„She’s fabulous, but she’s evil!” Queen Bee, Master Manipulator, Apex Predator – so wird Regina George, die Anführerin ihrer Highschool Clique “The Plastics”, im Erfolgsfilm “Mean Girls” beschrieben. Reneé Rapp, die Regina George in der aktuellen Musicalverfilmung verkörpert, ist allerdings das absolute Gegenteil der kultigen und fiesen Filmfigur.
In erster Linie ist Reneé Rapp ein aufstrebender Popstar und mit ihrer offen-lockeren Art eine Ikone der aktuellen LQBTQ+ Szene. Als Schauspielerin wurde die queere 24-Jährige vor allem durch ihren Auftritt als lesbische Studentin in der Coming-of-Age-Serie “The Sex Life of College Girls” bekannt. Die Hauptrolle der diesjährigen Musicalverfilmung “Mean Girls” rückte sie weiter ins Rampenlicht und brachte ihr Unmengen an medialer Aufmerksamkeit. Der dazugehörige Soundtrack “Not My Fault” mit Megan Thee Stallion rotiert seit Monaten als Radiohit in sämtlichen globalen Playlisten und rückte auch Reneés musikalische Karriere mehr in den Fokus. Hört man sich das Debütalbum “Snow Angel” an oder beschäftigt man sich mit ihrer musikalischen Laufbahn, die bereits 2022 mit der EP “Everything To Everyone” gestartet ist, so weiß man, dass Reneé Rapp eine begnadete Sängerin und Songwriterin ist. Mit einer starken Stimme, die sowohl große Balladen, als auch fröhlich-freche Popsongs tragen kann, hat sie schon mehrfach ihr Talent als Sängerin unter Beweis stellen können. Und eben weil Reneé so eine gute Sängerin, Ikone und Süßmaus ist, fällt es mir schwer, den nachfolgenden Bericht über ihr Konzert am 15.02.2024 im Kölner Carlswerk zu schreiben.
Spektakuläre Lichteffekte kündigten um 21 Uhr den Auftritt der amerikanischen Sängerin an. Applaus und Jubel waren ohrenbetäubend laut, als die blonde Künstlerin aus North Carolina die Bühne betrat. Mit ihrem Hit „Talk Too Much“ als Opener begeisterte Reneé Rapp direkt das knapp 2.000 Menschen umfassende Publikum. Der Abend war schon seit Mitte letzten Jahres komplett ausverkauft gewesen und seit Monaten hatten sich die Suchanfragen auf Kleinanzeigen getummelt, um verzweifelt noch irgendwie in den Besitz eines der begehrten Tickets zu gelangen. Dass das Publikum zurecht den Kampf um eines dieser Tickets gewonnen hatte, bewies die Menge ab Minute Eins durchgängig mit euphorischer Begeisterung, Applaus und zahlreichen selbstgemalten Schildern, die in die Luft gestreckt wurden.
Die sympathische Sängerin startete stark und feuerte mit „Poison Poison“ und „Bruises“ direkt einige der Highlights ihrer Diskografie ab. Relativ schnell fiel jedoch auf, dass Reneé immer und immer wieder aufhörte zu singen und stattdessen das Mikrofon ins Publikum streckte oder sich vom Backing Track durch den jeweiligen Song tragen ließ. Bei den ersten ein bis zwei Songs war das Ganze auch kein Problem – immerhin tanzte und hüpfte Reneé dabei energiegeladen über die Bühne – doch die Niedlichkeit verflog recht schnell. Mit den Parts, die sie selbst sang, traf sie zudem nicht immer so ganz die richtigen Töne. Man bekam den Eindruck, als habe Reneé nicht wirklich Lust zu singen oder als wären ihre gesanglichen Fähigkeiten eventuell doch nicht gut genug für die große Bühne.
Auch in Sachen Publikumsinteraktion gab es meiner Meinung nach noch Luft nach oben. Statt den Dialog zum gesamten Carlswerk zu suchen oder Geschichten zu den jeweiligen Songs zu erzählen, pickte die Sängerin sich einzelne Fans aus der Menge, um lediglich auf ihre selbstgebastelten Schilder zu reagieren, wodurch die Ansagen zwar niedlich, aber irgendwie auch distanziert wirkten.
