Soundtrack: Various Artists – Eurovision Song Contest: The Story Of Fire Saga

Duncan Laurence ist schon jetzt ein Eurovision Song Contest-Sieger, dem wahrscheinlich auf ewig eine Besonderheit gebührt: er ist der einzige Gewinner, der zwei Jahre amtieren darf. Das liegt an dem Ausfall des diesjährigen ESCs, der wie tausende andere Events auch wegen der weiterhin anherrschenden Pandemie seine Federn lassen musste und somit 2020 in seiner 65 Jahre bestehenden Geschichte erstmalig pausiert. Das Alternativprogramm diverser TV-Sender, um die Fans trotzdem bei Laune zu halten, fiel einerseits kreativ andererseits aber auch geringfügig befriedigend aus (lest HIER erneut unseren Bericht). Mit einem guten Monat Verspätung kommt nun aber eine wirkliche Neuigkeit auf die Zuschauer zu, die zunächst ein wenig absurd klingt, sich aber genauer zu betrachten lohnt: Ein Film über den Eurovision.

Ja, richtig gelesen. Streaming-Guru Netflix hat sich mal wieder nicht lumpen lassen und eine Idee in die Tat umgesetzt, die bereits lange im Raum stand und in dieser Form wohl nie von einem Hollywoodstudio realisiert worden wäre. Wenig verwunderlich, sind die USA eben nicht an jenem größten Musikwettbewerb der Welt beteiligt und damit auch überschaubar interessiert. Doch selbstverständlich gibt es auch in Übersee Hardcore-Fans. Einer unter ihnen ist der bekannte, kalifornische Comedy-Schauspieler Will Ferrell, der seit zwei Jahrzehnten den ESC verfolgt, oftmals sogar mit der schwedischen Verwandtschaft und selbst bereits Tickets für die Show hatte. Seit einiger Zeit möchte er seine Filmidee über den so größenwahnsinnigen wie kultigen Song Contest verwirklichen und hat es nun endlich geschafft.

Mit Eurovision Song Contest: The Story Of Fire Saga flimmert seit dem 26.06. weltweit die Premiere des zweistündigen Spielfilms über die Heimbildschirme. Das waghalsige Konzept erfreut sich äußerster Beliebtheit, dabei gab es zunächst über die voraberschienenen Trailer eher Spott zu ernten. Ob das wohl gut gehen wird und nicht einfach in Klamauk endet? Die finale Fassung hat definitiv ein paar klamaukige Momente – aber in erster Linie ganz viel huldigende. Zu jeder Minute wird klar, dass hier wahre ESC-Liebhaber am Werk waren, die den Film optisch äußerst glaubwürdig realisiert und zig Wettbewerbsteilnehmer plus andere ESC-Größen mit an Bord hatten, um Authentizität zu bewahren.

So handelt der Streifen von zwei heimlich ineinander verliebten Freunden aus Island (gespielt von Rachel McAdams und Will Farrell persönlich), die seit Kindheit an die Show abfeiern und mit ihrer eigenen Musik und ihrer Band Fire Saga probieren, im Dorf Fuß zu fassen, um irgendwann auf ihrer Traumbühne stehen und hoffentlich gewinnen zu dürfen. Diese Vision wird von vielen Seiten belächelt, aber offensichtlich bestehen doch noch Chancen… Zwar fallen in der Storyline hier und da einige Schwächen auf – ist die Lauflänge nämlich doch ein wenig zu lang, der Genre-Mix zwischen Komödie, Romanze, Roadmovie und Musikfilm auch etwas arg springend –, jedoch ist im Kern das bei herausgekommen, was man braucht: nämlich eine Hommage an die Megashow!

Und die funktioniert bekanntlich hauptsächlich durch ihre heterogene Musik, die teils äußerst schrägen Charaktere und die bombastischen Performances. Gerade in diesem Hauptaugenmerk macht Eurovision Song Contest: The Story Of Fire Saga alles richtig und punktet mit Detailreichtum. Um das ESC-freie Jahr halbwegs glimpflich zu überstehen, gibt es gleich den passenden Soundtrack dazu, der aus 16 Titeln und knackigen 42 Minuten besteht, die ein bunteres Potpourri kaum bieten könnten.

