CLT DRP – Without The Eyes

CLT DRP

Wer die Hausaufgaben gemacht hat, weiß natürlich, dass Punk und Rock auf der musikalischen Pionierarbeit vieler Frauen, BIPoC und queeren Personen fußt. Dennoch ist der alte Hase Punk sowohl in der Geschrichtsschreibung als auch in der aktuellen Festivallandschaft meist zu einem ein in sich geschlossenen Verein der weißen Hetero-Männer verkommen. Ergibt es denn Sinn, wenn man mit voller Inbrunst gegen diesen patriarchalischen Käfig rebellieren will, dieselben Rahmen zu nutzen, in der auch das Patriarchat seine Testosteron-Fantasien hinrotzt? CLT DRPs Antwort auf diese Frage lautet eindeutg Nein. Das britische Trio setzt hingegen auf kompromisslose Dekonstruktion, schreddert jede Struktur und jedes Riff durch den Fleischwolf, bis nur noch ein kümmerliches Häufchen Elend vom alten Feind übrig bleibt.

Von dissonanten Aggressionen

Nein, “Without The Eyes” ist kein Debütalbum, das sich erstmal vorsichtig an die Hörer*innen herantastet. Dafür zerren die schrillen Synthies von Sekunde 0 am Geduldsfaden, nach klassischen Songstrukturen kann man auch lange suchen. Dass es CLT DRP trotz der bewussten Ablehnung hörer*innenfreundlicher Getaltung gelingt, dass ihr Debüt fesselt, gleicht einem bemerkenswerten Spagat. Applaus erstmal dafür. Ähnlich laut darf aber auch der Beifall für die unzähligen Kampfansagen ausfallen, die sich hinter der dicken Schicht aus wuchtiger Dissonanz befinden. Dass Frontfrau Annie in “Speak To My” zu dem Wunsch ihrer Mutter, sie möge sich doch hinsetzen, benehmen und ihren Mund waschen nur ein “Well look at me now, Ma!” übrig hat, passt zu der sonstigen Kein-Blatt-vorm-Mund-Attitüde. Dabei kann Annie gerade in den Strophen durchaus auch eine anmutige Sirene mimen, die sich in den sphärischen Synthies fallen lässt. Am Ende kommt jedoch kein Stück ohne den Noise-Pegel am Anschlag aus.

“I wanna be where the Boys are”

statuiert Annie an anderer Stelle und demonstriert kurz darauf im selben Song vor schicken Industrial-Gitarren ihre Macht, wenn sie den Mann im sexuellen Akt auf die Knie gehen lässt. Überhaupt wird “Without The Eyes” ein feministischer Rundumschlag, der etwas gegen die Zwangsoptimierung von Körpern (“I Don’t Want To Go To The Gym”) und gegen das Bild der heiligen Vaterfigur (“Like Father”) zu setzen hat. Gegen die Intonation und den Ungehorsam, den das Trio dabei ausstrahlt, wirken selbst Bikini Kill und die Slits plötzlich wie eine liebe Volksmusik-Kapelle. Doch nicht nur Annie sorgt mit ihrem kieksenden Gestus für eine kantige Neuschreibung des Narrativs, auch ihr beide Kumpan*innen üben ordentlich Druck aus. Gitarrist Scott kramt dazu gniedelnde Tom-Morello-Gedächtnisgitarren aus dem Bunker (“See Saw”), die er aber auch besonders gerne bis in die Unkenntlichkeit verfremdet. Schlagzeugerin Daphne hingegen gibt mit einer zwischen pulsierendem Elektro-Punk (“I Don’t Want To Go To The Gym”) und Disco (“I Always Like Your Mother Better”) pendelnden Taktangabe zumindest einen Hauch von Kontinuität in das verzerrte Soundbild. Mit einem beherzten Griff in die Schublade der unterdrückten Aggressionen schaffen CLT DRP so auf ihrem Debüt einen Sound, den es so bisher noch nicht gegeben hat. In your face, Patriarchat!

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