Eurovision Song Contest 2023 – Alle Songs & Infos im Überblick

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United By Music. Musik, sie bleibt einfach die Sprache, die wir alle sprechen und verstehen. Egal, wie düster es aussieht – sie ist da und behält ihre Kraft. Das diesjährige Motto beim Eurovision Song Contest mag pathetisch klingen, aber es ist doch so treffend.

Ukraine x United Kingdom

Am 14.5.22 gewann das Kalush Orchestra aus der Ukraine im italienischen Turin. Fast genau drei Monate, nachdem Russland die Ukraine zum ersten Mal angegriffen hat. Seitdem ist Europa nicht mehr das, was es mal war. Auch wenn die Jurys im Finale nicht auf politische Ereignisse geschaut haben und somit die Ukraine nur auf Platz 4 sahen, gab es seitens der Zuschauer*innen ein klares Zeichen: Mit fast 94% der möglichen Punkte – in Zahlen 439 Punkten und somit fast doppelt so vielen wie die Zweitplatzierten im Televoting – konnte das Land, das nur noch wenige Flächen vorweisen kann, die keine Schäden tragen, am Ende ganz oben stehen. Noch nie bekam ein Land so viele 12-Punkte-Wertungen beim Abstimmen, nämlich gigantische 28. Europa hat gezeigt, dass es gemeinsam füreinander einsteht. Schließlich bleibt ein lachendes und ein weinendes Auge.

Dass der größte Musikwettbewerb in seiner 67. Ausführung nicht im Gewinnerland stattfinden wird, war schnell bitterer Fakt. Das erste Mal seit 1980 kann die Show nicht in dem Land die Gäst*innen begrüßen, das zuletzt gewann. Sollte dieser Fall eintreten, bekommt Platz 2 die Chance. Und somit hostet Großbritannien – passenderweise abgekürzt mit UK, den ersten beiden Buchstaben der Ukraine – erstmalig seit 1998. Eine Premiere: Liverpool ist die Stadt, in der Europa und Australien zusammenkommen werden. Als Veranstaltungsort wurde die M&S Bank Arena gewählt, in der maximal bei Events 11.000 Plätze zur Verfügung stehen. Beide Länder durften bereits ihre Startnummern fürs Finale aus einem Lostopf ziehen. Die Ukraine gewann die 19, UK die 26 und damit den krönenden Abschluss.

Neuerungen & Wissenswertes

Kein echter Eurovision, ohne nicht auch ein paar Dinge auf den Kopf zu stellen oder Neues auszuprobieren: 2008 wurden die beiden Halbfinalshows eingeführt. Seit 2009 gibt es neben dem Televote sowohl in den beiden Halbfinals als auch im Finale ein Juryvoting. Das Juryvoting gibt es 2023 jedoch nur im Finale. Das bedeutet, dass es nur die Lieblinge der Zuschauer*innen am Samstag geben wird. Des Weiteren neu: Bisher konnten nur Menschen aus Nationen abstimmen, die auch im jeweiligen Jahr am ESC teilnahmen. Das wären 2023 37 Länder gewesen. Jedoch gibt es ein weiteres, globales „Land“, also Stimmen von allen anderen Flecken der Welt als 38. Vote.

Apropos 37 Länder: Dermaßen wenige Nationen machten zuletzt 2014 mit. Im Vergleich zum Vorjahr treten Bulgarien, Montenegro sowie Nordmazedonien nicht an. Alle nannten als Grund finanzielle Schwierigkeiten. Beide Semifinalshows, bei denen je zehn Länder weiterkommen, sowie das große Finale, für das die Big Five plus die Ukraine bereits gesetzt sind, werden in Deutschland live nach mitteleuropäischer Sommerzeit um 21 Uhr gesendet. Die beiden Halbfinals laufen am Dienstag, dem 9.5., sowie am Donnerstag, dem 11.5., auf eurovision.de, in der ARD Mediathek und auf dem Fernsehsender ONE. Das Ende ist jeweils für 23:10 Uhr geplant. Die finale Entscheidung gibt es am Samstag, dem 13.5., ebenfalls auf den drei genannten Plattformen sowie zusätzlich auch in der ARD. Ende ist laut Plan gegen 0:45 Uhr. Ein letztes Mal kommentiert Peter Urban.

