„Underneath“, das vierte Studioalbum der amerikanischen Hardcore-Band Code Orange, ist ein Produkt aus bedingungsloser Liebe zu harter Musik und gelebter Offenheit für Progressivität. Das Quintett bricht nun über eine Dekade nach seiner Gründung vollständig die eher stumpfe Beatdown-Formel auf und macht das von immensen Aggressionen durchzogene Genre damit so anziehend wie nie zuvor. Schon der Vorgänger „Forever“, der den fünf Musikern eine Grammy-Nominierung einbrachte, setzte vor drei Jahren dort an und brachte einige wenige Songs mit Clean-Vocals sowie Electronica-Ansätzen „Underneath“ denkt die ganze Angelegenheit nun noch einmal konsequenter, öffnet sich weiter für elektronische Spielereien und lässt beizeiten gar klassischen Metal ein. Die Songs der Band sind deshalb nicht mehr nur eine geschickte Aneinanderreihung brachialer Riffs, sondern lassen vermehrt Platz für Refrains und Struktur. Das bringt etwas mehr Ordnung in das Chaos, das auf „Underneath“ natürlich dennoch in großem, jedoch verdaulicherem Maße existiert.
Die Basis für dieses geordnete Durcheinander bringt „(Deeperthanbefore)“. Der instrumentale Opener reiht eine knappe Minute düstere Soundflächen und schneidende Synthie-Sounds aneinander und leitet nahezu nahtlos in den Rest des Albums über. Das anschließende „Swallowing The Rabbit Whole“ ist neben dem Titeltrack und Closer einer von zwei Vorabtracks (knapp eine Woche vor Release gesellte sich hierzu auch „Sulfur Surrounding“). Code Orange bieten ihren Fans also genau die zwei Stücke als ersten Einblick, die das 45 Minuten und 13 Songs starke Metal-Spektakel umrahmen. Nach dem intensiven Start setzt „Swallowing The Rabbit Whole“ zunächst auf brachiales Beatdown-Riffing. Schon hier werden die Gitarren immer wieder von der Produktion bis zur Unkenntlichkeit entfremdet. Diese abgedrehten Glitch-Momente nehmen im darauf folgenden „In Fear“ noch einmal zu.
Mit seinem hymnischen Refrain bietet „You And You Alone“ im Anschluss den ersten richtig eingängigen Moment. Der wird jedoch von Klapperschlangen-Crash-Becken-Geballer und deftigen Breakdown-Parts abgelöst. Viel Zeit das Erlebte zu Verdauen, bleibt da also nicht. Danach suhlt sich „Who I Am“ im Elektro-Metal und erinnert dabei an Korn und Nine Inch Nails. Für „Cold.Metal.Place“ nehmen dann wieder die brutalen Gitarren die Überhand. Das nun auch als Single samt Video ausgekoppelte „Sulfur Surrounding“ setzt konträr dazu auf Akustik-Gitarren und noch mehr Klar-Gesang. Würde der Song nicht knapp zwei Jahrzehnte zu spät erscheinen, er hätte fast das Potential ein Underground-Hit zu werden. Genau solche Momente, die die stählerne Härte mit Eingängigkeit unterlaufen, offenbaren, welch musisches und songwriterisches Talent in der Band ruht. Als Adventures konnten sich vier der fünf Musiker*innen in der Vergangenheit bereits an solch seichteren Momenten üben.
Dann steht wieder mehr Lärm auf dem Programm. „The Easy Way“ wird zwar von elektronischen Beats eingeläutet und schmettert den Fans einen ähnlich hittigen Refrain entgegen, arbeitet dabei aber wieder deutlich mehr mit Hardcore-Riffing. Noch energetischer wird es in den folgenden „Erasure Scan“ und „Last Ones Left“. Zwischen Stakkato-Palm-Mute-Geballer und groovigen Hardcore-Riffing schielen die letzten zwei Drittel der Platte häufig noch deutlicher in Richtung Moshpit: Einzig „Autumn And Carbine“, das düstere „A Silver“ und der anfangs bereits erwähnte Titeltrack lassen etwas mehr Melodie ein.
Zu großen Teilen lebt „Underneath“ schlussendlich von seiner dichten Atmosphäre. Die wird neben den fetten Riffs oft auch von den Elektronica-Elementen gestützt, die die Songs ergänzt. Kein Wunder also, dass gleich drei Produzenten an dem Schaffensprozess dieses Mammut-Werks involviert waren: Neben Schlagzeuger Jami Morgan waren das das Post-Hardcore-Sternchen Will Yip und Nick Raskulinecz, der in der Vergangenheit bereits mit den Foo Fighters, Korn und den Deftones gearbeitet hat. Code Orange liefern mit ihrem vierten Studioalbum ein weiteres Werk, das zugleich Genregrenzen sprengt und tief in seinen Wurzeln verankert ist. Für die Fanbase der Band wird das verdientermaßen nur noch mehr Wachstum bedeuten.
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Die Rechte für das Albumcover liegen bei Roadrunner Records.
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