Über 1,5 Dekaden brauchte Rapper Yassin, um das geplante Großprojekt „Solo-Album Nummer eins“ in die Tat umzusetzen. Seit Anfang der 2000er tauchten im Internet immer wieder auch Solo-Sachen des Wahlberliners auf – Feature-Parts und gemeinsame Songs mit Kollege Audio88 gibt es mittlerweile ja zu Genüge. Für ein ganzes Album voller Solo-Zeug reichte es in der Zeit, mit seiner Band erschienen inzwischen vier Langspieler, jedoch niemals. Im Januar 2019 war es dann endlich so weit und „Ypsilon“, wie das Solo-Debüt des Rappers heißt, erblickte das Licht der Welt und verdrehte trotz des ungewohnt modernen Soundgewands auch den Old-School-Fans den Kopf. Die Platte stieg wegen des ungeahnten Erfolgs bis auf Platz acht der deutschen Media Control Charts, was bislang nichtmal gemeinsam mit Audio88 gelang. Nun geht es für den 34-Jährigen aus Darmstadt auf erste Solo-Tour, während der auch ein Stopp im Kölner Club Bahnhof Ehrenfeld anstand. Hier bot man den eigenen Fans vor ausverkauftem Haus einen emotionalen Abend mit vielen Freunden.
Es ist kurz nach 20 Uhr im 500 Leute fassenden größten Club der Tour. Ecke Prenz betreten die Bühne. Das ist ein größtenteils instrumentales DJ-Projekt um Breaque und V.Raeter. Ersterer tourt seit Jahren bereits als DJ mit Audio88 & Yassin um die Lande, letzterer kümmert sich neben der eigenen Musik um die Promo- und Live-Fotografie Yassins. Bereits hier bietet man also zwei langjährigen Wegbereitern eine Präsentationsfläche. Die beiden machen ihre Sache zwischen progressiven Old- und New-School-Instrumentals durchaus gut, fetten die knalligen Beats gelegentlich auch mit Xylophon und Rasseln an. Die Stimmung wird von Song zu Song besser. Immer wieder schnellen im Publikumsraum auch die Hip-Hop-Hände in die Höhe und erste Fans wippen zu der Musik der beiden mit. Die wenigen Ansagen V.Raeters heizen die Stimmung dann noch einmal mehr ein. Wenn schon instrumentale Musik, dann bitte so!
Nach einer gefühlt ewigen Umbaupause tritt irgendwann erneut Breaque hinter das Mischpult. Vor sphärischem Beat beginnt Yassin, der im Verlauf des 80-minütigen Konzertes wahrlich gerührt sein wird, noch aus dem Backstage heraus den Titeltrack seines Albums zu rappen. Bereits hier zeigen sich die Kölner Fans textsicher und schmettern Zeile für Zeile in Richtung Bühne. Irgendwann tritt der Rapper dann doch aus dem Schatten in das Scheinwerferlicht und verfeuert mit „Abendland“ gleich den laut dem schwedischen Streaming-Anbieter Spotify erfolgreichsten Song der Platte, von der an diesem Abend kein Song gemisst wird. Yassin kann es sich jedoch leisten seine „Hits“ nicht an das Konzertende zu packen, muss auch in der Zugabe nicht noch einmal zwanghaft die letzte Energie aus seiner Crowd herauskratzen, damit die Show sich ja klimaktisch immer weiter aufbaut – das Set ist für eine Solo-Show clever konstruiert, beginnt ruhiger, wird dann immer energetischer, um gegen Ende wieder introvertierter auszuklingen. Das Publikum macht diesen für Rap-Shows eher ungewohnten Aufbau mit. Die perfekt abgestimmte, für Club Bahnhof Ehrenfeld-Verhältnisse grandiose Lichtshow rundet diesen Eindruck ab.
In seinen wenigen Ansagen stellt Yassin seine musikalische Sozialisation vom „King Of Pop“ Michael Jackson über Techno zum Rap dar, lenkt die Aufmerksamkeit auf eine Petition, die sich das Ziel setzt die Abschiebung des Rappers Sugar MMFK zu verhindern, und bedankt sich mehrfach ausführlich bei seinen Fans und Freunden für die tatkräftige Unterstützung. Einen ganz besonderen Kumpel hat der Rapper dann noch für den Mittelteil seines Sets im Gepäck: Für vier Songs greift niemand geringeres als Bandkollege Audio88 – verwirrender Weise mittlerweile mit Haaren – zum Mikrofon und spittet wütende Rhymes. So darf das Publikum im Moshpit ein paar „Schellen“ verteilen, Yassin für das wütende „Eine Kugel“ in der Wall-Of-Death begrüßen und zu der Neuauflage von „Über Liebe“ gefühlvolle die Soul-Stimme erheben, um so „Endorphine für die nächsten Monate“ zu gewinnen.
Am Schluss steht Yassin spärlich beleuchtet vor der laut applaudierenden Menge. Immer wieder schallen „Yassin“-Chöre durch den gewölbten Raum. Der 34-Jährige ist sichtlich angetan, überwältigt und sprachlos. Genau so fühlt sich also das Dasein als etablierter Künstler an. Yassin ist es – wenn auch mit Hilfe von engen Freunden – gelungen, sich auch als Solokünstler einen Ruf zu schaffen. Wer eine solch stimmige Show abliefert und es schafft Rap mit Autotune auch den Älteren der Generation Y schmackhaft zu machen, der darf sich auch mal so feiern lassen. Mit Recht.
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Und so hört sich das an:
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Yassin live 2019:
15.10. – Potsdam, Waschhaus
17.10. – Osnabrück, Kleine Freiheit
18.10. – Essen, Hotel Shanghai
19.10. – Bremen, Tower
24.10. – Hamburg, Molotow
25.10. – Dresden, Groovestation
26.10. – Darmstadt, 806QM
27.10. – Köln, Club Volta
19.12. – Berlin, Huxleys Neue Welt (Weihnachtsmesse mit Audio88)
Foto von Jonas Horn.
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