RTL sorgt bekanntlich eher für Trash-TV als für anspruchsvolle Unterhaltung. Dass aber auch Shows Erfolg haben können, die nicht nur zum Lachen über Andere gemacht worden sind, sondern sich mehr auf Entertainment mit schönen Emotionen konzentrieren, beweist der Publikumsliebling Let’s Dance. Bereits 13 Jahre lang zeigte die Tanzshow in insgesamt zwölf Staffeln, dass Standard- und Lateintänze keinesfalls aus der Mode gekommen sind, sondern aktueller denn je. 139 Promis präsentierten mal mit mehr, mal mit weniger Erfolg, was aus ihnen alles herauszuholen ist, wenn sie über einige Wochen mit professionellen Tänzern – bisher 48 an der Zahl – Choreos üben und diese vor Publikum aufführen. Das sorgt nicht nur für Erfolgsgefühle bei den Teilnehmern, sondern ganz besonders für traumhafte Einschaltquoten.
Dementsprechend riesig ist auch immer der Run auf die Tickets, um ins Studio zu kommen. Seit einigen Jahren braucht man eine gewisse Portion Glück, werden die Zuschauer nämlich per Losverfahren ausgewählt, um Karten kaufen zu dürfen. Deswegen und um der Show noch weitere Facetten zu verleihen, wurde vor ziemlich genau einem Jahr etwas Neues verkündet: Let’s Dance – Die Live-Tour 2019. Große Arenen mit Tausenden von Fans. Spätestens zur neuen Staffel, die im März lief, war auch hier klar: auch diese Plätze sind schneller belegt, als man gucken kann.
Doch leider hagelte es im Laufe des Jahres besonders in den sozialen Medien Kritik. Die Live-Tour wurde als eine Show angepriesen, in der die beliebtesten Promis und Profitänzer mitmachen werden, ergänzt durch die allseits beliebte Jury um Joachim Llambi, Motsi Mabuse und Jorge Gonzalez, moderiert von Daniel Hartwich, der seit Staffel 3 als Host dient. Statt aber mit großen Namen die Vorfreude zu steigern, kam eine negative Nachricht nach der nächsten. Mit Ekaterina Leonova soll nicht nur die amtierende Gewinnerin unter den Profis fehlen, die dazu gleich alle drei letzten Staffeln für sich entscheiden konnte, sondern auch der nicht weniger gefragte Christian Polanc, der seit Staffel 2 und somit über zehn Jahre fest zum Ensemble gehört. Zusätzlich sagten lediglich fünf Promis der letzten Staffel zu – der Rest sei nicht interessiert oder anderweitig mit Terminen zu. Und zu schlechter Letzt: selbst Motsi Mabuse ist bei zwei Shows nicht anwesend, weil sie samstags stattdessen in der Jury von „Strictly Come Dancing“, der englischen Ausgabe, sitzt. Oh oh.
Logischerweise waren so einige Käufer der Karten sauer, bevor sie die Show gesehen hatten. Ein klares Konzept war noch nicht bekannt gegeben und das Teilnehmerfeld schrumpfte gefühlt wöchentlich. Umso schöner ist es doch, dass das Ergebnis der Tour das genaue Gegenteil beweist. Bei Let’s Dance – Die Live-Tour 2019 wird genau das geboten, was man erwartet, sieht man über ein paar Mankos hinweg.
Der ISS Dome ist am 14.11.2019 die Anlaufstelle für den fünften von insgesamt 17 Gigs. Nahezu alle Shows melden ausverkauft. Bei ein paar wenigen darf man auf Restkarten hoffen, wie in Düsseldorf. 7000 Zuschauer möchten Let’s Dance live und nicht vorm Fernseher erleben und machen sich größtenteils schicker gekleidet auf den Weg. Das Publikum ist, wie man es sich vorstellt, bunt gemischt, durchschnittlich wohl Mitte 40. Um kurz vor 20 Uhr meldet Patrick Linke, dass es in wenigen Minuten losgeht. Wer ist denn das? Sein Name mag kaum jemandem einen Begriff sein – seine Stimme umso mehr. Er ist seit Jahren Kommentator im TV und sorgt auch hier für ein paar griffige und witzige Zwischenmoderationen, die zwar vom Band kommen, aber trotzdem direkt für Atmosphäre sorgen.
