Grease, Theater Dortmund, 08.11.2025

grease theater dortmund c Leszek Januszewski

Das Theater Dortmund ist längst zu einem der führenden Spielstätten des Landes geworden, die jährlich eine aufregende Musicalproduktion auf dem Plan haben, die schnell für Furore sorgt und zig Menschen aus dem gesamten Bundesland und darüber hinaus anzieht. Dabei gibt es vor allen Dingen häufiger auch Stücke, über die sich die Musical-Bubble besonders freut und nicht ganz genreaffine Theatergänger*innen mal zwei, drei Infos mehr zur Einordnung brauchen. 2025/26 schlägt man aber einen ganz anderen Weg ein und spielt eines der wohl fünf bekanntesten Musicals aller Zeiten: Grease.

Seit 1971 existiert der Rock’n’Roll-Hit und hat über fünf Dekaden lang Millionen von Menschen weltweit begeistert. Besonders die Verfilmung mit Olivia Newton-John und John Travolta in den Hauptrollen aus 1978 machte den Stoff zum Megahit. Der dazugehörige Soundtrack gehört bis heute zu den zehn bestverkauften Alben aller Zeiten – lediglich die Soundtracks zu „Saturday Night Fever“ , das seine neuste Tour hierzulande gerade beendet, und „Bodyguard“ liefen noch etwas besser. Doch mit 38 Millionen verkauften Exemplaren des Albums, ungefähr 397 Millionen Dollar durch den Kinofilm sowie Platz 11 der meistgespielten Stücke am Broadway, kann man hier glasklar von einem Ausnahmeerfolg sprechen. Auch in Deutschland läuft Grease sehr regelmäßig seit 1995. Kurz zuvor hatte es seine deutschsprachige Erstaufführung in Wien, der längste Longrun war für fast drei Jahre Ende der 90s im Capitol Theater in Düsseldorf.

Heißt: Die Wahrscheinlichkeit, dass man Grease kennt, liegt bestimmt bei 99 Prozent. Die Musik läuft immer noch auf Retropartys, Musical-Fans können die besuchten Produktionen nicht mal mehr zählen und selbst sämtliche Nicht-Musical-Fans haben den Film mal beim Zappen auf Kabel1 gespotted und somit eine ungefähre Ahnung, was abgeht. Allerhöchstens „Dirty Dancing“ und die „Rocky Horror Show“ können vom Bekanntheitsgrad hier mithalten. Somit scheint das Theater Dortmund diese Saison nicht nur sein Stammpublikum und Musical-Fans locken zu wollen, sondern eigentlich jeden Menschen, der sich auch nur einen allerkleinsten Hauch für Musik- oder Filmgeschichte interessiert.

Und das ist einerseits ziemlich unnötig, waren nämlich sämtliche Musicalproduktionen der letzten Jahre immer Wochen im Voraus bis zur letzten Vorstellung ausverkauft – und andererseits ist das auch einfach etwas öde. Eben die speziellere Auswahl und die damit einhergehende Überraschung beim ersten Besuch haben das Musical-Feeling in den letzten Jahren in einem der renommiertesten Opernhäuser des Landes ausgezeichnet. Grease konnte man erst dieses Jahr auf großer Tournee sehen, darunter auch einen Stopp im nicht weit entfernten Oberhausen. Dort lief sogar die Londoner West-End-Produktion auf Englisch. Ok, kann nicht jeder verstehen, somit darf man es gern in den Dialogen auch mal wieder auf Deutsch zeigen, aber es ist bestimmt einleuchtend, was wir sagen möchten.

