Ich gebe zu, es dauerte dereinst eine Weile, bis ich mit Sperling so wirklich in Kontakt kam. Es geisterte zu Beginn mal ihr Name durch die Gegend, aber es war in jenem Moment die falsche Band, die der Tatsache, dass einfach viel zu viel Musik erscheint und man einfach nicht alles hören kann, was so erscheint, zum Opfer fiel. Mein gedachtes „Alter, was will er denn jetzt?“ in der Umbaupause, als einst Sperling mal als zweiter Support von Marathonmann auftraten und plötzlich jemand ein Cello auf die Bühne trug, tut mir indes noch heute leid. Denn das, was folgte, erschien mir nicht nur sehr innovativ, sondern sorgte dabei vor allem auch für Begeisterung, denn dieser „Post-Hardcore-Rap“ mit Alleinstellungsmerkmal Cello wusste zu gefallen und zeigte, wie positiv die Aussage „mal was anderes“ eigentlich gemeint sein kann.
Ganz klar, die Beschäftigung mit dem Debüt „Zweifel“ war folglich Pflichtprogramm. Und da das nun auch schon eine ganze Weile zurückliegt, war die Spannung auf den vorliegenden Nachfolger „Menschen wie mir verzeiht man die Welt oder hasst sie“ groß. Dieser begegnet gleichermaßen gewohnt deep wie auch klanglich weiterentwickelt und breiter aufgestellt, ohne dass man dabei wem weh tun würde, der das Debüt mochte. Wobei auch der „hardcorige“ Teil zu Beginn noch nah am Vorgänger liegt, wenn man in „Meer“ mit nachdenklich mehr-oder-weniger-gesprochenem Gesang die Strophen bestreitet und die Wut im Chorus rauslässt, hier auch lautstark unterstützt von Being As An Ocean in Person von Joel Quartuccio.
Hört man weiter, so hat sich dies nicht geändert: Der große Optimismus war und ist nicht die Welt von Sperling, auch wenn bei Stücken wie „100 Tonnen Kummer“ irgendwo dann doch noch Hoffnung hintergründig spürbar ist. Musikalisch übrigens ein bisschen mehr in Richtung Indie, während im Chorus die Shouts kommen, was auch nicht immer der Fall sein muss. „November“ beispielsweise bleibt in der Ruhe und zeigt die Feststellung „Ich mach mir zu viele Sorgen“. Das auch sehr tiefgängig, denn die Frage „Wenn ich ein Teil des Problems bin, wo verdammt ist dann der Rest davon?“ ist eine verdammt gut gestellte. Auch ein Stück wie „Fallen“ liegt gut in der Ruhe und präsentiert zweierlei: Auf der einen Seite hat sich der Gesang weiterentwickelt, auf der anderen Seite ist nach wie vor der prototypische Rap zu hören.
Der vorherige Absatz soll nun aber auch kein verschleiertes „In der Ruhe liegt die Kraft“ sein, denn Wut und Aggression fehlen keineswegs und sind auch nicht gerade wenig dominant. Die Vorab-Single „Die kleine Angst“ gemeinsam mit Mario Radetzky zeigte es schließlich schon druck- und eindrucksvoll. Auch Stücke wie „Verlieren“ können das gut zeigen, dass nebst den ruhigen Momenten, für die man Sperling sicher auch kennt, der große Ausbruch immer wieder seinen Platz hat. Wenn man es überhaupt irgendwie anstrengen will, dass hier irgendwo die Kraft liegt, dann muss man sagen, dass diese im Gesamtbild liegt. Freunde des Haares in der Suppe könnten dieses nun höchstens noch darin finden, dass nach gut 35 Minuten bereits Schluss ist, sollten sich aber lieber mal einen Ruck geben, denn dieses Album ist echt stark geworden.
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Und so hört sich das an:
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Sperling live 2024:
23.02.2024 DE – Dresden, Tante Ju *
24.02.2024 DE – Hannover, Musikzentrum *
29.02.2024 DE – Jena, Kassablanca *
01.03.2024 DE – Frankfurt, Batschkapp *
02.03.2024 DE – Köln, Live Music Hall *
09.03.2024 DE – Berlin, SO36 *
16.03.2024 DE – Hamburg, Markthalle *
21.03.2024 DE – Nürnberg, Hirsch *
22.03.2024 DE – Stuttgart, Im Wizemann *
23.03.2024 DE – München, Backstage *
29.03.2024 DE – Bremen, Schlachthof *
30.03.2024 DE – Essen, Weststadthalle *
06.04.2024 DE – Langenberg – Crossnight Festival
* mit Rogers, Casino Blackout
Rechte am Albumcover liegen bei Uncle M.
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