Pop-Musik muss keine nervigen EDM-Breaks haben. Pop-Musik kann auch noch immer kreativ sein. Pop-Musik kann ebenfalls noch immer Genregrenzen aufbrechen. Die fiktive Art-Pop-Band Gorillaz um Blur-Mastermind Damon Albarn und Illustrator Jamie Hewlett zeigt dem Pop-Mainstream bereits seit Ende des 20. Jahrhunderts auf, wie interessant eine Kernschmelze aus Pop, Hip Hop und Rock doch klingen kann und wie einfach es sein kann, gegen die breite Masse zu rebellieren. Trotz der oft unkonventionellen Art der Band, können alleine die Überhits „Feel Good Inc“ und „Clint Eastwood“ zusammen fast fünfhundert Millionen (!) Streams über Streamingriese Spotify aufweisen. Fünf Studioalbum hat die Comicgruppe in den vergangenen zwanzig Jahren veröffentlicht. Mit „The Now Now“ folgt nun – bereits 14 Monate nach dem von Kollaborationen fast schon zerbröckelnden Vorgänger „Humanz“ – der sechste Streich. Dieser besinnt sich eher auf alte Zeiten zurück und zeigt, wie herrlich frisch Pop doch noch sein kann.
Davon konnten sich – zumindest zum Teil – bereits vor einigen Wochen die Besucher der Zwillingsfestivals Rock Am Ring und Rock Im Park überzeugen, bei denen die Gorillaz bereits sieben neue Stücke prämierten. Diese dort noch unveröffentlichten Songs fügten sich nicht nur perfekt in das gut 95-minütige audiovisuelle Feuerwerk, das man mit Hilfe vieler Gastmusiker auf die Beine stellte, ein, sondern legten nahe, dass auf „The Now Now“ vor allem eine Person singt: Albarn selber (oder die Figur 2D, der er seine Stimme leiht). Features gibt es auf dem Sechstling der Comic-Gruppe nur zwei Stück. Neben Jazz-Legende George Benson im Opener „Humility“, rappen sich Snoop Dogg und Jamie Principle durch das groovige „Hollywood“. Die anderen Stücke, wie das mit wabernden Synthie-Bässen nach vorne treibende „Tranz“ oder die mit seichten Streicher-Synthies und Akustikgitarre arrangierte Ballade „Idaho“, kommen in Gänze ohne Gasteinlagen aus.
Die Anzahl der Feature-Gäste hatten die Gorillaz auf dem Vorwerk „Humanz“ aber ja eh bereits auf den Höhepunkt getrieben. Dort war das dann schon etwas zu viel des Ganzen. „The Now Now“ tut gerade gut, dass der Fokus vor allem auf Albarns – äh 2Ds – doch sehr angenehmem und markanten Stimmorgan liegt. Die Platte hält dadurch nicht nur der tanzbare, eingängige, von 80s-Synthesizern durchzogene Sound zusammen, sondern auch die Vocalperformance.
Im vergangenen Jahr stieß während der (fiktionalen) Arbeiten an dem Album auch ein neuer Charakter zu der Band hinzu. Ace nennt sich dieser und bedient den Viersaiter, der diesmal zu Höchstleistungen auffährt. Gerade die häufig im Vordergrund stehenden verspielten Basslines treiben die neuen Stücke an und verleihen ihnen ihren Dance-Charakter, der sich durch die gesamten 40 Minuten zieht, die die Platte andauert. Generell klingen die Stücke allesamt wie aus einem Guss, ohne auf Dauer zu homogen zu wirken.
Im Vergleich zum Sound der Anfangstage der Gruppe treten wohl vor allem die E-Gitarren etwas in den Hintergrund oder fallen Entfremdungsprozessen zum Opfer. Trotzdem erinnert „The Now Now“ viel öfter an die alten Zeiten, als noch „Humanz“. Das mag letzten Endes auch einfach daran liegen, dass die Platte als Gesamtwerk viel besser funktioniert und deutlich weniger Längen hat. So frei von Barrikaden, wie die Musik, die die Gorillaz seit Jahren schreiben, klingt der große Teil der populären Musik, die den hiesigen Mainstream beherrscht, schon lange nicht mehr. Gerne kann die Band nun auch den nächsten Mega-Hit landen. Mit dieser absolut unterhaltsamen Platte sei ihnen das gegönnt.
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