Bilderbuch machen es ihren Fans niemals leicht. Der Durchbruch gelang den Österreichern mit dem Indie-goes-Hip-Hop-Querschlag „Schick Schock“, der Nachfolger „Magic Life“ dann stapelte Schicht auf Schicht, war weniger greifbar, experimenteller und doch unkonventionell eingängig. „Maschin“ und „Bungalow“ mauserten sich in den Jahren drauf zu Hits, die keine coole Indie-Party missen durfte. Der Jahresumbruch 2018 zu 2019 brachte dann nicht nur gleich zwei neue Bilderbuch-Alben, sondern auch eine Neuausrichtung. Waren Bilderbuch nach ihrer Gründung als Schulprojekt doch schrittweise vom klassischen Band-Sound hinweggewandert und hatte auf einer Clubtour 2018 das Konzept der digitalen Rockgruppe mitsamt elektronischen Gesamtsetup an seine Grenzen getrieben, so machten „Vernissage My Heart“ und „Mea Culpa“ den soundtechnischen U-Turn: Akustisches Schlagzeug statt Drum-Computer, loungiges Rhodes-Piano statt Synthesizer-Gitarren, heimliche Hits statt Radio-Dauerbeschallung. Mit „Gelb Ist Das Feld“ steht nun ein neues Bilderbuch-Album bereit. Überfordernd und anders ist das natürlich auch wieder.
Da hat man sich soeben an die weirden Soundexperimente und Dada-Texte der Wahl-Wiener gewöhnt, schon schaffen die ihre Trademarks wieder ab. Vierzehn nur selten unter vier Minuten lange Songs strecken das siebte Studioalbum der Österreicher auf knapp 60 Minuten. Auf so mancher physischen Version gibt es gar einen Song obendrauf. Interviews möchte die Band diesmal keine geben. Und auch sonst finden Bilderbuch 2022 fernab jeglichen Zeitgeistes statt: Streamingtauglich ist weniges, die Promomoves bleiben unkonventionell – die erste Single erschien vor über einem Jahr, die Single-Cover sind identisch mit dem des Albums –, statt in große Hallen zu gehen verschlägt es die Band über den nächsten Monat verteilt in prunkvolle Konzertsäle. Das Album selbst ist ähnlich freischwebend.
„Gelb Ist Das Feld“, das zusammen mit Indie-Tausendsassa Markus Ganter entstand, ist noch organischer als die zwei direkt-älteren Geschwisterkinder. Alle seine Stücke zirkulieren um Gitarre, Bass und (akustisches) Schlagzeug. Oft konstruiert Schlagzeuger Philipp Scheibl einen straighten Beat, über den die Kollegen dann flotte Akustik-Gitarren sowie vielerlei psychedelische Bass- und Gitarrenspielereien arrangieren. Experimente finden vorweg innerhalb dieser für die Band doch engen Grenzen statt. Die ekstatischen, oft komplett konventionsfreien Soli Snacki Mike’s etwa weichen einigen wenigen Solo-Ausflügen der Marke „Standard“.
Den künstlerische Anspruch kann man der Band selbstredend nicht absprechen. Sauber ausgeführt ist das, wirkliche Längen innerhalb der Songs gibt es wenige. Statt auf den einen großen Moment oder einzelne herausstechende Stücke zu setzen, stellt „Gelb Ist Das Feld“ nämlich vor allem die Atmosphäre in den Vordergrund – zum Leid der Multidimensionalität. Es könnte der dudelnde Soundtrack zu langen Sommerpicknicken werden, das Orangerot des Sonnenuntergangs im Rücken, zirpende Grillen im Ohr, weißen Wein im Mund. Abstufungen gibt es trotzdem: „Zwischen Deiner Und Meiner Welt“ ist most-Rock seit dem 2009er-Debüt, „Nahuel Huapi“ ein transzendentaler Hit ohne Massenpotential, „La Pampa“ eine Retro-Sound-Hochburg und die Musik in „Blütenstaub“ mehr Kulisse denn Protagonist. Der Stil ist bei all dem eben nur kein rein neuer mehr, greift keinen Trends vorweg.
Neu und ähnlich eindimensional ist auch die textliche Ausrichtung – zu beanstanden gibt es diesbezüglich trotzdem wenig. Reihte Sänger Maurice Ernst zuletzt noch nahezu zusammenhanglose Satzfetzen aneinander, die dann in Summe doch ein – oft auch als gesellschaftskritisch interpretierbares – großes Ganzes ergaben, so textet er nun über das größte menschliche Bedürfnis, die Liebe. Weniger Dada ist das, aber nicht weniger bildstark: Ernst verpackt seine Gefühle vorweg in Naturmetaphern, die Sonne etwa ist ein wiederkehrendes Motiv, das titelgebende Feld ebenso. Und auch die Deutsch-Englisch-Rotationen sind erhalten geblieben. Neu ist das alles also schon, die Art zu Texten irgendwie aber auch altbekannt.
In Summe mögen so manche „Gelb Ist Das Feld“ dennoch als zu vorhersehbar und einschläfernd empfinden. Verübeln kann man es ihnen nicht. Auf elf Songs gekürzt, wäre die Platte ein sehr gutes Bilderbuch-Album mit gewohnter Neukalibrierung, mit 14 (teilweise gar 15) Songs jedoch ist sie mindestens zehn Minuten zu lang um wirklich in Gänze zu begeistern. Herausfordernd jedenfalls, das kann nicht abgestritten werden, ist „Gelb ist Das Feld“ allemal. Das teilt es sich mit den Vorgängern.
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Bilderbuch live 2022:
08.04.2022 Hamburg / Elbphilharmonie – sold out
10.04.2022 München / Isar Philharmonie – sold out
11.04.2022 Berlin / Philharmonie – sold out
19.04.2022 Wiesbaden / Kurhaus
20.04.2022 Köln / Philharmonie – sold out
21.04.2022 Salzburg / Großes Festspielhaus
22.04.2022 Linz / Brucknerhaus – sold out
24.04.2022 Zürich / Kaufleuten
05.05.2022 Wien / Arena Open Air – sold out
06.05.2022 Wien / Arena Open Air – sold out
07.05.2022 Wien / Arena Open Air
30.06.2022 Graz / Kasematten Open Air – sold out
01.07.2022 Graz / Kasematten Open Air
Die Rechte für das Cover liegen bei Maschin Records.
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