In der Musik des amerikanischen Blackgaze-Quintettes Deafheaven sah man neben den vielen post-rockigen Soundflächen, dem Gekreische George Clarkes und eingestreuten Blast-Beats als Konstante schon immer den ehrlichen Blick nach innen. Auf ihrem vierten Album, das den Titel „Ordinary Corrupt Human Love“ trägt, schmeißt die Gruppe dieses autobiographische Element nun komplett von Bord und widmet sich alltäglichen Geschichten und Erzählungen. Doch nicht nur der Blickwinkel stellt einen Bruch in der Entwicklung des wohl untruesten Black-Metal-Ablegers dar. Nach dem wieder sehr düsteren und straighten Drittling, der im Kontrast zum fast schon zugänglichen Durchbruchswerk „Sunbather“ stand, geht man den progressiven Weg, den man mit seinem Zweitling eingeschlagen hatte, nun nach kurzer Rückbesinnung konstant weiter.
Das zeigt sich gleich zu Beginn des knapp einstündigen Epos. Nicht Double-Bass-Geballer oder Gekreische eröffnet den vierten Deafheaven-Langspieler, sondern ein Klavier, das sich die ersten Minuten mit fast schon jazzartigen Arrangements aufbauscht. Darüber legt die Band die Stimme von Schauspielerin Nadia Kury, erst kurze Zeit später ertönt im Hintergrund das erste mal das Geschrei Clarkes. Auch in den darauf folgenden sechs Stücken wagt das Quintett den ein oder andere Stilwechsel, den viele wohl als Szeneverrat abtun würden.
Deafheaven dürfen solche Experimente einfach wagen. Und selbst, wenn sie dafür gehasst werden – sie tun es trotzdem. So kommt „Near“ komplett ohne Double-Bass und Blast-Beats aus und erinnert viel mehr an Shoegaze-Kollegen, wie Slowdive, als an alte Black-Metal-Legenden. Das liegt wohl auch an dem sinnlichen Gesang (!) Clarkes, der – wie im Shoegaze üblich – eher in dem, was die unterschiedlichen Instrumente ausspucken, schwimmt, als große Wellen aufzuschlagen. In „Glint“ erklingt kurze Zeit später erneut ein Klavier, zu dem der Frontmann seine Stimme gemeinsam mit Gothic-Songwriterin Chelsea Wolfe zu einem wunderschönen Duett erhebt.
In Stücken, wie „Canary Yellow“, produziert die Band natürlich auch gewohnt nach vorne treibenden, dennoch eher post-rockigen Blackgaze, in dessen mantraesken Instrumental-Passagen sich verloren und vergessen werden kann. Gegen Ende des Zwölf-Minuten-Monstrums erklingt dann doch noch eine hymnische und melodievolle Gesangs-Stimme, die wunderbar mit dem Rumgebelle Clarkes harmoniert. Selbst hier schaffen es Deafheaven also, ihre eigene Formel aufzubrechen.
Generell stellt „Ordinary Corrupt Human Love“ einen Bruch mit Tradition und Sicherheit dar. Die Band wagt nicht nur einen Schritt in unbekannte Gefilde und macht damit ausnahmslos alles richtig. Selten klang ein Black-Metal-Gemisch derart erfrischend, innovativ und zugänglich, behielt gleichzeitig aber die ausschlaggebenden Elemente, wie Rumgekeife und repetitive Instrumentalpassagen bei. Auf „Sunbather“ öffnete die Band sich stilfremden Elementen – der Erfolg der Platte sprach für ihre Qualität. Auf seinem Viertling lässt man nun noch mehr Einflüsse zu – auch hier wird der Erfolg Bände sprechen. Hoffentlich.
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Und so hört sich das an:
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Deafheaven live 2018:
15.09. – Dresden, Beatpol
26.09. – Köln, Essigfabrik
27.09. – Berlin, Bi Nuu
28.09. – Karlsruhe, Jubez
09.10. – München, Feierwerk
14.10. – Wien, Arena (AT)
Die Rechte für das Albumcover liegen bei Anti-.
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