Wer jemals einen ESC-Sampler gehört hat (lest HIER nochmal unsere Kritik zur Compilation 2020), weiß, dass es unmöglich ist alles zu mögen. Genres, Sprachen und Gesangsstilen sind keine Grenzen gesetzt. Dieser Aspekt wurde wohlwollend auch bei The Story Of Fire Saga übernommen. Einerseits liefert die Zusammenstellung fiktive ESC-Songs aus sieben unterschiedlichen Ländern, darunter auch drei Titel von Fire Saga, die Will Farrell sogar selbst gesungen hat. Da die weibliche Hauptrolle jedoch ein wahres Gesangstalent ist, wird der feminine Part von der Schwedin My Marianne übernommen, der diese Ehre mit Sicherheit das passende Sprungbrett in ihrem Land bieten dürfte. Ergänzt wird die Auswahl sowohl durch einen wirklich gelungenen Song für den natürlich ebenfalls fiktiven isländischen Vorentscheid, der von US-Star Demi Lovato (!) beigesteuert wird („In The Mirror“), als auch durch eine sechsminütige Suite von dem isländischen Filmkomponisten Atli Örvarsson und ein paar Überraschungen. Diese funktionieren noch besser, wenn man sie zunächst durch den Film entdeckt und besser erst danach auf dem Soundtrack hört.

Denn wie bereits erwähnt, gab es einige ESC-Veteranen, die sichtlich Bock auf diese Produktion hatten. Für Fans und Insider des Eurovision ist der Film eh Pflichtprogramm – dennoch wird sich das Herzstück „Song-A-Long“ dank seiner schier atemberaubenden Cast schon jetzt als absoluter „Moment of the Year“ herauskristallisieren, denn hier wurde geklotzt statt gekleckert. Spoiler ersparen wir euch an dieser Stelle. Guckt einfach. Warum nicht ein reines Medley aus ESC-Songs ausgewählt, sondern sich stattdessen u.a. für „Believe“ von Cher, „Ray Of Light“ von Madonna und „I Gotta Feeling“ von den Black Eyed Peas entschieden wurde, bleibt wohl ein Geheimnis, doch geschenkt! Repeat für die restliche Woche.

Ein ESC-Sieger darf sogar mit seinem eigenen Song auf dem Soundtrack einen Platz einnehmen. Ansonsten gibt es fast drei Hände voll mit extra für den Film komponierten Titeln, die wirklich so klingen wie Lieder vom diesjährigen ausgefallenen Wettbewerb. Egal, ob das ohrwurmlastige „Double Trouble“ von Fire Saga selbst, die Lordi-Verneigung „Running With The Wolves“, das poppige „Fool Moon“, die überproduzierte R’n’B-Nummer „Coolin‘ With Da Homies“ und das irrwitzige „Volcano Man“ – hier hat einiges Hitpotenzial und ist viel aufwendiger als man vermuten mag. Bereits nach nur wenigen Tagen nach der Veröffentlichung entpuppt sich der halb englische, halb isländische Track „Husavik“ als Liebling bei den Zuschauern, ist er die typische große Powerballade mit berauschenden Tönen in den höchsten Lagen. Da wurde zwar ordentlich bei dem 2018 erschienenen „Never Enough“ aus dem Film „Greatest Showman“ gezockt – klar geht das nette Stück aber allemal. Und dennoch muss bei einem Detail gemeckert werden: da gibt man sich Mühe und komponiert so viele catchy Songs, komponiert sie aber nicht aus? Die Ausschnitte, die im Film zu hören sind, sind gleichzeitig die kompletten Songs auf dem Soundtrack. Fast die Hälfte der Titel gehen unter 2:30, vier gleich unter 2:00 Minuten. Strophe, Refrain, Ende. Das ist schade und enttäuschend zugleich.

Trotzdem: Mit Eurovision Song Contest: The Story Of Fire Saga hat Netflix zwar einen um einen Monat zu spät passierenden Coup gelandet, den aber dafür mit Zufriedenheit. Ein Film, der zunächst weird wirkte, aber nun ein geglücktes Ergebnis präsentiert. Die Musik ist am Ende jedoch das, worauf es bei einem ESC-Output defacto immer noch ankommen sollte und da kann man bis auf die erwähnten Kritikpunkte kaum nörgeln. Das beste Ersatzmaterial für ein viel zu merkwürdiges Jahr.

Hier kannst du dir den Soundtrack kaufen.*

Und so hört sich das an:

Website

Die Rechte fürs Cover liegen bei ARISTA RECORDS.

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