Wer denkt die alten Metal-Hasen aus den 80ern seien in ihren Ansichten und ihrem musikalischen Horizont oft eingeschränkt, der hat wohl noch nie seinen Kopf in die Tiefen der Black-Metal-Szene gesteckt. Kaum ein Genre scheint für Außenstehende so krass von Erwartungen, Mentalitäten und Szene-Gedanken geprägt, wie der – zugegebenermaßen stark durch seine Geschichte determinierte – Anfang der 90er in Skandinavien entstandene Metal-Ableger. Ausgerechnet die teuflische Musik dieser Sparte wirft der Amerikaschweizer Manuel Gagneux – so richtig untrue – mit Gospel und Blues in einen Topf, erschafft damit etwas einzigartiges, etwas komplett neuartiges, nennt das Projekt Zeal & Ardor und mischt damit das scheinbar in seinen eigenen Ansprüchen festgefahrenes Genre komplett auf.
Gerade einmal 16 Monate sind vergangenen, seit Gagneux sein Debütalbum „Devil Is Fine“ offiziell veröffentlicht hatte (bereits ein halbes Jahr zuvor war die Platte exklusiv auf Vinyl erschienen). Mittlerweile ist der Basler um die Welt getourt, spielte in London, Paris, New York, wird im September und Oktober eine lange, ausgedehnte Tournee durch die Vereinigten Staaten spielen und im November auch wieder in den deutschen Hallen vorbeischauen. „Stranger Fruit“ heißt der zweite Langspieler des Projektes Zeal & Ardor, das als ein vom umstrittenen Internet-Forum 4chan inspiriierter Gag begann, und treibt den Gospel-Black-Metal, den man auf seinem Debüt zusammengezimmert hatte, an seine Extreme. Gleich der oberflächliche Blick auf die Tracklist zeigt, dass das zweite Album des Masterminds um einiges länger ausfällt, als das mit 27 Minuten sehr kurze Debüt. Kein Wunder, hier stehen ja auch neun gegen 16 Stücke.
Noch immer drückt Gagneux seinen schrägen Genrecocktail in knappe Drei-Minüter, die innerhalb ihrer Spielzeit gerne auch zwischen den einzelnen Stilen springen dürfen. So pendelt „Fire Of Motion“ mit seinen explosiven Riffs immer zwischen Rock, Krach-Metal und Gospel und wirkt dabei gar nicht mal so lustig, wie die Ursprungsidee des Projektes es vermuten lässt. „Stranger Fruit“ zeigt die popkulturelle Relevanz Zeal & Ardors auf, die auf „Devil Is Fine“ so oft prognostiziert wurde. So schrecken einzelne Stücke auch absolut nicht vor eingängigen Momenten zurück. „You Ain’t Coming Back“ gilt hier als Paradebeispiel. Diese etwas seichteren Abwechslungen tragen im Gesamtbild dazu bei, dass der sonderbar homogene Sound nicht zu ausgeglichen daherkommt. Hier fügen sich auch kleinere Spielereien, wie das darauf folgende elektronische Instrumental „The Fool“, ein.
Zeal & Ardor macht Black-Metal für die breite Masse genießbar. Fassen viele das häufig bewusst unkonventionell Untergenre durch seine raue Produktion, die vielen krachigen Blast-Beats und den fast schon teuflichen Gesang als zu anstrengend und schwer verdaulich auf, so zieht die Mixtur, die Gagneux hier erschaffen hat, dem Sound ein fast unbeschwertes Gewand über. Mit den Ursprüngen hat das vielleicht eher wenig zu tun, auch wenn die Einflüsse vor allem in der Hintergrundinstrumentation immer wieder durchscheinen. Um das „True-Sein“ geht es bei Zeal & Ardor aber auch nicht im geringsten. Hier will man frisch klingen, sich selber nicht zu ernst nehmen und trotzdem eine qualitativ hochwertige, neuartige Mischung Musik produzieren. „Stranger Fruit“ zeugt davon eindrucksvoll, ist trotz der längeren Spielzeit immer noch angenehm kurzweilig und kann auf Länge einfach nur begeistern. Was ein erfrischend spannendes Werk!
Das Album “Stranger Fruit” kannst du dir hier kaufen.*
Und so hört sich das an:
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Zeal & Ardor live 2018:
15.11. – München, Feierwerk
20.11. – Berlin, Columbia Theater
21.11. – Hamburg, Knust
28.11. – Köln, Essigfabrik
14.12. – Zürich, Dynamo (CH)
15.12. – Basel, Kaserne (CH)
Die Rechte für das Albumcover liegen bei Radicalis / MVKA.
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