Inmitten der mit Ellbogen umkämpften Musikindustrie bieten Wargirl ein kleines, unbekümmertes Fleckchen Utopie. Das Sextett arbeitet vollkommen hierarchiefrei, spielt worauf es eben Lust hat, vereint Musiker*innen aus den unterschiedlichsten Kulturen und Genres miteinander. Ihr Hauptantrieb klingt dabei so hippieesk wie die dazugehörige Musik: “Wir sind keine Fans von machthungrigen Regierungen. Wir bevorzugen Liebe, Freundlichkeit und füreinander da zu sein. Wir hoffen, dass wir etwas erschaffen, das empowernd auf andere wirkt.” Auch wenn diese doch recht genügsame Mentalität bei Wargirl weit über den wirtschaftlichen Argumenten thront, stellt das Corona-Virus auch die Welt einer so friedlichen Band auf den Kopf. Mitten in ihrer ausschweifenden Clubtour durch ganz Europa machen nach und nach erst alle Venues und dann auch noch alle Landesgrenzen dicht. Das Sextett erwischt gerade noch so einen Rückflug in die USA, bevor auch diese den kompletten Lockdown durchsetzen. Für eine kleine Indie-Band die reine Katastrophe: unbezahlte Rechnungen, fehlende Album-Promo, ein Haufen zusätzlicher Kosten. Wer also ohnehin ein Herz für das DIY-Kollektiv hat, kann die Band jetzt bei ihrer Crowdfunding-Kampagne unterstützen – Alle anderen dürfen sich jetzt neu verlieben.
Tanz in die Vergangenheit
Funk, Reggae, Psychedelic, Garage Rock, Afrobeat, R’n’B, Jazz, Disco. In der Wargirl-Kommune muss man sich gar nicht für ein Genre entscheiden, ein Vorteil, der wohl dem gemeinschaftlichen Songwriting zu verdanken ist. Der auf dem Debütalbum bereits angelegte Trademark-Sound kann jetzt schon laufen und hat sich direkt die Tanzschuhe angezogen. Denn “Dancing Gold” macht seinem Namen alle Ehre und bringt Eskapismus für all jene, denen 2020 bislang eigentlich keine Gelegenheit zum Tanzen geboten hatte. Vom plumpen Haudrauf-Gestus der heutigen EDM-Festivals sind Wargirl aber selbst im Groove-Zenith weit entfernt, die Stroboskoplichter laden sich hingegen schrittweise atmosphärisch im diffusen Jamsession-Nebel auf. Das Spiel treiben Songs wie “I Told Ya” und “Echoes” mit vielen Instrumentalschichten auf die Spitze, kann im repititiven Autofahr-Song “Drive” aber auch eine durchaus simple Grundstruktur aufweisen.
Mehr Blattgold als Protz-Klunker
Auch wenn sich Wargirl inmitten dieser Jamsessions allesamt als begnadete Musiker*innen beweisen, zeigt sich “Dancing Gold” nie selbstgefällig oder prollig. Ob im psychedelischen Schmusesong “Pretend” oder dem 70s Discostampfer “Hang On” – Samantha Parks‘ grandiose Stimme bekommt stets genau so viel Platz wie die bemerkenswerte Rhythmusabteilung und die ausschweifenden Bläser- und Gitarrenspielereien. Gerade diese friedliebende Symbiose ermöglicht es dem zweiten Wargirl-Album auch noch flüssiger ineinanderzugreifen als das Debüt aus dem Vorjahr. Parks zeigt sich weniger kratzbürstig, umgarnt stattdessen ihren Funk-Ursprung. Gemeinsam mit Produzent Mark Neill (u.a. Black Keys & Dan Auerbach) schafft das Sextett so eine kleine Lichtung inmitten des ganzen Tumults, in dem Songtitel wie “Don’t Bring Me Down” und “Hang On” wörtlich gemeinte Empowerment-Hymnen fernab von stumpfen Glückskekstexten werden. Und wer immer noch Zweifel hat, möge einfach die Rhythmen des TIteltracks hören, die selbst den größten Tanzmuffel noch ein Lächeln auf die Lippen zaubern.
Und so hört sich das an:
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Rechte am Albumcover liegen bei Clouds Hill.
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