Was passiert, wenn sich eine Band von einem Mitglied trennt? Es muss Ersatz her. Bei den Instrumenten ist bei bestehenden Songs kein großer Unterschied zu erkennen. Das ist also in der Regel gar nicht so problematisch. Doch geschieht die Trennung vom Sänger oder der Sängerin und das auch noch vor anstehenden Shows, ist das schwer. Jedenfalls meistens. Bei der 2007 gegründeten Metalcore-Band Annisokay verlief die Trennung von Shouter Dave Grunewald nach dem Festival-Sommer 2019 ziemlich glatt. Die drei übrigen Jungs holten sich Rudi Schwarzer, der in den letzten 10 Jahren schon in diversen Hardcore-Bands gespielt hat, für die X-Mas Bash Konzerten mit den Emil Bulls ins Boot. Nach erfolgreich abgeschlossener Tour stellte sich für die Formation die Frage „wie geht es weiter?“. Ganz klar mit Rudi. Aber soll es auch im selben Stil, der sich auf den letzten vier Platten der Band kaum verändert hat, weitergehen? Oder mit einem Neuanfang? Das neue Album „AURORA“ wird es zeigen.
Annisokay konnten es kaum erwarten ihren Fans zu zeigen, wo die Reise hingeht. Vorab veröffentlichte die Band bereits sechs Lieder aus der ersten Hälfte der Platte. Die erste Single „STFU“ präsentiert Rudi als den neuen Frontmann. Mit seinen aggressiven jedoch klar zu verstehenden Shouts überzeugt er von sich. Im Ganzen verhält sich der Song allerdings so wie man es von dem Quintett gewohnt ist: Aalglatter Gesang von Sänger und Gitarristen Christoph Wieczorek (der übrigens federführend für die Produktion ist) zwischen recht simple Gitarren-Riffs, untermalt von elektronischen Fillings. Catchy ist es, aber nichts Außergewöhnliches. Ebenso ist „Bonfire of the Millenials“ im üblichen Stil gestaltet. „Face The Facts“ aber ist mit einem intensiven, groovigem Riff und Shouts im Sprechgesang überraschend und auch wirklich überzeugend. Im Allgemeinen gefällt der größere Anteil an Shouts hier sehr gut. Dahingegen weiß der klare Sprechgesang in „The Cocaine Got Your Tongue“ nicht so zu überzeigen, sondern veranlasst eher zum Schmunzeln. Jedenfalls zeigen die Vorab-Songs: Annisokay probieren mit „AURORA“ Neues.
Auf den insgesamt 13 Liedern und 48 Minuten gelingt das den Jungs aus Halle mal mehr mal weniger gut. Der Track „Overload“ zum Beispiel wirkt zu gezwungen und ist wortwörtlich überladen. Auch „The Blame Game“ ist mit seiner etwas „metaligeren“ Note eher schwach. Die zweite Album Hälfte hält allerdings auch positive Überraschungen bereit: „Under Your Tattoo“ glänzt mit harten, drückenden Riffs und tiefen Growls inklusive brutalem Breakdown. Besonders auffallend und mitreißend ist „I Saw What You Did“, der nebenbei bemerkt der kürzeste und härteste Song ist. Hier lässt die Gruppe erfolgreich Elemente des Djents einfließen. Direkt darauf folgt das ruhigste Lied „Standing Still“ und sorgt für einen Bruch. Mit „Friend or Enemy“ und „Terminal Velocity“ klingt „AURORA“ dann im gewohnten Stil ohne weitere Experimente aus.
Für Annisokay beginnt mit „AURORA“ ein neues Kapitel, in dem die Band anfängt sich neu zu definieren. Langweilig wird es dabei nicht. Die fünf Jungs setzen fort, was sich bewährt hat, scheuen sich aber keineswegs davor, einfach mal was anderes mit einzubringen. Spannend sind die drückenden, groovigen Riffs und einzelnen Parts im Shout-Sprechgesang. Auch mit einigen Schwächen ein gelungener Neuanfang.
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