Xatar feat. heavytones, Philharmonie Köln, 26.03.2024

Xatar in der Philharmonie Koeln mit den heavytones

Xatar – ist das nicht der mit dem Goldtransporter? Ganz genau! Der kurdischstämmige Rapper aus Bonn, der bürgerlich auf den Namen Giware Hajabi hört, ist allerdings weit mehr als nur ein Musiker. Sein Leben liest sich wie ein Krimi: Ein spektakulärer Goldraub, Gefängnisaufenthalte und ein Film über seine bewegte Geschichte. So hat er sich seinen Weg geebnet: Von einem Sozialbau in Bonn bis an die Spitze der Charts. Doch das verlief, wie wir alle wissen, nunja, nicht immer ganz ohne Höhen – und vor allem Tiefen!

An vergangenem Dienstag haben Xatar und die heavytones in der Kölner Philharmonie ein Konzert gegeben. Ja, absolut richtig. Ein Rapper, der auf der Bühne des Kölner Konzertsaals bei bester Akustik quasi wie vor einem großen Amphitheater performt! Es sollte ein Abend werden, in dem Genregrenzen vereint werden: Eine Prise Soul mit etwas Funk und Jazz und einer gehörigen Ladung hartem Rap. Aber fangen wir von vorne an:

Xatar betritt die Bühne wie ein moderner Gangster aus einem Film, mit einem langen Mantel und einer aufgesetzten Sonnenbrille, die nur seine coolen Absichten verbergen können. Ohne ein Wort zu sagen, nimmt er Platz am majestätischen Flügel, als wäre er der Anführer einer musikalischen Revolte. Er atmet tief ein und zieht dann lässig an seiner E-Zigarette, was die ersten Lacher des Abends auslöst.

Während Xatar sein kurzes Klavier-Solo genießt, betreten nach und nach weitere Musiker die Bühne, als würden sie sich zu einer geheimen Gang zusammenfinden: Ein Trompeter, eine Posaunist, ein Saxophonist, ein Keyboarder, ein Schlagzeuger, ein Perkussionist, ein Bassist, ein Gitarrist und die drei geheimnisvollen Supreme Girls an den Vocals, die ihren eigenen Charme versprühen. Die großartigen heavytones unter der Leitung von Wolfgang Dalheimer haben ihren Maestro Stefan Raab ausgetauscht und durch Goldmann Xatar ersetzt.

Nachdem Xatar vom Flügel aufgestanden und zum Mikrofon gegangen ist, spricht er in eben dieses die ersten Zeilen des Soundtracks „Rheingold“, der Film, der sein Leben erzählt: „Sie sagen, du kannst alles schaffen. Aber was ich auf meinem Weg nach oben gelernt habe, ist, dass es keine Abkürzungen gibt.“ Die Band setzt ein und verwandelt die Philharmonie in einen Klangpalast, der die Zuhörer in seinen Bann zieht.

Dann wird es persönlich. Xatar öffnet sich dem Publikum und enthüllt die Höhen und Tiefen seines Lebens. Es fällt auf, dass es ihm schwerfällt, seine Worte direkt an das Publikum zu richten. Mit 42 Jahren ist er nicht mehr der junge Draufgänger von einst, aber die Bühne ruft ihn zurück, und er stellt sich der Herausforderung mit Stil. Doch wieder auf der Bühne zu stehen, scheint für den Rapper eine Herausforderung zu sein. Ein Publikum, das nicht im Graben zu ihm aufblickt, sondern wie ein Amphitheater in die Höhe ragt, ist für ihn ungewohnt. Hier und da traut er sich kaum, den Blick in die Menge zu wagen. Ist es die Aufregung?

Zu Beginn des Abends ist Xatar noch elegant in seinem Mantel gekleidet, aber nach wenigen Minuten im Rampenlicht legt er ihn ab und offenbart seinen wahren Stil: Designerjogger und eine dicke Goldkette, ganz der Gangster mit einem Hauch von Luxus.

Doch heute steht nicht nur Rapper Xatar nach langer Zeit wieder auf der Bühne. Nein, auch die heavytones dürfen sich auf der hiesigen Bühne beweisen. Während des Konzerts dürfen einzelne Mitglieder der Band, die einst für die Stimmung bei TV Total sorgten, immer wieder ihre Fähigkeiten in imposanten Soli zeigen, und Xatar bewundert jeden von ihnen. Schließlich ist er, anders als man vielleicht vorurteilend von einem Gangsta-Rapper erwarten würde, mit Musik in Konzertsälen aufgewachsen. So erklärt sich, dass der Abend auch eine Familienangelegenheit ist, denn ein Großteil von Xatars Familie ist an diesem Abend anwesend, darunter seine Mutter, Schwester und Frau. Als sein jüngster Sohn auf dem Schoß seiner Mutter sitzend während einer Pause zwischen zwei Songs ruft „Da ist Papa!“, kann sich der 42-jährige Rapper vor Stolz und Rührung kaum halten.

