In einer Zeit voller Plagiatsvorwürfe und ‚Deutschrap ist fresher denn je‘-Memes sind Hommagen und Referenzen in der hiesigen Hip-Hop-Szene ein gefährliches Vorhaben. Will man den eigenen Jugendidolen und viel verehrten Genre-Legenden Tribut zollen, ohne dabei den eigenen Stil aufzugeben oder sich Biting-Vorwürfen auszusetzen, ist das stets mit einem waghalsigen Balanceakt verbunden. Eine Herausforderung, der sich Elias mit seinem Debütalbum „Came from Nothing“ stellen möchte.
Vom Newcomer zum Szeneliebling
Kaum zu glauben, dass der Düsseldorfer Elias gerade erst mit seinem Album-Release Nummer eins um die Ecke kommt. So fuhr er doch mit seinem 2019 erschienenen Mixtape „Flyest Alive“ bereits Streaming- Zahlen in Millionen-Höhe ein und platzierte sich auf Veröffentlichungen von Szenegrößen wie Summer Cem oder KC Rebell. Gefühlt zählt der 25-jährige also bereits zum festen Inventar der deutschen Rap- Landschaft. In Fachkreisen spricht man sogar von einem der besten Rapper des Landes. Kein Wunder also, dass der erfolgstrunkene NRWler seinen musikalischen Film auf seinem Debüt nicht auf die gewohnt protzige Art und Weise weiterführt. Nein, Elias legt auf „Came from Nothing“ nochmal eine Schippe drauf.
Im „Benzo“ auf der Überholspur
In aller Bescheidenheit erklingt im nur 7 Sekunden langen Intro des Albums eine offenbar prallgefüllte Geldzählmaschine. Nur wenige Sekunden, nur ein simples Flattern bunter Scheine später und die Marschroute für das Album ist abgesteckt. Die restlichen 33 Minuten gleichen einer Sightseeing-Tour über die Düsseldorfer Königsallee. Es geht um dicke Geldbündel, glitzernde Uhren, teure Klamotten und fette Autos. Der nur in Doppelreimen sprechende Fremdenführer bei dieser glamourösen Ausflugsfahrt ist der Rapper selbst. Mit einer selbstverständlichen Überheblichkeit wird hier geprahlt und geprotzt, denn schließlich hat Elias für seinen Erfolg so hart gekämpft wie kein anderer. Ja, selten, aber bedacht präsentiert er auf seiner sonst so noblen Kaffeefahrt auch die schmuddeligen Seitenstraßen Düsseldorfs und berichtet dabei von vergangenen Tagen voller finanziellem Struggle und Problemen, die er nun endlich hinter sich lassen kann. Man möchte meinen einer solchen, von unzähligen Rappern bereits durchgespielten, ja, viel mehr totgerittenen „Started from the Bottom“-Attitüde könne 2020 kein spannendes Hip-Hop-Album mehr entsprießen. Aber falsch gedacht.
Hip-Hop to the Fullest
Mit dem Einsetzen der ersten 808 von Haus und Hof-Produzent Young Mesh treiben einen die einzelnen Anspielstationen so schnell und rasant durch die Platte, dass einem gar kein ruhiger Moment bleibt, um über eine thematische Unbeweglichkeit von „Came from Nothing“ nachdenken zu können. Viel zu sehr ist man damit beschäftigt die eigene Nackenmuskulatur durch energisches Kopfnicken zu beanspruchen. Drums, die mit solch einem Wumms daherkommen, dass man sie ganz tief in der Magengrube zu spüren glaubt, paaren sich mit Elias fast schon peinlich perfektem Stimmeinsatz. Egal ob mit einem Shindyesken Laid-Back Flow auf „New Era“, der melodisch gesäuselten Hook auf „Teenage Dream“ oder seinem brachial ratternden Signature-Flow: Raptechnisch überzeugt Elias zu jeder Sekunde der Platte. Kein Wunder, scheint er seine Rap-Hausaufgaben gemacht und von den Besten gelernt zu haben.
Fly aber dennoch tief verwurzelt
Nicht nur Elias Songs sind durchzogen von Referenzen und lyrischen wie musikalischen Verbeugungen vor Rap-Ikonen der 90er und 00er-Jahre. Nein, auch durch sein gesamtes Auftreten in den vorabveröffentlichten Musikvideos und den zum Album gehörenden Artworks hält er die Fahne für die Hip-Hop-Kultur hoch. So verweist er textlich auf Genre-Legenden wie Dr. Dre, 50 Cent oder Eminem, spielt in einem der zwei Skits auf der Platte einen Ausschnitt aus der 00er-Jahre MTV-Sendung MTV TRL ein und bringt modetechnisch mit Durak, Oversized Hoodie und weißen Air Force 1 die 90’s zurück. All diese Dinge wirken nicht wie zufällig ausgewählte Spielereien oder kalkulierte Promo-Tools, sondern wie aufrichtige Liebesbeweise an die Kultur. Gepaart mit einem nicht abreißenden Stolz auf den eigenen Erfolg und einem ehrfürchtigen Blick zurück auf den steinigen Weg dorthin erzeugt diese Reanimation goldener Rap-Jahre ein Gefühl von Dringlichkeit, das in der chartorientierten deutschen Rap-Szene derzeit nur selten zum Vorschein kommt. Lediglich die Übernahme sexistischer Füllwörter wie „bitch“ oder „hoe“ hätte sich der Rapper sparen können, waren diese doch bereits in den 90er und 00er-Jahren kein kultiger Teil der Genre-Tradition, sondern lediglich Produkt einer sexistischen Männer-Domäne.
Came from Nothing
Elias hat es aus dem Nichts in die Oberliga des deutschen Rap geschafft und genau das soll auch jeder wissen. Mit seinem Debütalbum verwandelt der Rapper jede noch so triste und schmuddelige Kleinstadtgasse für eine gute halbe Stunde in eine Luxuseinkaufsmeile. Für rund 30 Minuten leiht uns Elias mit „Came from Nothing“ all seine Energie, all sein Selbstbewusstsein und all seine Dankbarkeit für die Kunstform Rap und lässt uns so an einem klassischen, aber dennoch großartigen Hip-Hop Moment teilhaben.
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Und so hört sich das an:
Die Rechte für das Cover liegen bei Epic Records.
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