Egal – am Ende zählt natürlich nicht nur die Auswahl an sich, sondern sehr viel mehr die Umsetzung. Wie erwartet zeigt das Theater Dortmund in der ersten Vorstellung vor ausverkauftem Haus am 8.11., einem Samstag, dass man sich besonders in Sachen Aufwand mal wieder enorm viel Mühe gegeben hat. Gerade in der Requisite sowie im Kostüm ist Grease genauso poppig und old-schoolig Amerikanisch, wie man es wünscht. Mit einem fetten Cadillac-Oldtimer auf der Bühne können sogar Autofans für einige Sekunden mal richtig losschmachten. Dazu gibt es coole Szenenbilder mit einem Swimmingpool, einem rauchenden Grill, vielen Schulspinten, die umfunktioniert werden können, pinken Mädchenzimmern und einer sehr hübschen Hairstyling-Sequenz mit lustigen Kopfbedeckungen zu „Beauty School Dropout“.

Wie schon erwähnt sind die Dialoge auf Deutsch, die Song hingegen bleiben auf Englisch, werden jedoch auf Deutsch übertitelt. Grease ist besonders in der breiten Masse dermaßen ein Selbstläufer, das schon nach dem Opening das Publikum richtig laut jubelt und viele Gelegenheiten nutzt, um für Zwischenapplaus zu sorgen. Einige Momente sind auch wirklich toll gelungen, insbesondere die wahnsinnig dynamische Schlussszene im ersten Akt zu „We Go Together“. Wenn hier locker 30 Personen gleichzeitig eine dermaßen starke Choreo tanzen und ein sehr rundes Gesamtbild ergeben, ist das wirklich mitreißend. Die Songs sind, auch wenn man sie im Leben schon 200x zu oft gehört hat, im Liveerlebnis mit guter Optik immer noch Banger und sorgen für einen Endorphin-Kick. Beim großen Finale zu „You’re The One That I Want“ stehen immer mehr Besucher*innen auf und singen und tanzen lauthals mit. Schön.

Dennoch schafft es der Gesamteindruck nicht über das Prädikat „solide“ zu kommen. Zwar ist neben den vielen Wechseln, die auf der Stage geschehen, besonders die Choreografie äußerst positiv zu loben, doch an einigen anderen Stellen bleibt man dann hinter den Erwartungen ein wenig zurück. Das überwiegend in Pastellfarben gehaltene Bühnenbild ist in seiner Grundausstattung ok, aber nicht mehr. Hätte durchaus verspielter daherkommen können. Die beste Idee ist der nicht besetzte Orchestergraben, der für einige Szenen als Abgang genutzt wird, sodass die Cast auch mal am Publikum vorbeiziehen kann. Die Band selbst befindet sich ins Bühnenbild integriert hinter einer Wand gegenüber der Zuschauer*innen. Der Ton hat leider zum wiederholten Male am Anfang große Probleme und klingt wahnsinnig hallend, flach und braucht bestimmt eine Viertelstunde, um sich zu erholen. Einige Male sind Mikrofone zu spät an. Zusätzlich gibt es einen fast schon irritierend großen Fail im ersten Akt: Zu „Freddy My Love“ wird dermaßen viel Nebel gesprüht, dass die gesamte Szenerie nicht mehr erkennbar ist und die Darstellerinnen hinter dem Rauch verschwinden. Trotzdem wird mehrfach während der drei Minuten nochmal nachgeschossen. Ganz komisch.

Wo wir beim Stichwort Darsteller*innen wären: Die Cast ist super. Mit vollem Elan und Spielfreude wird hier richtig Power gegeben. Radschläge, Salti, Jive – das braucht Energie und die wird von allen serviert. Philipp Büttner als Danny Zuko zeigt eine liebe, nicht zu glatte und zu draufgängerische Interpretation, die mit genug Sympathie dargeboten wird, ohne sich permanent in den Mittelpunkt zu spielen. Gesanglich gibt es von ihm am Abend die beste Performance, sein „Sandy“ ist der stärkste Vocal-Moment in der Premiere. Sowieso ist seine Chemie zu Antonia Kalinowski, die zuvor in den Dortmunder Produktionen in kleinen Rollen zu sehen war und jetzt mal richtig auftrumpfen kann, wirklich glaubwürdig. Antonia als Sandy ist zurecht unter den Frauen die Hauptprotagonistin und verleiht ihr optisch wie stimmlich viel Klasse. Zwischendrin hat sie ein paar beeindruckende Dance-Breaks, mit denen man sicher auch nicht rechnen konnte. In „Hopelessly Devoted To You“ hat sie ihren großen Soloauftritt, den sie gefühlstechnisch gut meistert, aber an der einen oder anderen Stelle ruhig mal etwas belten könnte. Sehr rund ist das trotzdem.

