Olivia Rodrigo – Sour

Olivia Rodrigo

Vor kurzem entdeckte ich ein Meme in den Tiefen der sozialen Netzwerken mit dem Satz: „I miss that crush feeling nobody told me you get older and men just stop being exciting to talk to“. Das amüsierte nicht nur mein queeres Herz, sondern bestätigte auch die Erfahrungen vieler Leute in meinem Umfeld. Teenage-Liebe also als dieses größte aller Gefühle, bei dem man sich sicher ist – so wie ich hat noch niemand empfunden. Vielleicht haben Liebeslieder von jungen Heranwachsenden deswegen auch diese emotionale Wucht, weil da noch keine Seelen abgestumpft sind. Genau das hört man auch „drivers license“ an, in dem sich Olivia Rodrigo mit so einer ernst gemeinten Inbrunst den Seelenpein von der Brust singt, dass es die Hörer*innen umhaut. Und die 18-Jährige mal eben zum Hype des Jahres macht. Nun also „Sour“, die Feuerprobe und die Frage: Ist da noch mehr als dieser eine Song?

Soundtrack-Futter en masse

Bevor der Spannungsbogen hier reißt: JA! Und wie. „Sour“ ist genau so angenehm einleuchtend und gleichzeitig erfrischend wie sein Cover. Natürlich liegt das vor allem an der wichtigsten Zutat: Rodrigo beherrscht das Spiel mit dem dramatischen Songwriting. Das cineastische Narrativ, das schon „drivers license“ für alle kommenden Coming-of-Age-Serien empfahl, zieht sich auch durch die restlichen zehn Songs. Laut eigener Aussage liebt es die US-Amerikanerin vor allem, traurige Songs zu schreiben, sich im Düsteren auszuleben. Deswegen gibt es natürlich auch noch andere Balladen, zum Beispiel „enough for you“, das mit zarter Akustik-Gitarre Rodrigos wunderbares Timbre das Rampenlicht überlässt. Oder das grandiose „deja vu“, bei dem die beherzten Chorale am Ende einen schicken Kontrast zur Kopfstimme bilden. Oder „1 step forward, 3 steps back“, bei dem Jack Antonoff (!) und Taylor Swift (!!!) beim Songwriting halfen. Doch dabei bleibt es nicht.

Zwischen Tasten und Riffs

Ein wenig schwankt Rodrigos Sound zwischen smoothem R’n’B und dem großen Pop-Moment. In diesem Spannungsfeld macht sie auch eine durchaus gute Figur, durch das sehr monothematische Innere könnten aber auch schnell Ermüdungserscheinungen auftreten. Dem bedröppelten Gesicht nach dem Verlassenwerden stellt sie aber eine überraschende andere Facette an die Seite: Wirklich guten Alt-Rock! Als großer Fan von Grunge- und Rock-Bands der 90ern ließ sich Rodrigo es nicht nehmen, auch einige schicke Riffs aufs Album zu packen. Und so wird sowohl der kantige Opener „brutal“ mit der grandiosen Zeile „if someone tells me one more time enjoy your youth i’m gonna cry“ zum Highlight, als auch das basslastige „good 4 u“. Letzteres wird übrigens häufig mit Paramores „Misery Business“ verglichen. Kann man so stehen lassen. Und dann gibt es da noch „jealousy, jealousy“, mit diesem herrlich schrägen Klavier, das auch Billie Eilishs Diskografie nach all diesen Balladen gut gestanden hätte.

Egal wie viele Erdumdrehungen die eigene erste Liebe mittlerweile her ist – mit „Sour“ dürfen wir sie alle nochmal nachfühlen. Alleine dafür gebührt Olivia Rodrigo ein Plätzchen in Jahresbestenlisten, aber dieses Debüt verspricht noch mehr. Es verpackt die kleinen und großen Sorgen in dichte Klavier-Watte und präsentiert Rodrigo als eine ungemein starke Geschichtenerzählerin. Feuerprobe bestanden.

Das Album „Sour“ kannst du hier (Vinyl) oder hier (digital) kaufen. *

Und so hört sich das an:

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Rechte am Albumcover liegen bei Universal.

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