Als ich vor rund acht Jahren das erste Mal einen Song des mittlerweile zum Feuilleton-Liebling aufgestiegenen Offenbacher Gangsta-Rappers Haftbefehl hörte, war es sofort um mich geschehen. Naja, ganz so einfach war es dann doch nicht. Zugegebener Maßen war Verwirrung das vorreitende Gefühl, verstand ich doch nur wenig von dem brachial kratzigen Vortrag des Azzlack-Oberhauptes. Nur wenige als deutsch identifizierbare Wörter konnte ich im Sprach-Wirrwarr seiner Songs ausfindig machen. Wie selbstverständlich mischte der Deutschtürke unterschiedliche Sprachen, darunter Arabisch, Türkisch, Spanisch und Englisch, mit deutschen Slang-Begriffen. Erst das anschließende Nachschlagen und Verstehen des wohl gerappten Wortsalats entfachte das flammende Interesse an dieser neuen Mischsprache des Rap, die bis heute nicht erloschen ist. Frei nach dem Motto „Du willst mich und meine Umwelt verstehen, dann musst du meine Sprache lernen!“ prägt Hafti bis heute die Wortwahl deutscher Gangsta-Rapper. Arabische und türkische Begriffe gelten seit seinen ersten Veröffentlichungen Anfang der 2010er-Jahre als Standard für die Texte vieler Szene-Vertreter.
Brachialer Trap-Sound…
Höchste Zeit diese Tradition raptechnischer Sprachverschmelzungen auf ein neues Level zu bringen. Das dachte wohl auch das deutsche Rap-Trio Albi X, Christ D.Q und Melo. Die drei Kölner eint nämlich nicht nur ihre kongolesische Herkunft, sondern anscheinend auch eine Vorliebe für das Überwinden konventioneller Sprachgrenzen. Ihre jüngst erschienene EP trägt den Titel „DEUFRALA“ und verbindet Rap-Lyrics in der kongolesischen Amtssprache Lingála mit französischen und deutschen Textpassagen. Musikalisch paaren sich die mehrsprachigen Zeilen der drei Rapper mit einer vorwiegend düsteren Afro-Trap-Aufmachung. Das Ergebnis bietet dank markanter Vocal-Performances einen Soundtrack, um durch die nächtlichen Gassen der heimischen Großstadt zu wandern und dabei lässig mit dem Kopf zu nicken. Speziell Albi X, der mit seinem Auftritt auf Haiytis „Toulouse“ 2020 bereits für Aufregung sorgte, klingt dabei in jedem seiner Parts so energiegeladen, dass er mit seinem Vortrag sogar stimmgewaltige Rapper wie Massiv oder GZUZ in den Schatten stellen könnte. Auch wenn die multilingualen Texte den Inhalt der EP teilweise schwer zugänglich machen, nimmt einen speziell die Energie der härteren Songs von Sekunde eins mit. Kein Wunder also, dass „DEUFRALA“ vor allem dann punktet, wenn es musikalisch rauer zugeht. Beispielsweise die mitreißende, beinahe geschriene Hook der Vorabsingle „Makéléle“ oder der basslastige Stimmeinsatz von Christ D.Q. auf „Muscador“ laden zum Springen und Pogen ein und erzeugen gleichzeitig Neugier. Hier deuten die Rapper bereits durch Flow und Klang an, dass sie etwas zu erzählen haben. Hier werde ich als rein deutschsprachiger Zuhörer zum Erweitern des eigenen Sprachschatzes angetrieben.
…trifft Auto-Tune-Spielereien
Melodischere Ansätze, wie auf dem Song „K.N.K“, offenbaren dagegen die größten Schwächen der EP. Das schiefe Auto-Tune-Gesäusel von Melo und Albi X wirkt hier wie ein liebloser Versuch den dadaistischen Stil Yung Hurns zu kopieren. Was dabei rumkommt sind jedoch keine lustigen Dada-Lines und neuartigen Flows, die zur tieferen Auseinandersetzung mit den Texten der Rapper auffordern. Nein, was dabei rumkommt sind inhaltlich nicht wirklich zusammenhängende Zeilen, die kaum Reaktion hervorrufen und auch in ihrer Performance langweilen. Hier wird klar, dass Sprachspiel und Multikulturalität allein kein gutes Rap-Release ausmachen. So ist die Grundidee hinter „DEUFRALA“ durchaus spannend und ambitioniert und sollte von eingefleischten Rap-Fans allein wegen des brachialen „Makéléle“ und der neuartigen Sprachverschmelzungen wahrgenommen werden. Auf ganzer Länge zeigt die EP aber eindringlich, dass Albi X, Christ D.Q und Melo scheinbar noch etwas Zeit benötigen, um endgültig herauszufinden, wie DEUtschFRAnzösischLingálA zu klingen hat. Im Auge behalten sollte man die Jungs auf jeden Fall!
Und so hört sich das an:
Christ D.Q: Instagram
Melo: Instagram
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