Da auch viele andere Figuren ein Stück für sich allein haben, ist es hier nahezu unmöglich, alle aufzuzählen. Ob „Those Magic Changes“, „Mooning“, „Look at Me, I’m Sandra Dee“, „There Are Worst Things I Could Do“ oder auch „Greased Lightnin'“ – das sind natürlich alles Musical-Classics sondergleichen, die von dem Großteil gut interpretiert werden. Etwas ins Hintertreffen gerät David Jakobs mit seinem Cameo als Vince Fontaine und dem Song „Born To Hand Jive“. Das ist zwar irgendwie schräg und lustig, für einen Darsteller seines Kalibers aber doch underwhelming. Da wäre ihm „Beauty School Dropout“ eher gegönnt gewesen, damit er auch klar im Fokus steht und emotional etwas zeigen kann. Schade.

Am Ende ist die Dortmund-Inszenierung recht berechenbar, typisch und generisch. Wahrscheinlich hätte sie vor zehn, 15 oder 20 Jahren genauso ausgesehen, es hätten nur andere Menschen gespielt. Und das ist etwas bedauerlich, liefert man nach dem phänomenalen, anspruchsvollen und qualitativ so hochwertigen „Sweeney Todd“ aus der letzten Saison jetzt sehr leicht verdauliche und nie aneckende oder gar überraschende Kost, um Kenner*innen des Stücks das besondere Quäntchen an Aufmerksamkeit zu entlocken. Wenn schon Grease, dann entweder komplett anders und neuartig oder so überragend gut, dass es für ewig im Gedächtnis bleibt und Dortmund einen weiteren Signature Move sein Eigen nennen darf. So ist es eher eine Grease-Produktion von vielen.

Wer Grease sehr liebt, bekommt eine gelungene Inszenierung. Falsch macht man mit einem Besuch nichts. Wer Grease merkwürdigerweise noch nie gesehen hat, kann sich von dem Sound mitreißen lassen und zwei je 65 Minuten andauernde Akte erleben, in denen es mindestens zwei Hand voll Hits zu hören gibt, die man auch noch Stunden nach der letzten Note mit sich herumträgt. Wer aber Grease schon mehrfach gesehen hat und von der Materie etwas müde ist, kann die Musicalproduktion im Theater Dortmund diese Spielzeit skippen.

Weitere Termine:
15.11., 23.11., 29.11.,
04.12., 07.12., 13.12., 21.12., 31.12.,
10.01., 23.01., 30.01.,
08.02., 14.02., 20.02.,
01.03., 07.03., 14.03., 18.03., 19.03., 28.03.,
02.04., 06.04., 12.04.
Vorstellungen jeweils um 19:30 Uhr
Ausnahmen: 23.11. 18:00 Uhr, 07.12. 16:00 Uhr, 21.12. 16:00 Uhr, 31.12. 15:00 Uhr & 20:00 Uhr,
08.02. 18:00 Uhr, 06.04. 18:00 Uhr, 12.04. 14:30 Uhr & 19:30 Uhr

Und so sieht das aus:

Website / Facebook / Instagram / Threads

Foto von Leszek Januszewski

* Affiliate-Link: Du unterstützt minutenmusik über deinen Einkauf. Der Artikel wird für dich dadurch nicht teurer.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert