Cher – Christmas

cher christmas cover

Fast 60 Jahre lang hat sie sich gewehrt. Alle haben so etwas doch schon aufgenommen. Aber genau das ist nun der entscheidende Punkt bei Cher gewesen, wohl oder übel nachzugeben – und am Ende hat’s sogar richtig Spaß gemacht. 2025 feiert die Ikone 60-jähriges Bühnenjubiläum. Kurz vorher haut sie aber mit Christmas dann doch nochmal ihr allererstes und sehr wahrscheinlich auch einziges Weihnachtsalbum raus. Da brauchten Fans aber wirklich einen langen Atem.

Zugegeben: Ganz hohe Schule ist das nicht. Die letzten eigenen Songs des mittlerweile 77-jährigen Musikdinos gab es genau vor zehn Jahren. Genau in der Halbzeit zwischen 2013 und heute folgte ein absolut überflüssiges ABBA-Coveralbum, „Dancing Queen“, das wirklich niemand brauchte und den Songs nicht einmal einen Hauch von neuer Facette entlocken konnte. Somit ist eine Weihnachts-LP irgendwie eine halbakzeptable, eher durchgewutzte News. Selbstredend hat Cher es absolut nicht nötig, überhaupt noch in irgendeiner Form aufzutreten oder etwas aufzunehmen, aber die Entscheidungen, was sie nun macht und was nicht, sind schon ein wenig irritierend.

Doch wenn der Spaß bei ihr im Vordergrund steht, sollte er das auch bei uns. Ende Oktober ist’s ja generell noch mit einer inneren Haltung der puren Verweigerung nicht ganz easy den besten Zugang zu so einem Projekt zu finden, aber schafft man es, die Betonmauer der „Ist es wirklich schon wieder soweit?“-Verdrängung zu überwinden, sind die 39 Minuten auf Christmas echt ok. Kein großer Wurf, aber völlig ok.

Man merkt, dass sich hier zusammengesetzt wurde, um alle Beteiligten mit viel Unterhaltung bei Stange zu halten. Eine Hand voll Coverversionen teils sehr, teils mittelbekannter Weihnachtssongs, dazu eine Ladung Neukompositionen mit dem berühmten Vocoder-Effekt und einige witzige Gäst*innen. Fertig. Das ist an mancher Stelle etwas uninspiriert und für eine Cher auch einfach zu durchschnittlich – eben so wie bei „Dancing Queen“ – an anderer Stelle aber dann doch ziemlich catchy.

Bei dem Opener „DJ Play a Christmas Song“ hat man die ersten 13 Sekunden ein ganz, ganz übles Gefühl. Hat man gerade das neue HeleneFischer-Album angeklickt? Mehr Schlager-Opening ist unmöglich. 40 Sekunden später ist aber dann doch wieder 2000 und die markante Stimme einer Cherilyn Sarkisian bumst so bekannt wie anschmiegsam durch die Boxen, untermalt vom typischen 1-2-Tap-Dancebeat, wie man ihn zwischendrin einfach mal braucht. Außerdem ertappt man sich schon nach dem zweiten Hören dabei, dass das Ding nur noch schwer aus dem Ohr geht.

An manch anderer Stelle wird das noch um einige Steps besser: „Angels in the Snow“ ist Eurodance-Beat, der straight nach vorne wandert und unmittelbar kickt. Ja, Spaß ist hier alle Male vorhanden. Selbes Niveau und damit die eindeutig stärkste Kollabo der Platte: „Put a Little Holiday in Your Heart“ mit Cyndi Lauper ist das Duett, das man für den nächsten Glühwein auf dem Weihnachtsmarkt braucht. Rock’n’Roll-Vibes, zwei Stimmen, die einfach wunderbar matchen und Glöckchen. Zack, da ist er, der Xmas-Bop.

