The St. Pierre Snake Invasion – Caprice Enchanté

Wütend krachende Gitarren brettern durch die Lautsprecher, die stürmischen Schlagzeug-Rhythmen treiben sie immer weiter an, düster wummernde Bässe zerren eine brachial brüllende Stimme ins Dunkel, aus dem sich der Sänger mit einem druckvoll ruhigen Gesang frei strampelt, bis gehauchte Klänge, die ihm im Nacken sitzen, ihn doch in die Tiefe reißen. Seine Schreie sind markerschütternd. Mit brutal gefährlichen Wellen von Zorn und Verzweiflung zerrt “Caprice Enchanté” seine Hörer*innen in einen düsteren Strudel der Zerstörung. The St. Pierre Snake Invasion leiden mit denen, die zuhören.
Schon der Opener gibt die Richtung dieses Albums an, das die Band schon vor der Veröffentlichung einige Nerven gekostet hatte. Aufgenommen wurde das Album schon 2017 von Sean Genockey – Releasedatum ist aber nun erst im sonnigen Juni 2019. Dazwischen lagen Monate der Verzweiflung, nichts wollte so richtig passen und Genockey musste eben auch noch die aktuellen Alben von Shame udn The Who produzieren. Dann verließ zu allem Übel auch noch der Bassist Dave Larkin St. Pierre Snake Invasion. Wie passend, dass “Caprice Enchanté” ohnehin ein düsteres Album werden sollte. Dabei möchten die Briten ihr Leid vertonen, ihre verzweifelte Suche nach einer Identität als Mensch, als Musiker, als Band in einer Gesellschaft, die zwischen flüchtenden Menschen, dem Wahnsinn des Brexit und Donald Trump keinen stabilen Halt finden will. Dass sich die Selbstfindung Anfang 30 besonders schwierig gestaltet, beweisen die 13 Songs des neuesten Albums nun mit derselben brachialen Wut des Openers “The Safety Word Is Oklahoma”. Dabei schlagen die Songs aber so viele Haken, dass man auch bei diesem Album keinen richtigen Halt finden kann.
Wie ungreifbar der Sound dieser Wahnwitzigen ist, beweisen die abrupten Rhythmen- und Soundwechsel, die eine gigantische Bandbreite beweisen. So kämpft sich “Remystery” zwischen rastlos wummernden Noise-Eskapaden und melodischeren Parts in ein Finale aus düsterem Hardcore, damit “Braindead” und “Carroll A.Deering” mit weniger wütendem, dafür aber umso schmutzigerem Garage-Grunge kokettieren. Möchte man die Band aber gerade in die zermottete Grunge-Schublade stopfen, kämpfen sie sich mit krachenden Rock-Riffs im Red-Fang-Stil wieder heraus, damit “The Idiot’s Guide To Music” mit verhalltem Gesang, monotonem Schlagzeug und einer düsteren Soundgarden-Verbeugung einen erfrischenden Sound-Spagat hinlegt. Im Titeltrack bringt Frontmann Lord Damien Sayell die eigene Zerrissenheit mit “I hate it, I love it” auf den Punkt, damit dann mit sehnsüchtigem Gospel (!) (“It Gave A Lovely Light”) auf “Omens” hingeführt wird. Einem Song, der polterndes Gegrowle über künstlich kühlen Gesang schichtet, unter dem die Gitarrenwände bedrohlich schwanken, um dann kopfüber in ohrenbetäubend wummernde Löcher zu fallen, bis Sayell nur ein keuchendes “Omen, Omen, Omen” ausstößt, um ebenfalls von der Noise-Lawine überrollt zu werden.
The St. Pierre Snake Invasion sind eine ungezügelte Noise-Band aus Bristol, die zuvor schon passenderweise mit ähnlich ungebändigten Chaos-Köpfen wie Refused, Idles und Fucked Up auf Tour waren. Wer selbst daran zerbricht, in der wahnwitzigen Gegenwart, einen Halt zu finden, kann sich vom polterndem Klang von “Caprice Enchanté” begraben lassen. Bloß nicht vom zärtlich beginnenden Closer “I Am The Lonely Tourist” in eine trügerische Umarmung wiegen lassen – der nächste Noise-Untergang steht auch in den letzten Takten bevor. Einen Halt gibt es heute nicht. Da wollen die Briten auch gar nicht groß drüber hinwegtäuschen.
Und so hört sich das an:

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Rechte am Albumcover liegen bei The St. Pierre Snake Invasion.

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