Schwere Trap-Beats mit Gucci Manes Gefühl des Angekommen-Seins? Gucci Mane verabschiedet sich mit seinem 16. Studioalbum „Breath of Fresh Air“ von den düsteren Thematiken des Trap-Genres?
Auf Gucci Mane’s neuen Album versammeln sich auf den 24 Tracks die Who’s who der amerikanischen Rapwelt, wie die Musikproduzenten London On Da Track, Zaytoven, Mike WiLL Made-It, J. White und Hitkidd oder musikalische Größen, wie Kodak Black, Lil Baby, Key Glock, J. Cole und 21 Savage. Unter anderem performt Young Dolph posthum auf den Tracks „Thank Me“ und „Pretty Girls”, nachdem er im November 2021 beim Verlassen einer Bäckerei in seiner Heimatstadt Memphis von unbekannten Täter*innen erschossen wurde. Songs, wie Bluffin, Woppenheimer, Maried with Millions, There I Go, Woppenheimer und Broken Hearted wurden bereits vor dem Albumrelease veröffentlicht.
“2019, tried give me a grammy, in 2005, tried to give me the chair” Line aus Stomach Grumbling
Der inzwischen 43-jährige Gucci Man wuchs in den neunziger Jahren in Atlanta – der Geburtsstätte des Hip-Hop-Genres Trap und Zentrum von Armut und Gewalt, aus dem viele Musiker*innen emporkamen, wie Lil Wayne, Rick Ross oder T. I. – auf und seine Jugend war geprägt durch unsichere Wohnverhältnisse, Waffengewalt und Drogenhandel. Sein Debutalbum Trap House – dessen Titel Bezug auf die Häuser, in denen Drogen verkauft werden, nimmt – veröffentlichte er 2005 und landete bereits früh in den Billboard R&B/Hip-Hop Albumcharts. Thematisch dient seine Musik bis als musikalische Selbstreflexion seiner Jugend, und seinen unzähligen Gefängnisaufenthalten unter anderem eine Untersuchungshaft wegen Mordes. Hierfür wurde er aus Mangel an Beweisen freigesprochen.
Für sein neues Album verfolgt Gucci Mane einen neuen Ansatz. „I’m just not in the mood to hear a whole bunch of drilling and killing […] just let me just kind of lead by example” erzählte er im August Zane Lowe von Apple Music und dies erkennt man schnell in seinem neuen Album. Seiner Verantwortung bewusst beginnt die musikalische Selbstreflexion nun am Beispiel seiner Ehefrau, seiner Kinder und seinem obszönen Reichtum. Er prahlt mit seinen Triumphen und seinen persönlichen Aufstieg aus Atlanta in das Venedig Amerikas (Fort Lauderdale). Davis sieht sich selbst in seinem neuen Leben als Mr. Perfect und hält nahezu paternalistisch seine Hände über all diejenigen die die soziale und finanzielle Emanzipation, aus dem Sumpf der Polizeigewalt, der Kriminalität und der absoluten Armut, nicht schafften. Fortschritt? Ja. Angekommen? Finanziell schon.
Mit den Produzenten der Beats, scheint mir ein großes Netz an Künstlern gestrickt worden zu sein. Die meisten Sounds klingen nach bedrohlich-schweren Trap-Beats über die melodielosen rohen Rap-Performancen gelegt wurden. Die Versuche diverser Künstler*innen der letzten Jahre, mit neuen musikalischen Formen zu experimentieren, wird sich an dieser Stelle verweigert. In diesem Album gilt: Trap ist Trap. Während Gucci Mane einprägsame Lines performt (siehe Zitat in der Zwischenüberschrift), insofern man sie versteht, erfährt er gleichzeitig eine Form der Huldigung durch seine Features. Rapper, wie Kodak Black, Lil Baby, Key Clock und Mac Critter widmen ihm spezifisch Lines oder übernehmen gar seinen Mumble-Rap-Stil.
Im Kontext eine Dekonstruktion der Person Gucci Mane und seinem Werdegang mag dies ein interessantes Album sein, auch wenn mit ihm Personen, dessen Welt dies nicht ist, nichts anfangen können. Hierfür ist es musikalisch nicht wirklich abwechslungsreich oder bedeutsam. Dieses Album ist auf eine gewisse Art ein Fanservice mit oberflächlich-sozialkritischen Bemühen. Verehrer*innen von Gucci Mane kommen auf ihre Kosten.
Zudem gilt: Es ist schon bemerkenswert, dass die größte Erfolgsgeschichte des Trap-Genres nun eine neue, thematische Note anschlagen möchte – Vorbild statt „drilling and killing“. Kann dies ein Startschuss sein für eine neue Bedeutung und Tiefe eines ganzen Genres, welches nur zu häufig aufgrund seiner Brutalität in Verruf gezogen wird?
Und so hört sich das an:
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