Enttäuschungen müssen nun ausgehalten werden, denn die Highlights sind damit ausgepackt. Sorry. Der Rest geht zwar solide durch, ist aber dann doch meist Beiwerk. Zwar fühlt sich einer der wenigen reduzierten Kuschelmomente bei „Home“ im Duett mit dem Originalinterpreten Michael Bublé nett an, aber keinesfalls mehr. Gänzlich unnötig ist das wesentlich schlechtere Remake von Chers zuvor einzigem Weihnachtstitel „Christmas (Baby Please Come Home)“, der zwar damals schon ein Cover war, aber 1999 immerhin noch richtig stampfte. 2023 orientiert man sich zwar mehr am klassischen Arrangement, langweilt damit aber auch. „Please Come Home for Christmas“ (Eagles), „Run Rudolph Run“ (Chuck Berry) und „Santa Baby“ (Eartha Kitt) sind weitere Anwärter für den Umtausch nach dem 26.12.

Ein wenig Americano tut gut, wenn in „I Like Christmas“ Cher mal wieder so groovy und auf ihre Gesangsskills reduziert klingt, wie schon enorm lange nicht mehr. Super. Das überraschendste Zweiergespann erwartet uns in „Drop Top Sleigh Ride“ mit Rapper Tyga, der aber eine recht überschaubare Einlage liefert. Ein wenig Pop-R’n’B im BlackEyedPeas-Style. Abwechlungsreich. Auf das Vorbeischauen von Stevie Wonder darf man sich auch noch freuen, auch wenn „What Christmas Means To Me“ nicht ganz aus den Latschen haut, aber einen soliden Anschluss an „Rockin‘ Around The Christmas Tree“ in der bald wieder rotierenden Jing-Jingleling-Playlist bildet.

Dass wir das noch erleben dürfen! Dass sie dazu doch noch Ja gesagt hat! Christmas von Cher ist ein Output, über den man in einigen Jahren nicht sprechen wird wie über „Believe“. Dennoch darf man gern durchhören und beim Stollen backen die Hüfte schwingen. Ob die Rosinen des Albums nun das sind, was ihr besser im Teig weg-, oder das, was ihr im Munde mit Genuss zerlaufen lasst, entscheidet ihr. Ihr wisst schon. Noch 65 Tage bis Heiligabend!

Und so hört sich das an:

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Die Rechte fürs Cover liegen bei WARNER RECORDS.

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2 Kommentare zu „Cher – Christmas“

  1. Man merkt, dass die verfassende Person des Artikels sich nicht mit Cher bzw. ihrer Musik auskennt.
    Ein Beispiel ist der (im Artikel) erwähnte song „Christmas (Baby Please Come Home)“: es ist richtig, dass es bereits eine 1999 Cher Version des 60 (sechzig) Jahre alten Songs gibt. Es ist ein Duett mit Rosie O’Donnell.
    Interessant ist allerdings, dass dieser Song im Original von Darlene Love gesungen wurde. Cher war damals im Background. Mit 17 Jahren. 60 Jahre später haben sich beide dazu entschieden, diesen Song als Duett aufzunehmen. Meiner Meinung nach ikonisch.
    Außerdem hat Cher in ihrer 60 jährigen Karriere nie Gastkünster*innen für ein Studio Album ins Studio eingeladen.
    Dies ist aber auf dem Christmas Album der Fall.

    Und dies sind nur zwei Beispiele welche zeigen, warum das Christmas Album eben doch was besonderes ist.
    Man sollte sich schon mit dem
    Album als auch der Künstlerin auseinandersetzen, um dieses zu verstehen.
    Das damcing Queen Album ist sicherlich nicht das am hochwertigsten produzierte Album. Dennoch wurde es geschafft den Songs neues Leben einzuhauchen. Auf einmal wurde auf Parties zu „gimme gimme gimme „ gefeiert! Ind das im großen Stil. Auch heute noch.

    1. Hi,
      Ich finde, es wird schon deutlich, dass ich mich zwar nicht als riesigen, aber dennoch als Cher-Fan bezeichnen würde.
      Ich sage in dem Artikel, dass die Features auf jeden Fall erwähnenswert sind – die Qualität der Musik kommt aber trotzdem nicht über „durchschnittlich“ hinaus.
      Du darfst das aber gern für dich anders bewerten.

      Vlg

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