Marathonmann – Die Angst sitzt neben dir

Erst in den letzten Jahren wird dem großen Komplex der Mental Health Awareness der Raum eingeräumt, die der mentalen Gesundheit eigentlich längst zustehen sollte. Dabei sollte es in einer Welt, die immer schnelllebiger wird, immer mehr fordert und weniger Raum für Zwischenmenschliches lässt, in der Technik die natürliche Begegnung verdrängt, doch selbstverständlich sein, dass diese Themen nicht tot geschwiegen werden. Als großes Identifikationsmedium spielt Musik hier eine ganz besondere Rolle. Umso schöner also, wenn Bands und Künstler*innen sich der Herausforderung annehmen und ihre eigenen Dämonen thematisieren, um so eine Projektionsfläche für alle zu bieten, die sich mit ihren Problemen allein gelassen fühlen.

Genau diesem Feld widmet sich das Konzeptalbum „Die Angst sitzt neben dir“ – dem Titel entsprechend allen voran Angststörungen und Depressionen. Ganze drei Jahre nach „Mein Leben gehört dir“ graben sich Marathonmann in die Tiefen des eigenen Seins und zeigen sich verletzbar wie noch nie. An Stelle von Gesellschaftskritik steht die Introspektive, die sich in einer beeindruckenden Bandbreite an Sounds kristallisiert.

Dabei beginnt das Album mit „Totgeglaubt“ noch recht klassisch, einzig das frickelige Fingerpicking im Hintergrund und die sphärischen Elemente deuten schon an, dass Fans hier völlig neuen Klängen ausgesetzt werden. Auch wenn „Flashback“ und „Nie genug“ thematisch bereits das vorherrschende Thema der eigenen Zweifel thematisieren, reißt erst „Alles wird gut, Alice“ das Album urplötzlich in eine außergewöhnliche Richtung. Die Strophen baden noch tief im Post-Punk, bis Bassist und Sänger Michael „Michi“ Lettner im Refrain bei den Worten „Ich will das nicht mehr“ vor lauter Gefühlen die Stimme wegbricht. Vor wirbelndem Schlagzeug und leisen Oh-Oh-Chören schraubt sich das Stück schließlich in den ersten Gänsehaut-Moment, der um die eindringliche Metapher des „Korridors der Traurigkeit“ kreist.

Einmal losgelöst, springen die düsteren Thematiken kopfüber in die Experimentierfreude, was sich in „Die Bahn“ im Sprechgesangs-Storytelling ausschlägt, damit „Schachmatt“ zwischen Garage-Attitüde und Fjørtscher Härte zerbricht, „Tausende Augen“ steigt gar mit einer zierlichen Klavier-Melodie ein. Mit derart ausgeklügelten Kompositionen schwingen sich Marathonmann hier unumwunden auf ein gänzlich neues Songwriting-Niveau. Wenn hier aber „22 Meter Sicherheit“ mit der für Love-A-Frontmann Jörkk Mechenbier typischen aufgehetzten Sprechgesangs-Attitüde loslegt, fällt der Mangel an kreativem Wortwitz im Vergleich zu Genre-Kollegen wie Captain Planet oder Turbostaat auf. Dafür entpuppen sich die sehr direkten Lyrics gerade in diesem Song durch kleine Spielereien mit Stop-And-Go-Elementen und Chören als besonders mitreißend und bewegend. Einzig bei der jugendlich aufmüpfigen Abrechnung „Hobbs End“ und dem Closer „Am Ende Nichts“ fallen die unkreativen Reime und fehlenden Zweideutigkeiten etwas unglücklick auf.

Zwischen zarten Emotionen und knallhartem Schreien der Angst betten Marathonmann ein kompositorisch beeindruckendes Werk über den großen Themenkomplex der mentalen Gesundheit. „Die Angst sitzt neben dir“ kann weh tun oder als wohlige Umarmung dienen; Hauptsache das Totschweigen hat endlich ein Ende.

Und so hört sich das an:

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https://www.youtube.com/watch?v=MrZsp0FnKyA

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Marathonmann live 2019:

  • 19.07.2019 Deichbrand Festival, Cuxhaven
  • 10.08.2019 Abi Festival, Lingen
  • 23.08.2019 Holter Meeting, Holte-Stuckenbrock
  • 24.08.2019 Karben Open Air, Karben
  • 30.10.2019 Circus Maximus, Koblenz
  • 01.11.2019 The Tube, Düsseldorf
  • 02.11.2019 Helios37, Köln
  • 06.11.2019 Dynamo, Zürich (CH)
  • 07.11.2019 Garage, Saarbrücken
  • 08.11.2019 Backstage, München
  • 09.11.2019 Juha West, Stuttgart
  • 13.11.2019 Club Stereo, Nürnberg
  • 14.11.2019 Conne Island, Leipzig
  • 15.11.2019 Badehaus, Berlin
  • 16.11.2019 Logo, Hamburg
  • 21.11.2019 Das Bett, Frankfurt am Main
  • 22.11.2019 Sputnikhalle, Münster
  • 23.11.2019 Tower, Bremen

Rechte am Albumcover liegen bei Redfield Records.

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