Die Bühne reicht fast bis zum Ende des Innenraums. Zunächst eine hohe Stage mit Jurypult und riesiger Glitterwand im Hintergrund, davor ein kleiner Steg und zuletzt ein riesiges Tanzparkett, das locker doppelt so groß ist wie im TV-Studio. Der Innenraum ist bestuhlt und holt einige Fans ganz nah ran – allerdings darf man bei Preisen von bis zu 250€ für Reihe 1 etwas tiefer in die Tasche greifen. Neben der Bühne gibt es zwei Leinwände, auf der das Publikum mit „Guten Abend Düsseldorf“ in Empfang genommen wird. Wer sich im Saal umschaut kann außerdem bereits ein paar schöne Requisiten entdecken, die Glamour versprechen.
Um 20:05 Uhr wird es dann auch dunkel und die Show beginnt mit einem catchy Zusammenschnitt, der zeigt, was man an Let’s Dance alles mag. Daraufhin eröffnen die 14 Profitänzer – Christina Luft, Marta Arndt, Massimo Sinató, Robert Beitsch, Kathrin Menzinger, Vadim Garbuzov, Valentin Lusin, Renata Lusin, Erich Klann, Isabel Edvardsson, Andrzej Cibis, Katja Kalugina, Victoria Kleinfelder & Dimitri Boog –, von denen zwölf bereits in der TV-Show mitgewirkt haben, mit einem 90s-Medley und sorgen für erste große Applausszenen. Gerade das ständige Zurufen von Namen der Profis zeigt, dass sie teilweise schon längst prominenter sind als die als Promis deklarierten Kandidaten. Abgerundet und sogar nochmal aufgewertet wird das Ensemble durch den Akrobaten Sergey Mishchurenko, der zeigt, dass Pole Dancing definitiv mehr Sport als ein bisschen erotisches Rumwackeln ist.
Daniel Hartwich sorgt in der 155 Minuten langen Show, die durch eine 25-minütige Pause unterbrochen wird, für gewohnte Lacher, die gerne gegen Herrn Llambi gerichtet sind. Sich selbst nimmt er auch nicht zu ernst und holt schnell das Publikum bis in der letzten Ecke ab. Schade nur, dass viele seiner Gags in der fünften Aufführung schon ein wenig zu auswendig gelernt erscheinen. Das sollte er etwas besser verstecken können. Charismatisch bleibt er trotzdem.
Jorge, Motsi und Llambi sind, wie man es aus dem TV-Format kennt, ein eingespieltes Team und geben jede ihre persönlichen Nuancen. Ihre Kommentare gleichen denen aus dem Fernsehen und wirken wenig abgespeckt. Einige Momente ergeben sich authentisch spontan und sorgen sowohl auf seitens der Zuschauer als auch auf seitens der Jury für großes Gelächter. Wirklich erfrischend!
Doch was genau sehen wir denn nun in den zweieinhalb Stunden? Sechs Paare, die jeweils zwei Tänze zeigen, die sie bereits in ihrer Staffel getanzt haben – dazu im Originaloutfit und mit fast allen Bühnenelementen. Tänze und Promis bleiben bei allen Vorführungen die Gleichen, ausscheiden kann hier niemand. Einen besonders starken Teil der Live-Tour macht aus, dass in der Requisite absolut nicht gespart wurde. Jede Choreo hat ein eigenständiges Element, alle paar Minuten wird umgebaut. Nur so entsteht ungefähr das Feeling, was man auch beim Zuschauen von der heimischen Couch aus erlebt.
Pascal Hens aka Pommes durfte trotz seiner Körpergröße von 2,03m dieses Jahr den Pokal mit nach Hause nehmen. Seine Partnerin Ekaterina Leonova ist bekanntlich nicht dabei und wird stattdessen durch Renata Lusin ersetzt. Seine Qualität leidet keinesfalls darunter. Einer seiner Tänze erhält 30 Punkte – für Nichtkenner: das ist die Höchstwertung –, was an dem Abend nur 2x passiert. Oliver Pocher darf mit seiner Partnerin Christina Luft die meisten Lacher einsacken und erntet aufgrund seines Unterhaltungsfaktors großen Applaus, aber auch bei seinem ersten Tanz die wenigsten Punkte des gesamten Abends. Ähnlich lustig wirkt Reality-TV-Star Evelyn Burdecki, die auch ihren Originalpartner Evgeny Vinokurov abgeben musste und nun Valentin Lusin an der Seite hat. Ihr Tanz ist faktisch am wenigsten enthusiastisch und nahezu langweilig. Dafür lockern ihre naiv-dümmlichen Sprüche in den Smalltalks auf. Rebecca Mir ist die einzige, die nicht in der letzten Staffel, sondern bereits vor sieben Jahren in der 5. Ausgabe dabei war und dort mit Massimo Sinató ihren Ehemann kennenlernte. Sie sind erstmalig für die Live-Tour wieder gemeinsam auf dem Parkett und zaubern sowohl mit ihrer Salsa auch ganz besonders mit dem Tango für die höchste Qualität. Lediglich Sabrina Mockenhaupt aka Mocki bleibt mit Erich Klann farblos. Trotz Sympathie ist sie die austauschbarste Kandidatin am Abend. Sie tanzt ok, aber wenig fesselnd.
Den Abschluss der Paare bilden Isabel Edvardsson und Benjamin Piwko. Zwar reichte es für die Beiden im TV im März nur für Bronze, dafür nehmen sie in Düsseldorf nach Dortmund bereits das zweite Mal den Stadtpreis mit nach Hause. Denn auch für Interaktion ist gesorgt: die Jury vergibt ihre bekannten Punkte – am Ende entscheidet aber das Publikum im Saal per Handy, wer gewinnen soll. Piwko, der seit seinem achten Lebensmonat taub ist, tanzt nahezu genauso perfekt wie seine Konkurrenten, schafft aber mit seiner Rumba zu „Shallow“ den Gänsehautmoment des Abends und darf sich somit zurecht einen Let’s Dance-Gewinner der Herzen schimpfen.
De facto bekommt der Zuschauer zwölf Paartänze, fünf Choreos der Profis in allen möglichen Stilen und sogar einen Mitmachtanz, bei dem er selbst vom Platz aus mitwirken kann. Optisch gibt es bunte Farben, Feuerelemente, Pyros, Konfettikanonen, Kronleuchter, Käfige und eine übergroße Discokugel. Die Let’s Dance – Live-Tour 2019 hat ihre Feuerprobe bestanden, sorgt für fast drei Stunden tolle Unterhaltung, stellt keine großen Absperrungen in den Innenraum, sodass man sämtlichen Mitwirkenden fühlbar nahekommt und hat alle wichtigen Elemente des beliebten Formats vereint. Kleine Verbesserungsvorschläge: eine rechtzeitige Ankündigung, wer mitmacht; vielleicht zwei Promis mehr und etwas mehr Varianz in den ausgewählten Tänzen, da ein Cha Cha, ein Contemporary, ein Slowfox oder eine Samba gänzlich fehlten. Ach ja, und Düsseldorf mag zwar für Evelyn Burdecki, Valentin Lusin und Joachim Llambi ein Heimspiel sein – respektlos sind die Zuschauer trotzdem. Beim letzten Applaus sind locker die Hälfte der Gäste bereits nicht mehr in der Halle und auf dem Weg zum Auto. Düsseldorf macht sich als versnobte Stadt mal wieder einen Namen… schade! Doch für den ersten Versuch, nach so langer Zeit die Show mal outzusourcen, ist das Programm mehr als zufriedenstellend. Karten für die 19 Termine für November 2020 sind schon im Verkauf und wir sehr gerne wieder dabei.
Und so sieht das aus:
Website / Facebook / Instagram
Bild von Christopher.
* Affiliate-Link: Du unterstützt minutenmusik über deinen Einkauf. Der Artikel wird für dich dadurch nicht teurer.