I“ bis zu Songs vom aktuellen Album „Use Me“ gab es einmal die ganze bunte Tüte in Meisterklasse. Auf ähnlich hohem Niveau brachte das Trio auch den Sound ins Gloria, der an der Grenze von Synth-Pop und Alt-Rock wandelt. Jeder Track saß wie eine 1. Und doch fiel dadurch ein gewisses Vakuum auf. Dass gerade beim Industrial-Ausflug „Monster“ noch viel Stillstand im Publikum angesagt war, lag an der angezogenen Handbremse im Stimmungspegel. DIe kann erst „You & I“ lösen. Am Ende sind die Fans deswegen wieder ähnlich aufgetaut wie bei Sands zuvor – umso schöner, dass diese für „My House“ nochmal mit auf die Bühne kommt.

PVRIS haben, wie auch das Publikum diesen Abend zeigt, einen großen Vorteil: Ihre Fans sind gekommen, um zu bleiben. Gerade in queeren Kreisen hat die Truppe um Gunn einen Nischen-Kultstatus erreicht und die Dankbarkeit für diesen Safe Space gibt es heute überall zu spüren. Da ist eine gewisse Wärme zwischen Bühne und Stehplatz auch vor der Eskalation in der Luft. Alt-Pop der düsteren Sorte bringen nur wenige auf diesem Niveau, in diesem Zeitraum und mit so viel Herz auf die Bühne wie PVRIS – und dass das hier noch lange nicht das Ende ist, zeigte das große Finale des Abends.

Und so hört sich das an:

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Beitragsbild von Julia.

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