Mittlerweile ist es glasklar: Dua Lipa gehört 2020. Dua Lipa hat komplett abgerissen. Mit Future Nostalgia (lest HIER nochmal unsere Kritik) gelang ihr nicht weniger als DAS Popalbum des Jahres, womöglich sogar eins der besten Popalben der letzten Jahre. Was ein Hitfeuerwerk! Wo andere sich in ihrer Wohnung verkrochen, Angst davor hatten, dass die neuste Veröffentlichung floppen könnte, hat die Britin mit kosovoalbanischen Wurzeln auf Konventionen geschissen und zur Corona-Hochzeit ihr Album gedroppt – und damit den perfekten Coup gelandet. Quasi keine Konkurrenz und eine große Popgemeinde, die zuhause saß und irgendwas zu tun haben wollte.
Future Nostalgia ist wenig Brimborium und dafür nur geile Musik. Jede Hook ein Volltreffer, jeder Beat catchy as hell. Mit einer derartigen Quintessenz hat Dua Lipa sich zum Star der Gegenwart emporgehoben und ihr eh schon respektables Ansehen verdreifacht. Gerade einmal fünf Monate später folgt ein Nachschlag. Fans fangen an zu kreischen – doch bitte nicht zu früh freuen. Selbstverständlich gibt es nicht innerhalb so kurzer Zeit eine neue LP. Das Endergebnis hätte mit Sicherheit in so kurzer Zeit auch nicht die Messlatte erreicht, die die 25-jährige sich selbst enorm hochgelegt hat. Stattdessen droppt sozusagen Part II des Meisterwerks: Club Future Nostalgia – das Remixalbum.
Ja, Remixalben haben es verdammt schwer. Und das völlig zurecht. Selten können Remixe dem Originaltrack etwas Neues entlocken, es sei denn, sie weichen von der Ursprungsstruktur erheblich ab und sind strenggenommen ein ganz neues Lied. Das haben besonders Jennifer Lopez und andere R’n’B-Künstler in den 2000er-Jahren auf die Spitze getrieben. Macht man das nicht, wünscht man sich beim Hören doch meistens einfach die Studioversion zurück, weil der Beat nur für die nächste Disse gedacht ist. Aber natürlich wäre Dua Lipa nicht Dua Lipa, wenn sie nach so einem Brett wie Future Nostalgia nun totale Grütze auf den Markt werfen würde. Innerhalb von 50 Minuten ballert Dua pausenlos durch 17 Tracks und serviert eine Remixplatte, die überraschend wenig anstrengend-nervig ist und eher kurzweilig durchflutscht.
Natürlich eignet sich Club Future Nostalgia nicht für Personen, die das eigentliche Album nicht kennen. Eigentlich gibt es genau zwei Zielgruppen: Fans, die immer noch nicht genug haben und Clubbesucher, die zu abwechslungsreichen Sounds dancen wollen. Personen, die generell Remixe ablehnen, werden wahrscheinlich auch hier nicht ihren neusten Lieblingslongplayer finden – probieren sollte man es aber trotzdem. Nur in der richtigen Stimmung. Ähnlich wie das Original gibt es kaum eine Verschnaufpause und einfach die volle Ladung, um Kalorien zu verbrennen. Leider schafft es kein einziger Titel, besser zu sein als die Albumversionen. Das klingt zunächst nach „unbrauchbar“, ist aber so nicht gemeint. Es ist eben anders, aber weiterhin gut.
Die größte Stärke bei Club Future Nostalgia ist sein Mixtape-Ansatz. Nahezu alle Tracks gehen ineinander über. Man hat innerhalb weniger Sekunden das Gefühl, man sei auf Ibiza an einer Strandbar und höre das Warmup für eine lange Partynacht – und genau so muss ein Remixalbum auch sein. Die Essenz bleibt ganz klar erkennbar und wird nun durch Tropical-Beats, 90er-House und lupenreine Dance-Rhythmen ergänzt. Die Reihenfolge der Titel wurde durcheinander geschmissen, lediglich „Future Nostalgia“ bleibt als Opening. Einige Songs haben gleich zwei Remixe erhalten, die dafür aber dann jeweils unter zwei Minuten gehen und hintereinander laufen. Das ist wirklich klug gemacht – sobald man sich gerade anfangen könnte zu langweilen, geht die Platte bereits in den Übergang zum nächsten Liedchen. Tricky.
Verständlicherweise haben sich bei so einer Vorlage unzählige bekannte Namen darum gerissen, einen Remix beizusteuern. Hier ist echt Namedropping angebracht: Mark Ronson, Masters at Work, Jacques Lu Cont (besser bekannt als Stuart Price) und zig andere mischen unter die mittlerweile klar als Hits zu bezeichnenden Songs zig Samples aus diversen Classics. Das ist an der einen oder anderen Stelle fast schon überladen, aber irgendwie auch genau richtig. „Buffalo Stance“ von Neneh Cherry, „Cosmic Girl“ von Jamiroquai, „Think (About It)“ von Lyn Collins, „Hollaback Girl“ von Gwen Stefani und und und. Dazwischen Clapbeats, zerplatzte Blubberblasen-Sounds und kurze Anmoderationen von Dua und Konsorten. Am besten selbstentdecken.
Als Hauptproduzentin fungiert die 43-jährige Amerikanerin Marea Stamper, die gehäuft unter ihrem Künstlernamen The Blessed Madonna auftritt und mehrfach Grammys gewinnen konnte. Dieser Ruhm scheint angebracht, macht sie hier einfach durchweg solide Arbeit. Achtung! Nicht zu verwechseln mit der echten Madonna – wobei die auch vorbeischaut. Neben der Grandma of Pop sind Missy Elliott und Gwen Stefani auch am Start. Word.
Abgerundet wird das bereits dicke Paket durch einen Mix von dem BLACKPINK-Feature „Kiss And Make Up“ und zwei bisher unveröffentlichten Songs. „Love Is Religion“ und „That Kind Of Woman“ sind nicht nur Snippets, sondern komplette Titel, die sich auch für Remix-Hasser zu entdecken lohnen. Insbesondere „Love Is Religion“ wäre als zwölfter Song auf dem Originalalbum wünschenswert gewesen – wieder mal ein Bop.
Club Future Nostalgia ist nicht so gut wie sein großer Bruder. Das ist auch fast unmöglich. Für ein Remixalbum ist es aber extrem gut und lohnt sich unvoreingenommen angehört und durchgehört zu werden. Es verwurstet die Lieblinge nicht, sondern macht sie schlicht und ergreifend clubbiger. Schön laut aufgedreht in der Karre auf dem Weg zur nächsten Privatparty dürfte das ordentlich kicken. Und irgendwann dann auch wieder in den Clubs.
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