Rock the Ballet X, Colosseum Theater Essen, 08.02.2019

Rock the Ballet X Essen

Über eine Million Zuschauer, 800 Aufführungen, eigene Show im Londoner Westend – klingt doch alles äußerst vielversprechend, oder? Die Erwartungen an das zehnjährige Jubiläum von Rock the Ballet, genannt Rock the Ballet X liegen dementsprechend hoch. Leider zu hoch. Und zwar um einiges zu hoch.

Dabei stimmen die Basics soweit. Ballett einem jungen Publikum zugänglich zu machen, ist absolut keine schlechte Idee. Ausgewählt werden dafür bekannte Pop-Klassiker und aktuelle Charthits, präsentiert von zehn Tänzern. Sieben Männer, drei Frauen. Optisch stark unterschiedliche Typen, alle aber natürlich wirkliche Hingucker. Jeder von ihnen wurde in den USA an renommierten Schulen ausgebildet und darf bei der aus New York stammenden Show mittanzen.

Die Tour führt über zwei Monate durch ganz Deutschland und hält am 8. und 9.2. in Essen, wovon minutenmusik am ersten Tag mit dabei ist. Das Colosseum ist gut gefüllt und zeigt ein bunt gemischtes Publikum. Sowohl Alter als auch Geschlecht scheinen ausgewogen, wobei sich die Show wohl am ehesten an 20- bis 40-jährige wendet. Mit wenigen Minuten Verspätung geht es um 20:05 Uhr los.

Was genau erwartet mich in der Show? Außer den Tänzern und der Musik überraschend wenig. Ab und zu ein paar Requisiten, eine Hand voll Videoillustrationen auf der Leinwand, Scheinwerfer und recht einfach gehaltene Kostüme. Insgesamt ist Rock the Ballet X also außergewöhnlich spärlich ausgestattet. Wäre kein Problem, wenn das Programm stimmen würde. Tut es aber entschieden zu wenig.

Die Musik stellt ein wirklich abwechslungsreiches Potpourri dar. Maroon 5, Madonna, Justin Timberlake, Lady GaGa, Janet Jackson, Bruno Mars, Queen, Lorde, Michael Jackson, Rihanna, Adele und noch viel, viel mehr. Eigentlich alles, was Rang und Namen hat. Allerdings fehlt es der gesamten Show an Konzept. Zunächst scheint bei der Tontechnik wenig Mühe angesagt zu sein, sodass mehrere Songs zwischendrin einfach mal lauter oder leiser werden und der Sound nicht gut ausgepegelt klingt. Die Tracks reihen sich willkürlich aneinander ohne erkennbaren Aufbau. Das ist soweit noch ok. Dass die Choreos aber zu 90% nichts mit der Musik zu tun haben, ist wiederum enttäuschend. Äußerst viele Songs können gegeneinander ausgetauscht werden. Würden morgen die gleichen Tänze zu anderen Liedern laufen, würde es keiner merken. Genau hier liegt der größte Kritikpunkt: Michael Jackson hört man dreimal. „Beat It“, „Don’t Stop ‘Til You Get Enough“, „Black or White“. Bis auf sehr wenige Tanzschritte erkennt man ihn aber nicht. Ja, es ist keine Tribute-Show. Aber was erwartet ihr, wenn ihr einen Tanz zu „Mirrors“ von Justin Timberlake seht? Entweder eine Umsetzung des Textes oder eine Annäherung an Justin. Könnte man sehr geil mit Spiegelungen machen, ist nur beides nicht vorhanden. Auch bei „Born This Way“ von Lady GaGa nicht. Weder Lady GaGa-Schritte, noch eine Veranschaulichung der Lyrics.

Genau diese Tatsache macht die mit 80 Minuten (inklusive Zugaben!) äußerst kurz gehaltene Show trotzdem ziemlich langweilig. Das hat wenig mit den Tänzern zu tun. Die wirken zwar auch nicht grade top gelaunt und stattdessen etwas lustlos, tanzen aber zumindest gut, wenn auch nicht sehr gut. Das Aufkommen nach Sprüngen fällt stets leise und grazil aus. Dass die Männer mehrmals oben ohne und Frauen in Unterwäsche tanzen, ist wiederum unnötig. Der eine oder andere Flickflack, der außergewöhnlich endet, mehrere freihändige Saltos oder Pirouetten sind das Gegenteil von schlecht und beeindrucken auch mal, gehen aber völlig unter. Gefühlt hat man nach zehn Minuten alles von der Show bereits gesehen, eine Steigerung fällt komplett aus. Die Zugabe könnte das Opening sein und umgekehrt. Mehrere Bilder wiederholen sich, teilweise sogar komplette Tanzsequenzen. Unzählige Male starten Songs mit Licht auf der Bühne und keiner ist zu sehen, gerne mal 30 Sekunden lang. Wenn es dann los geht, passiert in etwa immer das Gleiche: ein paar Sekunden Solo, Tänzer ab, anderer Tänzer hin, dann werden es ein paar mehr Leute, hier und da dann Unisono. Warum nicht mehr Solo oder Duette? Warum nicht mal ein wirklicher Paartanz? Überraschungen sind so rar gesät, dass sie über weite Strecken Leere nicht hinwegtäuschen können. Gute Momente bekommt die Show beim Hip Hop-Freestyle zu „24k Magic“ von Bruno Mars oder mit einem Fächertanz zu Madonnas „Vogue“. Umso trauriger ist es, wenn zu wirklich tollen Songs wie „Rolling in the Deep“ von Adele einfach nichts passiert und man das Gefühl bekommt, die Abschlussaufführung einiger Ballettstudenten zu sehen. Auch kostümtechnisch wird wenig aufgefahren. Eine Tänzerin hat zu allen ihrer drei Soli das gleiche Outfit an – warum? Außer der Leinwand, die sich teilen lässt, geschieht auf der großen Colosseum-Bühne nichts, sodass in vielen Momenten die Tänzer arg verloren wirken.

Fazit: Rock the Ballet X ist eine Show mit einer coolen Grundidee und einer total mauen Umsetzung. Der Applaus fällt zum Ende hin trotzdem relativ groß ist. Wahrscheinlich fehlt es dem Publikum an Vergleichen. Für gutes Ballett nicht anspruchsvoll genug, für eine Tanzshow nicht spektakulär genug, für ein abendfüllendes Programm zu kurz. Schade.

Tickets für die Tour gibt es hier.*

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