Schon jetzt können sämtliche Beiträge auf den gängigen Plattformen gestreamt oder ab dem 28.4. auf dem offiziellen Eurovision Song Contest 2023-Sampler als CD und Vinyl erworben werden. Schaut euch auch bei Bedarf die Musikvideos oder Performances aus den nationalen Vorentscheiden an, um einen ersten optischen Eindruck zu bekommen. Wie jedes Jahr lest ihr nun diverse Kommentare zu jedem Song und am Ende eine Prognose, welche Länder das Finale am Samstag nicht sehen werden und wer höchstwahrscheinlich am Ende die Trophäe in Händen halten darf. Jeweils am Tag nach den drei Shows lest ihr auf minutenmusik.de Nachlesen. Stay tuned & let the Eurovision Song Contest begin!

Alle 37 Länder im Check

01. Albanien; „Duje“, Albina & Familja Kelmendi (2. Halbfinale):
Albanien hatte 2022 einen wirklich guten Song mit Arschwackel-Laune und einem gekonnten Sprachenmix zwischen Albanisch, Englisch und Spanisch. Leider führte die Performance dazu, dass die stimmigen Voraussetzungen gegen die Wand fuhren und man im Semi stecken blieb. Deswegen kehrt man nun mit „Duje“ zu den Wurzeln zurück. Der einzige Beitrag mit Oriental-Sounds in diesem Jahr wirkt schrecklich altbacken und durch den Einsatz der Eltern (!) der Sängerin Albina arg trashig. Für einen der letzten Plätze im großen Finale wird’s trotzdem reichen.

02. Armenien; „Future Lover“, Brunette (2. Halbfinale):
Auch wenn im letzten Jahr im Finale nur Platz 20 drin war – einige Monate später ging Rosa Linn mit ihrem „Snap“ viral. Ein echter TikTok-Welthit. Dieses Potenzial bringt „Future Lover“ zwar nicht mit, aber immerhin möchte man ja auch beim ESC gewinnen und nicht als nächster Trendtanz herhalten. Verschachtelt, überraschend. Dream-Pop, der mit Rap liebäugelt und im letzten Part nochmal Drama liefert. Etwas konstruiert, aber finalwürdig.

03. Österreich; „Who the Hell Is Edgar?“, Teya & Salena (2. Halbfinale):
Habt ihr auch den Eurodance-Banger „Halo“ aus dem letzten Jahr gefeiert? Davon müsst ihr euch vorerst verabschieden. Trotzdem sind die zwei jungen Talente Teya und Salena, die sich bei der Castingshow „Starmania“ kennenlernten, ein wahrer Geheimtipp. „Who the Hell Is Edgar?“ hat eine hundsgemeine Hook in petto, dazu einen Beat, der in jedem Club die Massen bewegen wird. Hyperpop-Banger und zurecht ein wahrer Fanfavorit.

04. Australien; „Promise“, Voyager (2. Halbfinale):
Erstmalig geht für das Land, das ganz weit weg liegt, eine Band an den Start. Voyager existieren bereits seit 1999 und sind im Prog-Metal zuhause. Auf die Zwölf zieht „Promise“ allerdings nicht ab, stattdessen gibt es Pop-Rock mit Chartpotenzial, in dem es an zwei, drei Stellen mal ’n bissken lauter wird. Atmosphärisch gar nicht schlecht, aber leider nicht so Eurovision geeignet. Reicht die Nummer doch stattdessen beim nächsten „FIFA“-Spiel für die Playsi ein! Da die Konkurrenz im 2. Semi äußerst schwächelt, könnte das gerade noch zum finalen Einzug reichen.