Aber Xatar ist nicht nur hier, um Musik zu machen. Doch warum wagt er dieses Abenteuer? Als Kind hat er die Konzerte seiner Eltern backstage erlebt. Aber auch er wollte irgendwann auf einer solchen Bühne performen. Heute steht er selbst im Rampenlicht und erfüllt sich einen lang gehegten Traum. Er schafft es, verschiedene Welten zu vereinen und die Zuschauer zu begeistern. Was ihn dabei jedoch verblüfft und zu verunsichern scheint: Das Publikum ist, der Akustik der Philharmonie geschuldet, mucksmäuschenstill und lauscht gespannt den Worten des Rappers.

Trotz aller Emotionen vergisst Xatar nicht seine Wurzeln und bricht immer wieder mit einem Schuss Gangster-Romantik aus, der das Publikum zum Toben bringt. Die Performance zu „Weiter Weg“ lässt die Zuschauer erstmalig von ihren Sitzen aufspringen und mit den Beats mitwippen. Auch der stellvertretende Bürgermeister Dr. Ralph Elster ist im Saal anwesend. Xatar nutzt diese Chance, um ihm für diese einmalige Gelegenheit zu danken. „Was glaubt ihr, wie schwierig es war, hier reinzukommen?“, fragt er das Publikum. Tja, ich glaube, das können wir uns alle gut vorstellen …

Vor allem aber möchte er der Philharmonie danken, „dass sie die Eier haben, hier mitzumachen“. Im Laufe des Abends bedankt sich Xatar immer wieder bei sämtlichen Mitwirkenden. Es scheint, als könne er kaum glauben, was da gerade passiert. Es fällt auf, wie schwer es ihm fällt, Ansprachen ans Publikum zu halten. Er betont immer wieder, dass er in den letzten Jahren schwere Zeiten durchgemacht hat. Seine Stimme zittert dabei oft. Doch er nutzt diese Emotionen, um sich nicht nur bei seiner Mutter („Mama war der Mann“), sondern auch bei seiner Schwester („Schwesterherz“) zu bedanken. Mitten in der Philharmonie performt er die Songs direkt vor ihnen, als ob er seine Seele vor ihnen ausbreitet. Eine Entschuldigung gepaart mit viel Dankbarkeit. Ohne die Frauen in seinem Leben hätte er es niemals so weit geschafft.

Trotz emotionaler Momente lässt sich der Rapper nicht von seinem rauen Weg abbringen. „Lass uns mit dem Gangsta-Shit weitermachen!“, brüllt er ins Mikrofon, bevor er „Ich will hier nicht weg“ featuring SAMY performt. Letzterer unterstützt Xatar auf der Bühne, so, wie es schon immer war.

Aber auch berühmte Tracks wie „Interpol“, eingeleitet erneut von einem Klaviersolo, sowie „Schweigen Ist Gold“ werden – natürlich durch die heavytones gigantisch neuinterpretiert – zum Besten gegeben. Die Parts vom Song „Wieder erreichbar“, den Xatar eigentlich mit SSIO und Kalim performt, singt er kurzerhand selbst. Ein Tablet schafft ihm Abhilfe, um die Texte abzulesen.

Das Konzert endet mit „Maestro’s Grand Finale“ sowie „Tach Tach“, dem gemeinsamen Banger von Xatar und Haftbefehl (unter dem Namen „Coup“) von ihrem Kollabo-Album. Eine Liebeserklärung an Haftbefehl, dem für ihn größten Künstlerkollegen des Planeten, kann Xatar sich dabei nicht verkneifen. Es ist eine Brüderschaft der beiden, die die Herzen der Zuhörenden erwärmt. So endet das Konzert mit einem explosiven Finale, das die Philharmonie zum Beben bringt.

Alles in allem lässt sich sagen: Es war ein Abend, der sicherlich vielen Zuschauer:innen lange in Erinnerung bleiben wird. An diesem Konzertabend war die Kölner Philharmonie bis zum letzten Platz gefüllt, mit Menschen, die möglicherweise sonst selten hier anzutreffen sind. Xatars Wunsch, Kulturen miteinander zu verbinden, wurde an diesem Abend wahrhaftig erfüllt, und das Publikum war Zeuge dieser einzigartigen Verbindung. Die Mischung aus verschiedenen Musikstilen und die einzigartige Atmosphäre der Philharmonie haben es geschafft, ein unvergessliches Erlebnis für alle Musikliebhaber zu schaffen. Vor allem aber die heavytones konnten mit ihrer musikalischen Präsenz glänzen.

Dass Xatar lange Zeit nicht mehr auf der Bühne gestanden und performt hat, ist trotzdem spürbar. Es wird ihm aber verziehen, denn er zeigt wahrhaftige Anstrengungen, sich als Mensch weiterzuentwickeln. Gemeinsam mit den heavytones hat er einen beeindruckenden Auftritt hingelegt: Die Vielfalt der Musik wurde gefeiert, und die Philharmonie hat den perfekten Rahmen für dieses Ereignis geboten. Genres spielten keine Rolle, denn es ging darum, Menschen zu vereinen und zu begeistern. Toll, liebe Bühnen der Stadt Köln. Gerne mehr!

Xatar feat. heavytones live 2024

19. April: Frankfurt am Main, Zoom
22. April: Berlin, Heimathafen Neukölln

Und so hörte sich das an, als Xatar im vergangenen Jahr bereits mit dem WDR Funkhausorchester performte:

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