Michael Jackson – Thriller 40

cover zur jubiläumsausgabe von michael jacksons thriller

Was schreibt man über das erfolgreichste Album aller Zeiten? Was schreibt man über den erfolgreichsten Musiker aller Zeiten? An Thriller von Michael Jackson etwas zu kritisieren, wäre pure Blasphemie. Hier könnte diese Review auch schon enden. Letztendlich geht es im Jahr 2022 aber nicht einfach um Thriller, sondern um Thriller 40.

Der 30.11.1982 war nicht weniger als ein geschichtsschreibender Tag. Ein Dienstag. Der Wochentag, an dem in den USA Musikalben für gewöhnlich herauskamen. Bei uns war’s bis Mitte der 2000er der Montag, seit 2005 probiert man weltweit mit dem Freitag synchron zu agieren. Am letzten Tag in diesem Monat hingegen, einen Tag bevor wir alle das erste Adventskalendertürchen öffnen werden, jährt sich die Veröffentlichung von Thriller zum 40. Mal.

Thriller ist alles. Alles, was man irgendwie mit Superlativen ausdrücken kann. 65 Millionen Mal wurde es definitiv verkauft. Andere Quellen reden von über 100 Millionen verkauften Einheiten. Doch selbst bei 65 Millionen wären es immer noch mehr 15 Millionen als das „Back in Black“ von AC/DC, das zwei Jahre zuvor erschien. 15 Millionen mehr bedeutet gleichzeitig 30 Prozent mehr. Ein Vorsprung, der niemals aufzuholen sein wird. Eine Verkaufszahl, die sehr wahrscheinlich bis ans Ende der Menschheit ungeschlagen bleibt.

1982 funktioniert Musik noch anders. Das Angebot ist kleiner, Releases seltener. Man muss Musik im Plattenladen kaufen, um sie zuhause konsumieren zu können. MTV, der erste Fernsehsender, der nonstop Musik zeigt, ist gerade ein gutes Jahr alt. Michael Jackson wird der erste schwarze Künstler sein, der dort läuft. Er macht nicht nur Black Music dem Mainstream schmackhaft, er weiß die Möglichkeiten eines Musikvideos vollends auszuschöpfen. „Billie Jean“ – die erfolgreichste Solosingle des Künstlers – und „Beat It“ laufen auf Heavy Rotation. Sie sind keine bloßen Aufnahmen von einem Auftritt, sie erzählen Geschichten und erinnern an Hollywoodproduktionen. „Thriller“, der Titeltrack, die siebte (!) und gleichzeitig letzte Single des Albums, die über ein Jahr nach der Veröffentlichung der LP erscheint, macht Michael Jackson final zum unangefochtenen Videoartist. Es ist das erste Video, das in die National Film Registry aufgenommen wird und bis heute das meistverkaufte Musikvideo aller Zeiten.

500 Wochen – das sind irrsinnige neun Jahre – bleibt das Meisterwerk in den US-Albumcharts, 259 Wochen in UK, 164 in Deutschland. Funfact: In Österreich und der Schweiz schaffte es nie Platz 1, aber das nur am Rande. Acht Grammys nimmt der Mann aus Gary in Indiana 1984 mit nach Hause, nominiert war er zwölf Mal. Bis heute ein Rekord. Man könnte ewig mit solchen Zahlen weitermachen. Sagt das inhaltlich etwas über die Qualität aus? Nicht immer sind Verkäufe auch ein Garant für gute Musik. Doch können sich so viele Menschen beim Kauf und bei Preisvergaben täuschen? Wohl kaum.

Hört man vier ganze Dekaden später in Thriller rein, hat sich eigentlich kaum etwas verändert. Gerade einmal neun Tracks tummeln sich auf dem einzigartigen Longplayer, den der King of Pop mit seinem langjährigen Weggefährten Quincy Jones als Produzent fabriziert hat. Neun Songs, die jedoch gemeinsam über 42 Minuten Musik ergeben. Von den neun Songs werden, wie bereits erwähnt, sieben als Single veröffentlicht. Alle sieben werden in den USA mit Platin ausgezeichnet, aber wir wollten ja mit den erschlagenden Zahlen endlich aufhören. Musikalisch bietet Thriller einen perfektionistisch ausgearbeiteten Showstopper nach dem nächsten. Ein Gesamtkonzept, das eben so viel besser klingt als der Durchschnitt. Ein Spagat zwischen Kunst und breitem Gefallen. Problemlos könnten Songs wie „Billie Jean“, „Wanna Be Startin‘ Somethin'“ oder auch das oftmals untergehende „Baby Be Mine“ heutzutage von The Weeknd oder anderen trendigen Acts veröffentlicht werden – niemand würde es für altbacken halten, so zeitgemäß und gleichzeitig zeitlos ist der Sound zwischen Disco, Pop, R’n’B, Soul, Rock und Funk.