05. Aserbaidschan; „Tell Me More“, TuralTuranX (1. Halbfinale):
Zwei Zwillingsbrüder beim Eurovision? Das ist nicht neu. Allerdings ist es auch schon über zehn Jahre her, dass Jedward aus Irland mit ihren doch etwas auffälligeren Looks und Performances den ESC aufmischten. „Tell Me More“ ist musikalisch der absolute Gegensatz und für Aserbaidschan auch außergewöhnlich introvertiert. Eine nette, ruhige Indie-Pop-Nummer, der ähnliches passieren könnte wie „Snap“ im letzten Jahr. Beim Wettbewerb erreicht es nur einen Bruchteil, im Nachhinein aber vielleicht sehr viele. Ein Wackelkandidat im ersten Semi.

06. Belgien; „Because of You“, Gustaph (2. Halbfinale):
90s-Housebeats sind sowas von der Shit. Das weiß auch Gustaph aus Belgien und ist 2023 mit richtig derben Vogue-Moves am Start, bei der man einfach sofort die nächste Queer-Party ansteuern möchte, um auszurasten. „Because of You“ ist Retro, damit absolut im Trend und voller Empowerment. Sehr geil! Ist das endlich mal wieder für Belgien die Top 10 im Finale? Wie gut das wäre!

07. Schweiz; „Watergun“, Remo Forrer (1. Halbfinale):
Textlich tut sich Remo Forrer, der 2020 „The Voice of Switzerland“ wurde, keinen all zu großen Gefallen. Seine Anti-Kriegshymne ist doch entschieden zu gewollt – trotzdem ist „Watergun“ die beste Ballade in diesem Jahrgang. Ok, gibt auch nur sehr wenige, aber das wird auffallen. Singt er das Ding so, wie es gedacht ist, legt einen schnuckeligen Hundeblick auf und wird in ein angenehmes Licht gehüllt, trifft das ins Herz. Ein Auftritt im Finale sei ihm mehr als gegönnt.

08. Zypern; „Break a Broken Heart“, Andrew Lambrou (2. Halbfinale):
Zypern schaffte 2022 erstmalig in zehn Jahren nicht den Einzug ins Finale. Das wird dieses Jahr wieder drin sein, allerdings steht dann bei der Endtabelle eine 2 vorne in der Platzierung – und danach kommt eine weitere Ziffer. Andrew Lambrou liefert etwas zu oberflächlich gearbeiteten Bombast-Pop, der in Ansätzen funktioniert, aber seinem gewählten Genre wenig Neues bietet. Ok, aber mehr nicht.

09. Tschechien; „My Sister’s Crown“, Vesna (1. Halbfinale):
Selten hatte Tschechien einen dermaßen spannenden Beitrag wie in diesem Jahr. Hinter Vesna verstecken sich sechs Künstlerinnen, die mit melodiösem wie gesprochenen Gesangparts auffahren. „My Sister’s Crown“ liefert unmissverständlich gleich mehrere Mittelfinger gegen die Unterdrückung von Frauen und ist hochpolitisch, dabei aber trotzdem artsy, mystisch und hypnotisierend. Ein Song, der nur beim Hören keine großen Register zieht, auf der Bühne aber voll auftrumpfen kann. Daumendrücken für einen Platz auf der linken Hälfte der Endtabelle.

10. Deutschland; „Blood & Glitter“, Lord of the Lost (bereits fürs Finale qualifiziert):
Fair bleiben: Der NDR hat sich dieses Jahr um Längen mehr bemüht als in den Jahren davor. Auch wenn beim diesjährigen nationalen Vorentscheid immer noch ordentlich Verbesserungsbedarf herrschte, kam am Ende wenigstens das richtige Ergebnis zustande: Lord of the Lost waren bereits seit mehreren Tagen die Favorites. Die Hamburger Glam-Rock-Band zeigt eine Facette, die es so von Deutschland bisher nicht gab. Dazu setzt sich das Lied schon beim ersten Durchlauf im Gehörgang fest. Immer noch kein Brett, aber zumindest ein guter Ansatz, um vom letzten Platz im Ranking wegzukommen. Bitte. Bitte.

