So war das PULS Open Air 2018!

Frühanreise? 15 €. Parken? 20€. Am Festivalgelände zelten? 50€.

Eintrittspreis? Nahezu unbezahlbar.

Viele Festival-Fans beschweren sich, dass die großen Veranstaltungen des Sommers immer kommerzieller werden und ihren Fokus immer weniger auf gute Bands und eine ausgelassene Stimmung legen. Vielmehr wirken die großen Musikveranstaltungen mittlerweile oft so, als seien sie nur darauf ausgerichtet, den Musik-Fans möglichst viel Geld aus der Tasche zu ziehen.

Umso schöner ist es, Festivals wie das wunderschöne PULS Open Air zu entdecken, das dieses Jahr zum dritten Mal auf Schloss Kaltenberg in der Gemeinde Geltendorf in Bayern stattfand. Von kommerziellen Machenschaften keine Spur – stattdessen lockte das Open Air mit einer einzigartigen Location und über dreißig großartigen Bands auf fünf Bühnen.

Ganz traditionell befindet sich Schloss Kaltenberg im Besitz von Luitpold Prinz von Bayern, der das Anwesen nicht nur für das PULS Open Air, sondern häufig auch für Ritterturniere zur Verfügung stellt. Beim Betreten der Location fühlte man sich direkt in alte Zeiten zwischen Robin Hood und Game Of Thrones zurückversetzt – ein ganz besonderer Charme. Rund 9.000 Besucher, deren glitzernde Outfits teilweise an das amerikanische Coachella Festival erinnerten, genossen vom 08. bis 09. Juni 2018 nicht nur musikalische Highlights, sondern wurden auch mit einem breitgefächerten Rahmenprogramm bei Laune gehalten. Zwischen einem außergewöhnlichen Angebot an Essens- und Getränkeständen, das vor allem auch vegane Herzen höher schlagen ließ, fanden in den alten Scheunen des Geländes verschiedene Workshops statt. Wem Veranstaltungen á la “Wie erkenne ich Fake-News” oder “How to Instagram” zu hip waren, der konnte sich auch bei Workshops wie “musicBYwomen – Mehr Frauen in die Musik(wirtschaft)!” oder “Nachhaltiger Leben – Impulse für deinen Alltag” ein bisschen weiterbilden. Für sportlich begeisterte Musikfans fanden zudem einige Yoga-Kurse und ein BMX-Contest statt.

Doch nicht nur das Rahmenprogramm des PULS Open Air konnte sich in diesem Jahr sehen lassen. Auf insgesamt fünf Bühnen erwarteten die Besucher die unterschiedlichsten Musikacts. Während sich einige davon auf elektronische Musik und DJ-Acts spezialisiert hatten, gab es zum einen die Kügelbühne, die in einer Art Freiluftarena die größte Bühne des Festivals ausmachte, und die Pyramidenbühne, die etwas kleiner und familiärer gehalten war. Auf diesen beiden Schauplätzen wechselten sich an zwei Tagen die musikalischen Highlights des Puls Open Air ab:

** Bands – Tag 1 – Freitag **

In der prallen Mittagssonne wurde das Festivalwochenende von den Chemnitzer Indie-Pop-Neulingen BLOND eröffnet, die sich in den vergangenen Monaten nicht nur als Schwestern der Kraftklub-Brüder, sondern auch mit musikalischen Besonderheiten einen Namen gemacht hatten. Trotz des frühen Slots tummelten sich bereits zahlreiche Musikfans vor der kleineren der beiden Hauptbühnen und feierten die amüsante Musik der Band. Sängerinnen Nina und Lotta boten nicht nur Musik vom feinsten, sondern begeisterten auch mit einigen verrückten Tanzchoreographien, die ihren Höhepunkt in einer großen Wall Of Death zu ihrem Ohrwurm „Spinaci“ fanden. Einen besseren Festivalauftakt hätten wir uns nicht wünschen können!

Für weitere Frauenpower sorgten Gurr, die die Hauptbühne des PULS Open Airs mit ihrem lebhaften Indie-Rock eröffneten und bereits zahlreiche Festivalbesucher in den Innenraum der wunderschönen Arena lockten.