Wer Thriller bis heute nicht gehört hat, hat nicht nur ein Stück Popkultur, sondern schlichtweg einen bahnbrechenden Augenblick Musikgeschichte verpasst. Um dem Ganzen genügend zu huldigen, wird das Werk in unregelmäßigen Abständen stets neu aufgelegt. 2001 kam die erste Special Edition im remasterten Klang mit kleinen Extras, zum 25-jährigen Jubiläum gab es 2008 – ja, da war man etwas zu spät dran – ein schickes Digipack mit weiterem Bonusmaterial und den einschlägigsten Musikvideos als DVD-Beilage. Dass weiterhin großes Interesse an Thriller besteht, zeigt die Tatsache, dass die letzte Jubiläumsausgabe erneut fast 1,2 Millionen Mal eine*n Abnehmer*in fand.

40 ist zwar nicht unbedingt die typischste Zahl, um nochmal ordentlich zu feiern, aber Fans freuen sich trotzdem, wenn zum runden Geburtstag eine Neuveröffentlichung ansteht. Thriller 40 wird neben seinem Release auf CD, LP und Digital auch von zwei Ausstellungen begleitet – die eine lief in Düsseldorf, die andere in New York. Ein TV-Special ist in Planung. Doch was kann das Re-Issue außer in silberner Farbe glitzern?

Die Doppel-CD umfasst neben dem regulären Album im Klang auf technischer Höhe von heute eine zehn Track starke Bonusdisc. Genau hier wird’s spannend, denn ganz ehrlich – potenzielle Abnehmer*innen zu finden, die Thriller wollen und bisher nicht haben, könnte schwierig werden. Somit muss besonders für die Michael-Forever-And-For-Always-Community etwas geboten werden. Das Ergebnis ist dahingehend akzeptabler Durchschnitt.

Logisch. 40 Jahre ist eine lange Zeit. Warum sollte man große Schätze, die zu begeistern wissen, dermaßen lang im Schrank aufbewahren und nun plötzlich mit ihnen um die Ecke kommen? Die wirklichen Bretter sind selbstredend auf CD1, viele weitere hörenswerte B-Seiten sind aber ebenfalls in den vielen Jahren an unterschiedlichster Ecke veröffentlicht worden. Einige davon wurden nun erneut auf dem zweiten Tonträger gesammelt. Um herauszufinden, welcher der zehn Songs bereits wo und in welcher Form veröffentlicht wurde, braucht es fast schon ein eigenes Studium. Die Releases sind endlos. Hier etwas, da etwas. Eine wirklich tolle Idee wäre es gewesen, sämtliches Alternativmaterial, was es jemals zu Thriller gab, gesammelt zu veröffentlichen. Gern auch in einer hochkarätigen Sammlerbox mit vier oder fünf Tonträgern. Doch das ist abermals nichts geworden. Ärgerlich.

Stattdessen ist CD2 von Thriller 40 eine bunte Tüte mit vielen Dingen, die es schon gab und ein paar wirklichen Überraschungen. Enttäuschungen: „Got The Hots“ gab es in exakt dieser Version bereits auf der Compilation „King of Pop“ zum 50. Geburtstag von Michael Jackson, „Carousel“ auf der 2001-Version von Thriller, „Can’t Get Outta The Rain“ war gleich bei drei Thriller-Singles die B-Seite, „Sunset Driver“ ist auf der „The Ultimate Collection“ aus 2004 zu finden.