11. Dänemark; „Breaking My Heart“, Reiley (2. Halbfinale):
Ist das der neue Track von BTS? Nein, aber der auf den Färöer-Inseln – übrigens eine ESC-Premiere – geborene Reiley ist in Südkorea ebenfalls bereits ein Star. Sein „Breaking My Heart“ ist internationaler Teenie-Pop, der aber mit den richtigen Effekten und dank seiner catchy Hook direkt im Kopf bleibt. Das überzeugt wahrscheinlich die breite Masse nicht, aber für eine Platzierung im Mittelfeld ist da bestimmt Platz. Falls ihr euch fragt, ob der kleine Junge überhaupt schon antreten darf: Er ist 25. Ja, kein Witz.

12. Estland; „Bridges“, Alika (2. Halbfinale):
Auch diese Beiträge muss es jedes Jahr geben: Die, in denen man kurz zum Klo kann, die Chips nochmal auffüllt, eine Handy- oder Raucherpause einlegt oder einfach von dem Song hart abgefuckt ist. Estland liefert mit „Bridges“ absolut penetranten, überdramatischen Gesang, der so übel auf den Zeiger geht, dass man tief durchatmet, wenn die 3:07 Minuten – der längste Titel – überstanden sind. Aber der Großteil der Zuschauer*innen bekommt davon sowieso nix mit, ist für Alika und ihren Terrortrack am Donnerstagabend der einzige Live-Fernsehauftritt. Finale? No way.

13. Spanien; „Eaea“, Blanca Paloma (bereits fürs Finale qualifiziert):
Letztes Jahr Platz 3. So gut war man zuletzt 1995. Ja, das ist etwas länger her. Besonders geil: Spanien probiert nicht einfach „SloMo“ aus 2022 zu kopieren, sondern geht ganz andere Wege. Fast nie traf man den schmalen Grat zwischen nationalen Klängen, moderner Herangehensweise und arty Edge – hier klappt es ziemlich gut, allerdings auch in einer nicht so leicht verdaulichen Packung. „Eaea“ ist diese Nummer, die wir freiwillig nicht hören, die aber dringend in den Wettbewerb muss und da auch mit hoher Wahrscheinlichkeit gut klappen wird. Top-10-Vibes.

14. Finnland; „Cha Cha Cha“, Käärijä (1. Halbfinale):
Und hier ist er: Unser Tipp auf den Sieg! Erinnert ihr euch noch an 2006, als Lordi mit einem völlig absurden „Hard Rock Hallelujah“ die Grenzen des Eurovisions sprengten und mit Schlager-Monster-Rock gewannen? Ähnlich kurios und poppig, gleichzeitig aber futuristisch im Hier und Jetzt ist „Cha Cha Cha“. Käärijä dreht bei seiner Show komplett frei, liefert einen Track, der sich zwischen Metalcore, Techno und Pop nicht entscheiden will, in der Mitte bricht und plötzlich zum Partystomper wird und einfach alles mitbringt, was es braucht, um Leute von ihren Sitzen zu reißen. Es wäre ein so verdienter zweiter Sieg für das Land im hohen Norden. Und Gruß an den NDR: Na, habt ihr auch Electric Callboy vorm inneren Auge, die euch mit einem Hammer auf den Kopf schlagen, weil es verdammt nach ihnen klingt? Schämt euch in Grund und Boden, so etwas hätten wir 2022 auch in petto gehabt – aber ihr wolltet ja nicht…

15. Frankreich; „Évidemment“, La Zarra (bereits fürs Finale qualifiziert):
Wie gut war „Fulenn“ in der letzten Runde? Ok, das haben leider nicht so viele andere Menschen aus Europa gesehen, aber uns begeistert es heute noch. La Zarra schielt eindeutig eher gen Barbara Pravi, die 2021 den zweiten Platz belegte, jedoch wird der klassisch anmutende Chanson mit einem groovigen Dancebeat aufgefrischt, sodass auch bei unseren Französ*innen angekommen zu sein scheint, dass die Formel „Ein bisschen was Bekanntes, ein bisschen was Neues“ gut ziehen kann. Coole Nummer.

