Der Rezenzeffekt besagt, dass das menschliche Gedächtnis näher zurückliegenden Informationen mehr Gewicht zuteilt als solchen, die weiter zurückreichen. Diese Eigenschaft der menschlichen Psyche lässt sich – wie andere solcher Biases – für vielerlei Zweck missbrauchen. Bei Kino- oder Fernsehwerbung ist der letzte Spot vor (Wieder-)Beginn des Programms zum Beispiel besonders beliebt. Und auch die US-amerikanische Indie-Rock-Band Wallows legt mit ihrem Konzert im Kölner Palladium zumindest nahe, schonmal von besagtem Phänomen gehört zu haben.
Doch beginnen wir vorne. Zweimal bereits haben die Wallows um die Schauspieler Dylan Minnette und Braeden Lemasters in Köln gespielt. Das Palladium ist nun nochmal einen Schritt größer als die letztjährige Halle, dafür jedoch mindestens ein paar Hundert Menschen vom Ausverkauf entfernt. Die Gesamterfahrung macht dieser Umstand nur angenehmer, denn sowohl Sicht als auch Raum sind ungewohnt frei. Nach dem geselligen und Dankbarkeit versprühenden Aufwärm-Versuch von Voract Matilda Mann, fällt dann zunächst ein Vorhang mit Wallows-Schriftzug, der dann wiederum pünktlich zu den ersten Introtönen einem unifarbenem Vorhang weicht.
Der Einstieg dann ist zwar gelungen, aber doch unspektakulär. Schatten tanzen über das weiße Gewand, das anschließend fällt während die Band im Hintergrund zum Einstieg einen mäßig bekannten Song ihres Debüts spielt. Es folgen einige Stücke des aktuellen, dritten Studioalbums “Model”. Im Hintergrund thront derweil im XXL-Format das Cover ebenjener Platte. Nach und nach begrüßen die drei Wallows, wenn sie zwischen den ansonsten dicht im Fluss arrangierten Liedern mal nicht ihr Instrumentarium tauschen, ihr Publikum. Die Stimmung ist bislang lediglich okay, die großen Hymnen spart man sich noch auf. Es wird mittellaut mitgesungen, mittelviel getanzt, dafür massig mitgefilmt.
Doch es bleibt nicht dabei und die Band beginnt zunehmend unter Beweis zu stellen, dass sie durchaus zurecht immer größer werdende Hallen bespielt. Das Set jedenfalls ist durchdacht arrangiert. Im Mittelteil etwa sitzt die Kernband – live wächst das Trio zum Sextett – für ein kurzes, Handylicht-geflutetes Akustik-Intermezzo in einer Art loungigen Studio-Umgebung. Für deren Auf- und Abbau verschwindet dann jeweils einer der drei für einen Song im Publikum oder vor diesem in der ersten Reihe. Ihre größten Songs außerdem platzieren die Wallows im letzten Showdrittel, sodass dann endlich so richtig Stimmung aufkommt.
Auch die Produktion transformiert sich fortwährend und behält sich dabei stets die besten Elemente bei. Dominiert das erste Drittel vor allem die pointierte Lichtshow, so gesellt sich zu dieser zunächst ein eindrucksvoller Sternhimmel-Backdrop, der schlussendlich dann mit einem überdimensionalen Wallows-Leuchtschriftzug kombiniert wird. Wenn also am Ende lauthals “Remember When” oder “Are You Bored Yet?” gesungen werden, dann bleibt dieser Moment des kollektiven Vibens nicht nur als wunderbarer Abschluss in Erinnerung, sondern sieht für Tiktok und Co. ebenfalls fantastisch aus. Clever eben.
Mehr Wallows gibt es hier.
Und so hört sich das an:
Foto von Jonas Horn.
* Affiliate-Link: Du unterstützt minutenmusik über deinen Einkauf. Der Artikel wird für dich dadurch nicht teurer.