Ich bekenne mich schuldig. Bush ist mal wieder eine dieser Bands, die ich irgendwie aus den Augen verloren hatte. Aber auch wieder eine dieser Bands, bei denen ich mich frage: Warum eigentlich? Nun bin ich als Rezensent in der ambivalenten Lage, regelmäßig auf neue Veröffentlichungen gestoßen zu werden, bei denen eben auch das neue Album „I Beat Loneliness“ von Bush dabei war. In diesem Sinne: Streichen wir „ambivalenten“, ersetzen es durch „glücklichen“ – denn schon von den ersten Tönen des Albums an dämmert es mir, dass es schade gewesen wäre, dieses Album einfach durchrutschen zu lassen.
Das beginnt schon bei „Scars“ mit der – wertneutralen! – Feststellung, dass Bush eigentlich wie immer klingen. Was keineswegs ein Verweis darauf sein soll, dass dies nun wenig innovativ sei oder Ähnliches. Nein, „Scars“ zieht einen direkt rein. Mit der markigen Stimme von Gavin Rossdale, dem satten Gitarrensound im Chorus und einem angezogenen Tempo ist man schnell mittendrin. Und wenn da von Narben gesungen wird, sieht man auch, dass Bush sich hier eines Themas annehmen, das heutzutage glücklicherweise immer enttabuisierter wird – nämlich der psychischen Gesundheit. Somit ist hier auch eine sehr zeitgenössische Komponente enthalten, die aber auch im Sound durchaus vorhanden ist – denn: „Aus der Zeit gefallen“ meint explizit nicht „altmodisch“. Eher: „Konstant.“
Überhaupt verschwimmen die Grenzen zwischen „Bush damals“ und „Bush heute“ auf dem Album. Der Grunge-Anstrich der frühen Bush ist zu hören, aber es wird auch Raum gelassen für atmosphärische Passagen und Synthie-Flächen. Ebenfalls nicht auf der Strecke geblieben ist das Gespür für Hits. „The Land of Milk and Honey“ steht gut Pate hierfür. Ein mahnend-drückender Sound in den Strophen mit rauem Charakter trifft auf einen hymnisch wirkenden Chorus – allerdings auf einen, bei dem einem bei genauerem Hinhören auch die Euphorie etwas im Hals stecken bleibt: „Feels like the land of milk and honey // feels right, we love the taste of money“ enthält bei allem Hymnischen auch eine ordentliche Portion Konsumkritik.
Bringt man die genannten Beispiele auf einen Nenner, so kann man sagen, dass sich thematisch ein roter Faden durchs Album zieht: Einsamkeit, psychische Belastung, innere Zerrissenheit auf der einen, aber auch das Ringen um Halt, Verbindung und so etwas wie Hoffnung auf der anderen Seite. Bush gelingt es, diese großen Themen in ein Soundgewand zu kleiden, das gleichermaßen vertraut und frisch wirkt. „I Beat Loneliness“ klingt nicht nach einem nostalgischen Rückblick, sondern nach einem ehrlichen Lebenszeichen einer Band, die sich nicht neu erfinden muss, um relevant zu bleiben. Am Ende ist diese Mischung aus „zeitgemäß“ und „aus der Zeit gefallen“ vor allem eines: der Beweis dafür, dass Bush auf „I Beat Loneliness“ einen zeitlos begeisternden Sound geschaffen haben. Ein würdiges zehntes Studio-Album – freuen wir uns auf die nächsten zehn!
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