„Ich hatte die beste Zeit meines Lebens und fühlte so noch nie zuvor“ – danke, dass diese platte Übersetzung dem Publikum erspart bleibt und stattdessen der womöglich berühmteste Partnertanz der Welt auch in Deutschland weiterhin „Time Of My Life“ heißen darf. Dirty Dancing – Das Original Live on Tour macht seinem Namen alle Ehre und entscheidet sich dafür, in allen Bereichen möglichst nah an der Filmvorlage zu bleiben, was auch richtig gut funktioniert.
Acht Städte stehen bis Mitte März noch auf dem Programm, vorher ist bis zum 10.2. Stopp in Düsseldorf. Das Capitol Theater zeigt immer wieder, dass es für solche Produktionen schlichtweg eine perfekte Location ist. Schönes Ambiente, leicht gehobenes Publikum und eine ideale Saalgröße. Die Preview am 31.1. ist, trotzdem sie mitten in der Woche liegt, gut besucht. Gleich zu Anfang wird laut applaudiert. Zwar wird sich bis zum Finale brav in den Sitzen gehalten, aber dafür einige Male frenetisch geklatscht und lauthals gelacht, wenn der Moment doch komisch wirkt – beabsichtigt oder nicht.
Auf der Bühne passiert für eine Tourproduktion ungemein viel. Die wohl wichtigste Frage, sollte gleich am besten für jeden Besucher vorher geklärt sein: Ist es ein Musical? Die Antwort ist: Jein. Es hat Musicalelemente, ist aber eben nicht Musical im ursprünglichen Sinne. Es heißt ja auch nicht Dirty Dancing – Das Musical. Gesungen wird von ein paar Sängern, die nur kleinere schauspielerische Rollen einnehmen und gehäuft am Rand der Szene erscheinen. Einige Songs kommen sogar vom Band und laufen als Hintergrundmusik. Die Tänzer machen hingegen auch nur das, was sie gut können, nämlich Tanzen oder Schauspielern. Das klingt enttäuschend? Ist es aber gar nicht. Stattdessen wird eine glaubwürdige und dem Film fast identische Kulisse auf die Bühne gebaut, die sich im Minutentakt ändert, in alle Richtungen beweglich ist und auf der Rückseite anders aussieht als von vorn. Die Kostüme sind originalgetreu nachgemacht, die Dialoge fast 1:1 übernommen, sodass Fans des Films öfter Schmunzeln werden und denken „Ach ja, das ist auch so eine coole Stelle“. Eben genau für solche Leute ist die Show entwickelt worden – für Fans. Die Wassermelone, der letzte Tanz der Saison oder „Mein Baby gehört zu mir“ sind Popkultur.
Den Film vorher nochmal anzugucken, ist also gar keine schlechte Idee, aber nicht zwangsläufig notwendig. Dirty Dancing ist auf der Bühne einfach leichte und dennoch tolle Unterhaltung, die einen durch viele Effekte aus dem Alltag abholt. Besonders aufregend ist es natürlich, wie die berühmte Probe im See auf der Bühne funktioniert oder der Tanz auf dem Baumstamm umgesetzt wird – nur so viel: beides klappt wunderbar! Genau hier liegen halt die Stärken des Stücks – in der Überraschung, wie nah man einem Film kommen kann, wenn man sich richtig Mühe gibt. Da der Film mit einer Spiellänge von unter 100 Minuten ein wenig kurz für ein Bühnenstück ausfällt, wird die Handlung um knapp eine halbe Stunde verlängert, sodass bei zwei Akten mit fast 130 Minuten Spielzeit das Musical eine reguläre Länge aufweist.
Leider gibt es in der Vorstellung jedoch auf technischer Seite ein paar Punkte Abzug. Auf der Seite der Darsteller läuft zwar alles glatt – dafür im Ton vieles weniger. Bei fast jedem gesungenen Song sind die Mikros zu spät an und werden nach einigen Worten eingefaded. Das ist ein- oder zweimal nicht außergewöhnlich, hier aber definitiv zu oft. In einer Szene gibt es sogar so starke Aussetzer, dass im Publikum angefangen wird genau darüber zu tuscheln. Ungünstig.
Dafür ist bei den Sängern alles im Lot. Zwar wackelt bei „In the Still of The Night“ der eine oder andere Ton – dafür klingen „Yes“, „De Todo un Poco“ und auch „Time of my Life“ äußerst gelungen. Warum „She’s Like The Wind“ und „Hungry Eyes“ als zwei Aushängeschilder des Soundtracks nicht live gesungen werden, bleibt ein Rätsel und ist wirklich nochmal zu überdenken. Mehr als nur schade! Bei den Tänzern fällt besonders Petra Ilsa Dam als Penny auf. Obwohl sie nur eine größere Nebenrolle spielt, ist ihre Präsenz enorm. Luciano Mercoli als Johnny kommt gerade optisch dem Filmdarsteller Patrick Swayze wesentlich näher als Erstbesetzung Máté Gyenei, kann tänzerisch aber leider nicht mithalten. Dafür war sein Schauspiel der Rolle entsprechend. Victoria Kaspersky als Hauptrolle Baby ist hingegen schauspielerisch eher mittelprächtig, dafür aber tänzerisch und äußerlich einer Baby würdig und zeigt eine authentische Entwicklung von einem Trampel zur grazilen Tänzerin. Außerdem auffallend sind die überspitzten und damit genau richtigen Darstellungen von Ahou Nikazar als Lisa und Erik van Hoof in der Rolle des Billy.
Fazit: Bitte lasst „Hungry Eyes“ und „She’s Like The Wind“ live singen und tauscht den Tontechniker! Alles andere läuft bei Dirty Dancing – Das Original Live on Tour genau so ab, wie es dem Kultfilm würdig erscheint und sorgt für romantische, verzaubernde, lustige und gute Unterhaltung dank einer angenehmen Kombination aus Musical, Tanzshow und Theater.
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