Sängerin LARY aus Gelsenkirchen, die sich insbesondere durch ihr Feature mit MoTrip (“So wie du bist“) einen Namen gemacht hatte, präsentierte anschließend gefühlvoll ihre verträumten und ernsten Pop-Songs, mit denen sie das Publikum in ihren Bann zog. Einige der Lieder stammten dabei aus ihrem neuen Album “Hart fragil” das im Juli diesen Jahres erschienen ist.

Von der gefühlvollen LARY ging es weiter zum Turn-Up mit Trettmann. Der Rapper, der zunächst mit seiner schwäbischen Dancehall-Musik bekannt gewesen war ehe er 2017 die Rap-Szene mit seinem Album #DIY begeisterte, brachte die Festivalmenge zum ausrasten. Egal ob Moshpit oder Wall of Death  – Trettmann riss das PULS Open Air auseinander. Als dann auch noch Kraftklub-Sänger Felix Brummer für das gemeinsame Feature “Wie Du” auf die Bühne hüpfte, war der Auftritt quasi perfekt.

Anschließend wurde es spannend: geheimnisvoll wurde die große “Kugelbühne” von einem Vorhang verdeckt während hinter den Kulissen der Umbau für den SECRET ACT stattfand. Die Gerüchteküche brodelte – wer konnte es sein? Viele Festivalbesucher waren sich sicher, dass es das Rap-Duo von SXTN wäre. Oder vielleicht Yung Hurn? In jedem Fall irgendein angesagter Rapper.

Oder auch nicht.

Als der Vorhang fiel, blickte man zunächst in einige ratlose und verwirrte Gesichter. Die Freude über die nun auftretende Band hielt sich etwas in Grenzen, denn beim Secret Act des PULS Open Air 2018 handelte es sich um… Moop Mama! (Und ja, auch wir mussten diese Band zunächst googlen.)

Die 10-köpfige Band mit Blasinstrumenten, die sich 2009 in München gründete, sind wohl kein Act, mit dem man im Vorfeld wahnsinnig viele Zuschauer gelockt hätte. Doch auch, wenn man die von Moop Mama selbst als “Urban Brass” bezeichnete Musik nicht kannte, schaffte es die Gruppe mit Leichtigkeit, das Publikum mit ihrem aufgeweckten Sound und den fröhlichen Melodien zum tanzen und feiern zu bewegen. Für Verwirrung sorgte die Horde Polizisten, die während des neuen Songs “Molotow” auf die Bühne stürmte. Was zunächst wie ein Konzertabbruch aussah, entpuppte sich zum Glück nur als Aktion verkleideter Mitglieder der Antilopen Gang und des Bavarian Squad, die in einer wilden Knutschorgie endete. Mag sein, dass nicht alle Festivalbesucher Moop Mama kannten, doch nach diesem amüsanten Auftritt hatte die Band mit Sicherheit einige neue Fans gewonnen!

Gerade noch als Polizisten unterwegs, war es nun Zeit für den Auftritt der Antilopen Gang. Das Bühnenbild war sorgfältig mit roten Theatervorhängen geschmückt, zwischen denen das Bandlogo einer eingekreisten Antilope hervorlugte. Als Danger Dan, Koljah und Panik Panzer zum DJ-Intro die Bühne betraten, ragten sogleich die ersten Hip-Hop-Arme in die Luft. Das politisch engagierte Rap-Trio überraschte jedoch nach einigen Songs mit einer hinter den roten Vorhängen auftauchenden Live-Band, die mit ihren Punk-Melodien sogleich die Zuschauermenge in einen tobenden Moshpit verwandelte. Songs wie die Hitsingle “Pizza” oder “Beate Zschäpe hört U2” durften hierbei natürlich genauso wenig fehlen wie der Klassiker “Fick die Uni“.

