Birds In Row – Gris Klein

Cover des dritten Birds in Row-Albums "Gris Klein".

Es ist so eine Sache mit dem Post-Irgendwas. Das Versprechen nämlich ist ein freies, das Resultat schlussendlich doch häufig in einem Korsett verfangen. Oft folgt auch die Fortentwicklung einem Muster: Der Einstieg im typischen Stile, dann der Bruch, Vermengung mit Randstilistiken und irgendwann Annäherung an einen anderen Idealtypus. Die Post-Screamo-Sensation Birds In Row befindet sich auf ähnlichem Pfad. 2009 noch unter klassischem Screamo-Label gestartet, lockerten die drei Musiker zunehmend die Zügel ihrer Bestie, die sich auch aus Post-Rock und Indie zu nähren begann. Den Anfang nahm diese Progression mit der 2018er Monumental-Platte “We Already Lost the World”, mit ihrem nun erscheinenden dritten Studioalbum “Gris Klein” setzt sie sich nun gemächlich fort. Der Ausgang der Reise jedoch bleibt dabei ungewiss.

My patience could use a doctor”, sprintet B. – die Bandmitglieder verstecken sich hinter ihren Initialen – von Wort zu Wort wie so manche*r Leichtathlet*in von Hürde zu Hürde. “Daltonians” – Farbenblinde – heißt der zugehörige Song. Er bildet eine von wenigen Ausnahmen, nimmt sich tatsächlich wenig Zeit. “Gris Klein” nämlich ist häufig äußerst geduldig. Spannungen bauen die drei Franzosen oft minutenlang auf. Mal gar so lange, dass deren Ertragen nahezu unangenehm wird. “Noah” ist etwa ein solches Stück, fünf Minuten hibbeln dort Schlagzeug und Bass um die Wette, das Überkochen der Emotion immer greifbar. Das Bedürfnis bleibt unbefriedigt, wird in Häppchen bedient. Die mühsam beisammen gezimmerte Spannung, sie zersetzt sich schlussendlich einfach selbst. Und das bloß, um dann im Folgesong so richtig von ihrer Last befreit zu werden. Ähnliches unternimmt auch “Confettis”, gefangen in ewig-währenden Arpeggios, in konstantem Mehr. Dann ebenfalls: Schluss. Diesmal ist keine Reinwaschung erlaubt.

Dieser in den Songs transportierten Aus- und Aufbruchsstimmung ähnelt auch die Zeit, der Musik und Text entspringen. Der Großteil davon entstand nämlich in den frühen Pandemietagen, getragen von einer Sehnsucht nach Freiheit und Entfaltung. Dass die Musiker dieses hibbelige Gemüt des zwischen den eigenen Bedürfnissen (nur raus) und der Vernunft (die gesundheitliche Seite) Stehen auch in den Songs ersuchen, ist also durchaus natürlich. 

Der Raum, in dem das Schaffen von Birds in Row stattfindet, jedenfalls folgt dabei durchaus der eingangs umschriebenen idealtypischen Progression. Die Franzosen nämlich räumen das Chaos zunehemend bei Seite, sortieren einige Rechnungen in Aktenordner, werfen ein paar getragene Shirts und Hosen in den Wäschekorb. Einen Ordnungsfimmel hat die Band jedoch nicht. Das Bett bleibt ungemacht, Zeitschriften wild auf dem Nachttisch verteilt. Momente pendeln daher derart unvorhersehbar zwischen Typisch und Untypisch, dass das herbeigeschriebene Korsett oft doch zersprengt wird. Maßgeblich erkennbar ist das zum Beispiel in einem Stück wie “Rodin”, getrieben von zerhackten Gitarrenspuren, im Zweikampf mit den Drums, neues Chaos suchend und findend. “Gris Klein” daher zeigt eine Band eingefangen auf einem Marsch ins Ungewiss. Es ist die Momentaufnahme einer zwar formell repräsentativen, in den Details aber außergewöhnlichen Entwicklung. Ausgang ungewiss.

Und so hört sich das an:

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Birds In Row live 2022:

Oct 14 – Zwolle (NL) – Hedon (Cult of Luna Support)
Oct 15 – Leipzig (DE) – Felsenkeller (Cult of Luna Support)
Oct 16 – Wroclaw (PL) – A2 (Cult of Luna Support)
Oct 17 – Budapest (HU) – Durer Kert (Cult of Luna Support)
Oct 18 – Prague (CZ) – Underdogs (Cult of Luna Support)
Oct 20 – Berlin (DE) – Urban Spree
Oct 21 – Dortmund (DE) – Trompete
Oct 22 – Darmstadt (DE) – Oettinger Villa
Oct 23 – Neunkirchen (DE) – Stummschen Reithalle
Oct 27 – Bordeaux (FR) – Le Krakatoa
Oct 28 – Alençon (FR) – La Luciole
Nov 03 – Amiens (FR) – La Lune des Pirates
Nov 04 – Belfort (FR) – La Poudrière
Nov 05 – Annecy (FR) – Le Brise Glace
Nov 09 – Bruxelles (BE) – Le Botanique
Nov 10 – Haarlemn (NL) – Patronaat
Nov 11 – Leeuwarden (NL) – Neushoorn
Nov 12 – Nijmegen (NL) – Merleyn
Nov 17 – Poitiers (FR) – Le Confort Moderne
Nov 18 – Vannes (FR) – L’Echonova
Nov 19 – Quimper (FR) – Novomax
Nov 23 – Fribourg (CH) – Fri-Son
Nov 24 – Metz (FR) – Les Trinitaires
Nov 25 – Tours (FR) – Le Bateau Ivre
Nov 26 – Paris (FR) – Le Trabendo
Dec 09 – Angoulême (FR) – La Nef

Die Rechte für das Albumcover liegen bei Red Creek Records.

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