Und damit nicht genug: nach gerade einmal 60 Minuten war der Auftritt von Reneé Rapp dann auch schon wieder zu Ende. In der 16 Song starken Setlist fanden sich zum Glück die meisten Hits der Sängerin wieder. So präsentierte sie unterschiedliche Songs des Pop-Genres, besang im Up-Beat-Hit “Pretty Girls” die Art von Frauen, die nach einem Same Sex Hookup zu ihren männlichen Partnern zurückkehren und wünschte ihrem untreuen Ex-Freund mit “Tummy Hurts” dass seiner Tochter eines Tages genauso das Herz gebrochen wird, wie deren Vater es bei ihr getan hat. Eines der Highlights bildete natürlich der Mean Girls Hit “Not My Fault” dessen Rap-Part von Megan Thee Stallion via Leinwand eingespielt wurde und der die wohl meist zelebrierte Mitsing-Zeile des Abends beinhaltete: “Can a gay girl get an Amen? – AMEN!” Zum Schluss durfte natürlich auch der emotionale Trennungshit “In The Kitchen” nicht fehlen, der damals Reneés zweite Singleveröffentlichung gewesen war. Songs wie “Too Well” und der Fan Favorite “Willow”, der in der amerikanischen Setlist noch enthalten war, fehlten hingegen.
Als großes Finale gab es zwar noch die absolute Gänsehautballade „Snow Angel“, bei der Renée vor animierten Engelsflügeln dann doch noch einmal unter Beweis stellte, dass sie durchaus in der Lage war, eine stimmliche Glanzleistung abzuliefern, doch im Anschluss wurde das Publikum bereits um 22 Uhr in die Nacht entlassen.
An dieser Stelle möchte ich kurz noch Support Act Sekou erwähnen. Leider haben wir aufgrund der langen Einlassschlange ungefähr die Hälfte seines Auftritts verpasst, doch selbst in der Hälfte seines Sets überzeugte der aus London stammende Sänger in genau in den Punkten, die uns bei Renée Rapp als Star des Abends gefehlt haben. Sekou präsentierte eigene Songs, wie die aktuelle Single „Crying“ und die Ballade „Better Man“ über seine eigene Selbstfindung. Dabei lieferte er eine stimmlich durchgängig sichere Performance ab und überzeugte mit einer außergewöhnlich tiefen Klangfarbe. Das hoch motivierte Publikum, das an dieser Stelle noch einmal ein großes Lob für ihre lautstarke Begeisterung verdient, belohnte Sekou durchweg mit Jubel und sogar einer eigens inszenierten Wand aus Handylichtern. Das Highlight des gesamten Konzertabends: seine Coverversion des Adele Hits „Someone Like You“ für die das Publikum zum Mitsingen animiert wurde. Ein absoluter Gänsehautmoment. Sekou und Köln zeigten sich stimmgewaltig – anders als Renée Rapp an diesem Abend.
Nichtsdestotrotz ist Renée vermutlich eine der wichtigsten Künstlerinnen des aktuellen Jahres. Mit ihrer offenen Queerness inspiriert sie hunderttausende Menschen unterschiedlicher Generationen zu sich zu stehen, schafft mit ihren Konzerten einen Safe Space für viele Fans und bringt gleichzeitig frischen Wind in eine etwas eingerostete Medienwelt. Dass der plötzliche Trubel um die Sängerin und der bis oben hin vollgepackte Terminkalender da vielleicht für einige Schonmaßnahmen oder stimmliche Rückschläge sorgen, entschuldigt zwar nicht die ausbaufähige Gesangsperformance, ändert aber auch nichts an der Tatsache, dass das Publikum dennoch Spaß hatte an diesem Abend.
Wir würden Renée Rapp bei ihrer nächsten Tour auf jeden Fall noch eine weitere Chance geben, uns neben ihrer Ausstrahlung auch mit ihrer Qualität als Livekünstlerin zu begeistern. Bis dahin schauen wir uns dann einfach eines ihrer iconic Interviews oder noch einmal die „Mean Girls“ Verfilmung an, um ihre weiteren Talente anzuerkennen (und Regina George anzuhimmeln).
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