Auf der Hauptbühne ging es anschließend etwas geordneter zu: die britische Band The Wombats bewies hier mit kräftigen Indie-Rock-Klängen und Songs wie “Let’s Dance To Joy Division” und “Tokyo” ihre Qualitäten als Headliner des diesjährigen PULS Open Airs. Das vierte Album der Briten hatte uns Anfang des Jahres nicht wirklich überzeugen können, doch live begeisterten The Wombats mit einem energiegeladenen Mix aus Pop, guter Laune und einer gehörigen Prise Rock.

Während es einige Festivalbesucher bereits zu den elektronischen Bühnen und DJ-Sets von AV AV AV, Hodini oder Lili Tralala zog, entschieden sich andere Gäste noch für den letzten Live-Act des ersten Abends:

Für eine letzte völlige Eskalation sorgte nämlich Faber, der um 0 Uhr noch einmal unzählige Menschen zur Pyramidenbühne zog und damit für einen völlig überrannten Platz sorgte. Die Fans ließen sich von dem Platzproblem jedoch nicht aus der Fassung bringen und sangen und tanzten ausgelassen zu den akustischen Pop-Songs des Schweizer Sängers. Beim Lied “Sei ein Faber im Wind” stürmten dann auf einmal noch einige Mitglieder der Band Kraftklub auf die Bühne. Die Tour der Chemnitzer Band hatte Faber zuletzt als Support begleitet, weshalb sich die einzelnen Mitglieder nun mit einer unterhaltsamen Kuss-Orgie revanchierten. Zu einer perfekten Show fehlte jetzt nur noch eine wohlverdiente Zugabe des Schweizers, die es jedoch nicht geben sollte – es sei schon zu spät und Faber zu laut. Durch diese Anweisung ließ der junge Herr mit der außergewöhnlichen Stimme sich jedoch nicht beirren und spielte kurzerhand den Song “Bella Ciao” an der vorderen Absperrung nur begleitet von seiner eigenen Gitarre und ohne Strom. Wow.

Die ganz harten Festivalfans machten sich nun noch auf den Weg zu den elektronischen Klängen von Meggy oder TEREZA, die das PULS jeweils bis 4 Uhr morgens in den nächsten Tag begleiteten. Die weniger harten Zuschauer zog es stattdessen zurück in ihre Zelte um genug Kraft für eine aufregende zweite Runde zu tanken.

** Bands – Tag 2 – Samstag **

Wie bereits am Freitag startet auch unser Samstag mit einer ordentlichen Portion Frauenpower: Rapperin Ebow überzeugte mit Coolness und feministischen Texten auf der kleinen Waldbühne, ehe die Israelin Noga Erez eine außergewöhnliche Mischung aus Hip-Hop und Future-R&B auf der Pyramidenbühne präsentierte. Trotz all der erfolgreichen Chartstürmer im Festival-Line-Up freuten wir uns sehr darüber, hier auch zwei ganz besondere Geheimtipps entdeckt zu haben!

Lange schon keine Neuentdeckung mehr ist Drangsal, der mit seinem neuen Album “Zores” und seinem “Mit Verachtung“-Podcast mit Kollege Casper in diesem Jahr bereits diverse Erfolge zu verzeichnen hatte. Mit zerrissener Hose und unterhaltsamen Gesichtverrenkungen spielte Drangsal-Sänger Max Albin Gruber gemeinsam mit seiner Band ein gut gemischtes Set aus deutschen und englischen Songs, mit denen er das Publikum zum eher verhaltenen Mitwippen brachte. Als zum Abschluss noch der Klaus Lage Klassiker “1000 und 1 Nacht” in einer mehr als gelungenen Coverversion dargeboten wurde, gröhlten dann aber doch alle Festivalbesucher begeistert mit.

Es folgte für uns das absolute Highlight des PULS Open Air 2018: im Rahmen der Family & Music Days spielte Shootingstar Tom Walker ganz in der Nähe und ließ es sich nicht nehmen, für einen exklusiven Unplugged-Auftritt auch beim PULS vorbei zu schauen. Zahlreiche Musikfans hatten sich vor der Waldbühne versammelt und warteten gespannt auf den Auftritt des britischen Singer-Songwriters, der nur lediglich in Begleitung seiner Gitarre erschienen war.