16. Großbritannien; „I Wrote a Song“, Mae Muller (bereits fürs Finale qualifiziert):
Ähnlich wie Spanien war Großbritannien vergangenes Jahr in Turin ein absoluter Überflieger. Platz 2 für Sam Ryder und damit die beste Platzierung seit dem letzten Sieg von UK, und der war 1997. Das lag ganz besonders an der überragenden Gesangsleistung. Auf Gesang geht man 2023 als Gastgeberland nicht, die Erwartungshaltung ist eh entschieden zu hoch, das Niveau von „Space Man“ halten zu müssen. Deswegen ist „I Wrote A Song“ einfach ganz solider, netter, auch bestimmt ein wenig spaßiger, aber keinesfalls überragender Dance-Pop für die bald anstehenden Open-Air-Partys. Das hat Fans und gleichzeitig auch viele Nicht-Fans. Mittelfeld im Finale.

17. Georgien; „Echo“, Iru (2. Halbfinale):
Eines muss man Georgien hoch anrechnen: Berechnende ESC-Mucke schicken die nie. Stattdessen ist es immer dark, ein wenig krawallig, rockig, aggressiv. Genau in diese Richtung geht auch „Echo“, jedoch wurde die starke Melodie, die gute Songstruktur und generell das Package einfach vergessen. Iru wird somit sehr wahrscheinlich die sechste georgische Performance liefern, die es nicht übers Semi hinausschafft. So sorry, aber nervt beim Hören. Next.

18. Griechenland; „What They Say“, Victor Vernicos (2. Halbfinale):
Griechenland gewinnt bei United By Music den Pokal für das langweiligste Lied. Ach, Leute! Was ist das denn? Dabei gab es doch von euch zuletzt einige hörenswerte Nummern, doch diesmal könnt ihr euch weder entscheiden, ob es eine Ballade oder ein Uptempo-Popper werden sollte und obendrauf wartet man drei Minuten lang, dass es endlich mal richtig losgeht. Vergebens. Eine nach einer Minute auserzählte Geschichte, für die man keine Anrufer*innen generiert. Das bedeutet „Jiásu Jiásu“, tüsskes!

19. Kroatien; „Mama ŠČ!“, Let 3 (1. Halbfinale):
2023 ist ganz weit oben auf der To Do das Stichwort „Auffallen“. Bloß nicht das tun, was alle sofort checken. Das haben Let 3 aus Kroatien wirklich sehr wörtlich genommen. Die Punk-Rock-Band existiert bereits seit den 80ern und liefert mit ihrem Beitrag eine Art Satireshow. Das Lied alleine ist sehr (!) anstrengend und herausfordernd, mit der äußerst durchdachten politischen Backgroud-Story gewinnt das Prozedere einiges an Punkte, jedoch wird diese provokante Geschichte fast niemand verstehen. Anyway, nimmt man wahr, ist anstößig und schafft es damit womöglich auch ins Finale. Ist auch ok, weil es eine weitere Facette der Musik zeigt – aber gut ist eindeutig anders.

20. Irland; „We Are One“, Wild Youth (1. Halbfinale):
Sind es Coldplay oder doch One Republic? Irland hat es einfach aufgegeben, wirklich ernsthaft gute Songs zum Eurovision Song Contest schicken zu wollen. Man ruht sich weiterhin auf den sieben Siegen aus, die immer noch unangetastet bleiben, und macht absolutes Pflichtprogramm. Wild Youth ist alles andere als wild, sondern einfach generischer Stadion-Rock-Pop, der wie B-Material aus der vorletzten WM klingt. Vorletzte WM war 2018, jetzt ist 2023. Merkse selbst, ne?

21. Israel; „Unicorn“, Noa Kirel (1. Halbfinale):
Einmal alles bitte. Israel hat gar keine Lust, eine klare Linie einzuschlagen. Stattdessen schickt man Noa Kirel, den aktuell erfolgreichsten Star des Landes, nach UK. Die hat „Unicorn“ im Gepäck, also ein wenig queeren Alarm schon im Titel. Die Hook wirkt auch uplifting und mit gutem Empowerment, jedoch kippt man in der letzten Minute plötzlich weg und will auch noch Platz für einen Dance-Break machen, der nach Blackpink klingt. Gut produziert, aber in dem unglaublich starken 1. Semi auf dem Wackelposten. Die Performance wird es ausmachen.

