The Used, Zeche Bochum, 21.08.2018

The Used, Zeche Bochum, 21.08.2018

Ein Sänger, der auf der Bühne ein Stück Papier in seinem Mund verschwinden lässt und zu kauen beginnt, sich vorher wie ein Kleinkind über das Geräusch freut, das entsteht, wenn er seinen Mikrofonständer samt Mikro über den Boden schiebt und alle zwei Lieder anfängt Ausschnitte aus Shakespeare vorzutragen? Außerdem eine Band, die ihr aktuelles Album „The Canyon“ betourt, von der Platte aber keinen einzigen Song spielt? Klingt ganz schön sonderbar!

Nun jedoch erstmal zum Beginn zurück. Ein knappes Jahr ist es her, seitdem das siebte Studioalbum der amerikanischen Rock-Band The Used erschienen war. Dieses stellte mit einem neuem Gitarristen, Justin Shekoski, nicht nur einen Neuanfang dar, sondern berief sich musikalisch auch auf die Post-Hardcore-Vergangenheit des Quartettes. Trotzdem ging die Platte fast gänzlich an der breiten Masse vorbei – hatte die Band mit ihrem selbstbetitelten Debütalbum damals innerhalb eines Jahres noch 500.000 Einheiten verkauft, so schien man mit seinem aktuellen Album in Vergessenheit geraten. Anfang dieses Jahres verschwand Shekoski dann auf einmal von Bandfotos und der Infosektion auf der Facebook-Seite der Gruppe. Im Nachhinein kam ans Licht, dass die Band eine einstweilige Verfügung gegen ihr ehemaliges Mitglied erlassen hatte, da Shekoski drohte sich bei einer ihrer Shows zu erhängen. Dies mag eventuell der Grund dafür sein, dass sich The Used auf ihrer Tour, die eigentlich nach der aktuellen Platte benannt ist, gänzlich auf die Vergangenheit konzentrieren. Sollten die geplanten Konzerte eigentlich bereits im Februar über die Bühne gehen, mussten diese allesamt auf Grund eines plötzlichen Todesfalls eines der Familienmitglieder der Band verschoben werden. Auch die Verschiebung erwähnte das Quartett – wieder mit neuem Herren an den sechs Saiten – bei der Nachholshow in der eher mittelmäßig gefüllten Bochumer Zeche Mitte August mit keinem Wort.

Als die Band jedoch überpünktlich um kurz vor 21 Uhr in der Ruhrmetropole die Bühne betritt, scheint noch ein sehr gewöhnliches Konzert zu folgen. Mit „Take It Away“ aus ihrem Zweitling geht es gleich rasant los, das Publikum scheint aber noch nicht so wirklich zum abgehen bereit. Laut Mitsingen, das kriegt es hin, zu tanzen und den Raum mit Energie zu füllen – nicht wirklich. Erst kurz vor der Zugabe wird es einen etwas größeren Moshpit in der Mitte des Raums geben. Den aber auch nur auf Aufforderung von Sänger Robert Edward “Bert” McCracken. Gleich nach wenigen Songs beginnt McCracken Shakespeare-Ausschnitte über die erstaunlich oft eher improvisierte Musik seiner Band zu legen. Dies wird im Laufe des gut 65-minütigen Konzertes noch etliche Male – auch zwischen den Stücken – passieren. So wirklich weiß niemand, warum der tätowierte Sänger dies tut, etwas unterhaltsam ist es aber schon.

Als auf einmal nur noch Neuzugang Joey Bradford und McCracken auf der Bühne stehen und das balladeske „On My Own“ anstimmen, kommt es doch noch zu einem magischen Moment – wenn auch wieder mit leicht verrücktem Beigeschmack. Auf einmal schwirrt ein kleiner Falter durch den Raum, als der Sänger diesen bemerkt, versucht er ihn mit kindlicher Freude einzufangen. Ja niemand solle das Tierchen töten, fordert er später. In der Zugabe wirkt die Stimmung dann etwas losgelöster. The Used spielen Nirvanas Überhit „Smells Like Teen Spirit“ an, die Menge rastet aus, endlich kehrt mal etwas Chaos in den Raum ein. Wenige Minuten später geht das kurze Konzert zu Ende. So ganz sicher ist man sich nicht, ob man gerade eine größenwahnsinnige oder geniale Band gesehen hat. Eine besondere Erinnerung bleibt dieser warme Dienstagabend allemal.

Und so hört sich das an:

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Foto von Jonas Horn.

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