Etwas besonderer: Hinter „Starlight“ verbirgt sich eine Demo-Version von „Thriller“, „Behind The Mask“ gab es in überarbeitet und äußerst gelungen auf dem posthumen „Michael“ (2010), ebenso „The Toy“, da heißt es allerdings „Best of Joy“. Drei Songs, die also ebenfalls alle bekannt sind, jedoch zumindest auf legalem Wege bisher nicht zu erwerben waren. Wirklich erwähnenswert: Auch wenn von „What A Lovely Way To Go“ ein MarkRonson-Mix für das „Michael“-Album angefertigt wurde, ist dieser nie offiziell veröffentlicht worden. Auf Thriller 40 hingegen hört man ein Demo, das schon für „Off The Wall“ (1979) im Raum stand. Gleiches gilt für „She’s Trouble“ und „Who Do You Know“, zwei Outtakes, die bisher Fans verwehrt blieben.

Eine Anschaffung ist für Fans sowieso gesetzt. Michael-Gelegenheitshörer*innen ist das Bonusmaterial nur bedingt zu empfehlen, fällt doch gerade bei fast allen Songs auf, dass es sich um liegengebliebene Alternativen handelt. „Who Do You Know“ klingt wie eine etwas langweiligere Variante von „The Girl Is Mine“, „Behind The Mask“ ist in der stark produzierten 2010-Version die bessere Wahl und kompositorisch dank catchy Hook plus Gesangsperformance eine echt tolle Leistung. Das redundante „Can’t Get Outta The Rain“ ist vier Minuten ständige Wiederholung im Disco-Gewand und verleitet zum Skippen. Das harmlosere, romantische „Thriller“ mit Namen „Starlight“ ist niedlich und spannend zu hören, wirkt aber neben der Original-Gruselmär wie eine Ausführung für Kinder.

Hat man „Got The Hots“ hingegen bisher gekonnt ignoriert, sollte man hier eine Wissenslücke schließen. Der extrem groovige Titel erinnert an „P.Y.T. (Pretty Young Thing)“ und setzt sich nach spätestens drei Durchläufen äußerst gemein im Ohr fest. Hüftekreisen kostenlos inbegriffen. Ähnlich gut und damit das Highlight der Veröffentlichung, weil bisher unbekannt, ist „She’s Trouble“, bei dem Michaels Gesangsskills wunderbar zur Geltung kommen und die Hook in gewohnter Manier sich mit smoothen Verses abwechselt. Wird bei den Hardcore-Anhänger*innen, die alles andere bis zum Tod kaputt gespielt haben, die nächsten Wochen wohl auf Repeat laufen. Gänzlich weggelassen: „For All Time“ von „Thriller 25“ und das wundervolle „Someone In The Dark“, welches für den „E.T.“-Soundtrack komponiert wurde und zeitgleich mit den Thriller-Songs entstand. Schade.

Frei nach dem Motto „Digital First“ werden neben den neun Classics und den zehn Bonustracks auf diversen Streamingportalen on top noch 15 weitere Lieder als Zugabe mitgegeben. Darunter die fünf völlig verschandelten Mixe und Features von Fergie, Akon, Will.I.Am und Kanye West, die man bereits auf der 25-jährigen-Jubiläumsausgabe mit Ohropax ertragen musste, sowie einige Demos, Extended Plays und Mixe von „Billie Jean“, „Beat It“ und mehr. Auch hier ist keine Vollständigkeit geboten. Beispielsweise fehlt das Demo von „The Girl Is Mine“, was es auf der Jubiläumssingle 2008 zu finden gab. Raritäten wie die 7″-Version von „Human Nature“ findet man auf der „The Essential“ (2005), einige Demos erneut auf der „The Ultimate Collection“ (2004).

Es ist immer schwierig, bei solchen Veröffentlichungen ein Fazit zu treffen. Thriller als Einzelprodukt ist unvergleichlich, der Mehrwert von Thriller 40 als Fangeschenk etwas unbefriedigend, da es einige Asse im Ärmel hat, den Gedanken jedoch nicht komplett zu Ende denkt. Vielleicht kommt ja mit „Thriller 50“ das Komplettpaket. Das Interesse an dem größten Künstler der Welt wird mit Sicherheit auch bis dahin nicht abreißen. Möge Michael am 30. auf einer Wolke dort oben mit einem Moonwalk sein Vermächtnis feiern. You deserve it.

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