22. Island; „Power“, Diljá (2. Halbfinale):
Ein ganz kleines, solides Lied. Mehr gibt es eigentlich zu „Power“ aus Island auch gar nicht zu sagen. Tut nicht weh, kann so ohne Probleme im Radio laufen, ist nur für einen Eurovision viel, viel, viel zu wenig. Diese 80er-Beats sind doch so langsam auch wieder out, oder? Was soll man noch schreiben? Dieser Satz ist nur dafür da, den Kommentar für Island ein wenig länger zu gestalten. Reicht jetzt auch.

23. Italien; „Due vite“, Marco Mengoni (bereits fürs Finale qualifiziert):
2013 erreichte Marco Mengoni bereits für Italien den siebten Platz beim ESC. Genau eine Dekade später ist er erneut beim größten Musikwettbewerb der Welt dabei und liefert eine ganz klassische, schön gesungene Italo-Ballade. Ein wenig Kitsch, ein paar Töne, die man nicht so einfach nachsingen kann und natürlich viel Pathos im Ausdruck. „Due vite“ ist null Edge, aber in diesem Jahrgang eine wohlige Abwechslung. Die Jurys werden’s lieben – die Zuschauer*innen wohl nur teilweise.

24. Litauen; „Stay“, Monika Linkytė (2. Halbfinale):
Und gleich noch eine Wiederholungstäterin: Monika Linkytė sang 2015 in Wien den Gute-Laune-Macher „This Time“ im Duett und belegte Rang 18, nun probiert sie es allein. Gut für sie: Sie startet im schwachen 2. Semi und wird somit mit ihrer soliden Midtempo-Pop-Ballade den Sprung ins Finale schaffen – dann wird „Stay“ aber unter den letzten fünf landen. Ein nettes Liedchen, das sich gut weghören lässt, aber in keinem Detail hervorsticht.

25. Lettland; „Aijā“, Sudden Lights (1. Halbfinale):
Einer der meistdiskutierten Beiträge 2023 – ist Lettland richtig gut, weil musikalisch verschachtelt, herausfordernd und schwer greifbar oder einfach totaler Käse, weil es auf das nächste Album von Muse gehört statt auf die Eurovision-Bühne? Make your choice! Unter den rockigen Nummern auf jeden Fall eine der besseren. Aber ob die Bubble, die man damit bedient, nicht doch ein wenig zu überschaubar sein könnte…

26. Moldau; „Soarele și luna“, Pasha Parfeni (1. Halbfinale):
Ethno-Dance-Pop geht doch wirklich immer. Immer immer. Wenn’s dann noch mit so einer catchy Flöte versehen ist und eine Hook liefert, die sich direkt fest im Ohr verankert, ist das schon die halbe Miete. Pasha Parfeni – auch der hat schon zweimal beim Eurovision mitgewirkt – verkauft „Soarele și luna“ einfach richtig gut. Das ist zwar kein Titel für den Sieg, aber einer, der so heftig bockt. Danke dafür, ein echter Bop!

27. Malta; „Dance (Our Own Party)“, The Busker (1. Halbfinale):
Zum Thema „Catchy Instrumente“: Ihr erinnert euch alle natürlich noch an den Epic-Sax-Guy. Und was wäre ein ESC ohne mindestens ein Saxophon-Solo? Eben drum. Malta veranstaltet eine eigene Party und droppt mit „Dance (Our Own Party)“ eine lockerlässige und ziemlich smoothe Geschichte, die danach viral gehen wird. Kein Sieg, aber ein sicherer Anwärter für das große Opening im Finale. „Do you wanna dance?“ – sowas von.

28. Niederlande; „Burning Daylight“, Mia Nicolai & Dion Cooper (1. Halbfinale):
Was hatte die Niederlande doch für einen Lauf! Seit dem gigantischen Comeback mit Anouk 2013 ist unser Nachbarland kaum noch zu stoppen. Ein Sieg, mehrere Top-Platzierungen, viele Hits – und nun ist anscheinend Sense. Nein, „Burning Daylight“ ist kein katastrophaler Beitrag, aber ein so unharmonisches, unorganisiertes Duett, bei dem man erst große Erwartungen schürt, die dann alle nicht erfüllt werden. Schrecklich unbefriedigend und deswegen einfach eine Enttäuschung. Das wird der erste Semi-Abschied seit 2015.

