Weniger ist manchmal mehr, denkt sich der Rezensent so. Und stopft direkt mal wieder einen Fünfer in das längst prall gefüllte Phrasenschwein. Aber tatsächlich ist es so: In den sechs Jahren seit dem Vorgänger „Season IV: Some T#ings Wrong“ und der darin enthaltenen Corona-Pandemie ist Die Kammer ein bisschen geschrumpft und hat das neue Album in der Besetzung Akustikgitarren, Cello und Bass (und natürlich Gesang) aufgenommen. Eine Besetzung, die zwar verkleinert ist, aber dennoch weit entfernt von Bezeichnungen wie „minimale Besetzung“ oder ähnlichen ist. Vielmehr ist weiterhin ein gut gesättigter Bandsound im semi-akustischen Rahmen entstanden, der – nebst viel Gefühl – das Kammermusikalische, das Folkige, aber auch eingängige Momente in Indie und, ja, Pop enthält.
Süßlich anmutend geht es erstmal los mit einer Spieluhr, ein Beat gesellt sich dazu und dezent dramatisch wirkende Streicher untermalen das „My Dearie Don’t Worry“, was den Titel und gleichermaßen die ersten Zeilen darstellt. Diese Kombination aus Süßlichkeit und Drama ist auch direkt ein Wesensmerkmal von Die Kammer im Allgemeinen, aber auch der vorliegenden „Season V“ im Speziellen. Das vorab bereits gut auf YouTube rotierte „Ignoring My Safeword“ ist ebenfalls ein Vertreter, der das gut repräsentiert. Mit robust Akzente setzenden Strophen wandert das Stück in den Chorus, der mit seinen Streichern und dem stimmlichen Spektrum von Max Testory ein hohes Maß an Eingängigkeit bewirkt.
Aber da ist noch mehr. Die eingangs erwähnten Merkmale Indie und Pop beispielsweise. Ein „Cold Cold Comfort“ steht da gut Pate. Mit treibendem Beat im Hintergrund geht es hier im gesteigerten Tempo zur Sache, es ist ein dunkel angehauchter Indie-Sound, der durch seinen eingängigen Chorus einen Pop-Appeal dazugewinnt. Auch „Pop“ kann man eben durchaus positiv lesen, so beispielsweise hier. Oder auch in „Melancholy Milkshake“, das schon mit seinem Titel ein zentrales Gefühl in den Mittelpunkt stellt. Ausgefeiltes Songwriting, das Gespür für die richtige Melodie und das Wissen darum, wie man verschiedene Einflüsse gut und bruchlos zusammenhält, funktionieren hier sehr gut.
Hat da einer Melancholie gesagt? Ja, diese ist der Band sowieso generell inhärent, aber zum Ende hin gewinnt sie in „Ago“ noch einmal die Überhand, wenn der Chorus einen in Moll mitnimmt, bevor „I Am Leaving Now“ mit seinen akustischen Gitarrenlinien und hintergründigen elektronischen Spielereien einen ruhigen Schlusspunkt setzt. Einen Schlusspunkt, der zwar irgendwie nachdenklich klingt, aber in all seiner Nachdenklichkeit auch die Hoffnung durchschimmern lässt. Das lange Warten auf die fünfte Season hat sich bei Die Kammer somit eindeutig gelohnt. Aber wenn wir schon bei Hoffnung sind: Hoffen wir mal, dass wir nicht noch einmal so lange auf einen Nachfolger warten müssen.
Und so hört sich das an:
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