29. Norwegen; „Queen of Kings“, Alessandra (1. Halbfinale):
Wer bekommt heute von „Spirit in the Sky“ von KEiiNO immer noch nicht genug? 2019 gab es den ersten Platz bei den Televotes für einen der perfektesten ESC-Momente, in denen Pop und nationale Klänge den gemeinsamen Weg fanden. Alessandra knüpft auf nicht ganz dem Niveau, aber auch nicht so viel darunter an und ballert mit „Queen of Kings“ zweieinhalb Minuten ohne Verschnaufpause, dafür mit viel Wikinger-Stimmung über die Stage. Das reißt mit und geht deswegen mit einem Fingerschnipp in die Top 5. Mega.

30. Polen; „Solo“, Blanka (2. Halbfinale):
Und noch ein Award, der zu vergeben ist: Das Guilty Pleasure 2023 kommt aus Polen mit dem schrecklich trashigen Summer-Tune von Blanka. Die 23-jährige ist eigentlich Model und hat mit Musik nahezu nix am Hut. Merkt man, witzig und hookig ist „Solo“ aber allemal und hätte in den 90ern einen prägnanten Platz auf einer Bravo Hits verdient. Schwierig: Es gab Manipulationsvorwürfe, dass Blanka schon vor dem nationalen Vorentscheid als Siegerin feststand. Das führte zu einem Shitstorm. Aber von dem wissen ja die meisten Zuschauer*innen eh nix. Good for her. Da die Konkurrenz im 2. Semi überschaubarer ist, werden wir diesen Bubblegum-Pop also auch am Samstag zu hören bekommen.

31. Portugal; „Ai coração“, Mimicat (1. Halbfinale):
Mit Sicherheit ist Portugal das Land, was es zumindest uns Deutschen am schwersten macht. Kein Land bleibt so konsequent bei seiner Sprache und seinen Sounds. In rund 60 Jahren schickte man lediglich einmal einen rein englischsprachigen Beitrag. 2023 bleibt man aber bei den Wurzeln, peppt den klassischen Beitrag mit etwas Flamenco, vielen Claps und steigendem Tempo auf, aber im Kern bleibt es eben eines dieser Lieder, die sehr viele unberührt lassen, weil halt nicht gecheckt. Landet irritierenderweise trotzdem fast immer im Finale. Diesmal wird das aber auf Grund des unbeschreiblich guten Teilnehmer*innenfeldes im ersten Semi unmöglich.

32. Rumänien; „D.G.T. (Off and On)“, Theodor Andrei (2. Halbfinale):
Theodor Andrei ist mit seinen 19 Jahren einer der jüngsten Acts in diesem Jahr. Er gibt sich auch ordentlich Mühe, ist hauptverantwortlich für Musik und Text, präsentiert es mit ausgetüftelten Moves – trotzdem ist das alles irgendwie ziemlich großer Kack. Zu gewollt anders, zu gewollt cool, zu gewollt sexy und insgesamt einfach schrecklich cringe. Vielleicht sogar die niedrigste Punktzahl von allen Semi-Starter*innen.

33. Serbien; „Samo mi se spava“, Luke Black (1. Halbfinale):
…und dann gibt es eben Edge, der so verdammt gut ist, dass man gar nicht anders kann, als gebannt zuzuhören und zuzuschauen. Serbien war im letzten Jahr schon alles andere als Mainstream. Ganz so mindfucking wird es 2023 zwar nicht, aber Luke Black singt vergleichsweise wenig, flüstert häufiger was ins Mikro, lässt sich durch eine Flackershow ins Grusellicht hüllen, kettet Menschen an sich und wird dazu von einem so treibenden, bumsenden Beat begleitet, dass einem der Atem stockt. Wer damals mit der Scary SM-Show aus Island von Hatari etwas anfangen konnte und Frankreichs „Fulenn“ zuletzt geliebt hat, wird hier voll auf seine Kosten kommen. Einer der Gründe, warum man den Eurovision Song Contest eben sehen muss und mitsprechen möchte.

34. Schweden; „Tattoo“, Loreen (1. Halbfinale):
Nur selten schaffen es Eurovision-Songs auch noch Wochen später europaweite Hits zu sein. 2012 stand Loreen mit „Euphoria“ nicht nur für den Sieg für Schweden im aserbaidschanischen Baku, sondern auch für den größten Gewinner-Song der letzten Dekade. Selbst in Deutschland war das Ding auf der 1 und hielt sich über neun Monate in den Charts. Elf Jahre später steht sie erneut bei dem Wettbewerb für Schweden auf der Bühne und hat sogar laut Umfragen recht gute Karten auf den Sieg. Unsere Meinung: Leider unberechtigt. „Tattoo“ ist auf gar keinen Fall ein schlechter Song, aber verdient es nicht einmal in die Top 10 zu kommen. Ohne die extrem aufwändige Bühnenshow, die wir an dieser Stelle nicht spoilern wollen, bleibt nicht mehr viel übrig. Aber seht einfach selbst.

35. Slowenien; „Carpe diem“, Joker Out (2. Halbfinale):
Ähnlich wie Litauen setzt auch Slowenien auf eine Rockband, die besser in den Indie-Clubs aufgehoben wäre. „Carpe diem“ hat allerdings zusätzlich auch noch die schönen Harmonien und die eingängige Hook vergessen. Gut produzierter Beat, mehr besitzt dieser Beitrag nicht. Nö, den Tag, an dem ihr das geschrieben habt, habt ihr nicht ordentlich genutzt.

36. San Marino; „Like an Animal“, Piqued Jacks (2. Halbfinale):
San Marino, das Land, das nie Trends setzt, sondern ihnen immer nur hinterherrennt, hat auch bei United By Music nicht das, was eine*n kickt. „Like An Animal“ ist zum Glück nicht so fremdschämig wie „Stripper“ aus dem Vorjahr, aber ist B-Seiten-Material für die Vorband auf einem Måneskin-Konzert. Lieben wir nicht.

37. Ukraine; „Heart of Steel“, TVORCHI (bereits fürs Finale qualifiziert):
Das eigentliche Gastgeberland, das aus bekannten Gründen nicht austragen kann. Nach einem absolut richtigen und angebrachten politischen Sieg 2022, der jedoch nur geklappt hat, weil auch der Song zumindest gut war, wird diese Aktion dieses Mal mit sehr großer Sicherheit nicht wiederholt. Ist einerseits das Medienecho rund um den Ukraine-Krieg weniger geworden, ist andererseits aber auch die sehr moderne, gleichzeitig dennoch nicht richtig funktionierende R’n’B-Pop-Trap-Nummer schlichtweg kein zündender Kandidat. Das könnte einen Platz in der zweiten Tabellenhälfte bedeuten.

Fazit & Prognose

Krawall, Bums, Anstößigkeit, Party – selten war der Eurovision so laut, treibend, schrill und divers im Sound wie im Auftreten. Das verspricht große Unterhaltung, auch wenn es vielleicht nicht ganz so viele bahnbrechende Titel gibt wie in manch anderen Jahren. Ein klares Favoritenland gibt es nicht, was das Zuschauen noch spannender macht – aber ein Skandinavien-Battle zwischen Schweden, Norwegen und Finnland ist hochwahrscheinlich. Sollte Schweden es machen, würde das den 7. Sieg für das Land bedeuten und damit einen Gleichzug mit dem bisherigen Spitzenreiter Irland.

Unsere Prognose für die Gewinner*innen des 1. Halbfinales: Aserbaidschan, Schweiz, Finnland, Kroatien, Norwegen, Malta, Moldau, Schweden, Serbien, Tschechien

Unsere Prognose für die Gewinner*innen des 2. Halbfinales: Albanien, Armenien, Österreich, Australien, Belgien, Zypern, Dänemark, Griechenland, Litauen, Polen

Hier nochmal der Siegertitel aus 2022:

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