In seiner sympathischen Art präsentierte Tom Walker ein kurzes, aber knackiges Set, bei dem natürlich die Erfolgssingle “Leave A Light On” nicht fehlen durfte. Die von seiner dunklen Stimme faszinierten Fans sangen natürlich lautstark mit und über die Waldbühne legte sich eine nahezu magische Atmosphäre. Wow.

Vom knuffigen Tom ging es nun zum coolen Tom, nämlich Tom Grennan auf der Pyramidenbühne. Der ebenfalls britische Singer-Songwriter überzeugte durch seine coole Art und seine einzigartige Stimme. Immer wieder flirtete dieser mit dem größtenteils weiblichen Publikum, der ein oder anderen warf er auch ein kurzes verschmitztes Lächeln zu. Doch auch mit seiner Musik wusste er die Herzen für sich zu gewinnen, denn die Songs des gerade einmal 23-Jährigen waren gleichermaßen gefühlvoll wie auch unterhaltsam. Man kann erahnen: nach seinem Auftritt waren wir definitiv neu gewonnene Tom Grennan Fans!

Völlig andere Tönen erklangen anschließend auf der Hauptbühne: die beiden hyperaktiven Rap-Gefährten von Zugezogen Maskulin flitzten wie wild über die Bühne und eröffneten die ersten Pits des zweiten Festivaltages. Neben eigenen Tracks spielten sie auch ihre Falco-Tribute Nummer “Junge Römer” und ließen es sich während ihres Gigs auch nicht nehmen, das ein oder andere Mal zu den Fans nach vorne an die Absperrung zu treten. Auftritte von Zugezogen Maskulin machen einfach Spaß. Das konnte man dem Publikum des PULS Open Airs auch deutlich ansehen.

Die Blackout Problems waren kurzfristig noch ins Line-Up gerutscht, was uns sehr gefreut hatte, da auch die Auftritte der Münchener Alternative-Rocker stets ein gelungener Abriss sind. Auf der kleinen Waldbühne war nicht allzu viel Platz zu pogen, doch Sänger Mario ließ es sich dennoch nicht nehmen, einen Song inmitten des Publikums zu spielen. Tracks des im April erschienenen Albums “KAOS” durften ebenso wenig fehlen wie der Dauerbrenner “How Should I Know”. Die Blackys lieferten einen tollen Auftritt in einer ganz besonderen Atmosphäre, die erneut Dank der außergewöhnlichen Waldbühne geschaffen wurde.

Außergewöhnlich fad war hingegen der Auftritt von RIN. Auf der Kugelbühne feuerte er einen Hit nach dem anderen ab und animierte die jungen Fans zum Abgehen. Laute Fangesänge und ein eskalierender Rapper trösteten jedoch nicht über die Lieblosigkeit des kurzen 0815-Gigs hinweg. Nicht einmal der kleine junge, der in der ersten Reihe ein “Ich möchte ein Autogramm von dir!“-Schild hochhielt, schien für RIN ein Grund zu sein, das Standard-Set etwas aufzulockern.

Ebenfalls etwas steif wirkte Sängerin Dillon, die im Anschluss die Pyramidenbühne in ein düsteres violettes Licht tauchte. Völlig bewegungslos rasselte die gebürtige Brasilianerin ihre seichten Pop-Tracks hinunter. Für verliebte Paare mag das sicherlich ein zur Abwechslung entspannter Moment gewesen sein, für partywütige Festivalfans erwies sich Dillons Auftritt leider eher als langweiliger Downer.

Schließlich war es an der Zeit für den Headliner des Abends: die Chemnitzer Indie-Rocker von Kraftklub betraten die Bühne, vor der sich eine breite Masse an Zuschauern versammelt hatte. Diese ließen sich auch nicht davon aus der Ruhe bringen, dass es pünktlich zum Beginn des Auftritts anfing, wie aus Eimern zu regnen. Lautstark brüllten die Fans die Texte zu Songs wie “Karl-Marx-Stadt” mit und erwiesen sich dabei an diesem Abend als äußerst textsicher. Sänger Felix hingegen präsentierte das ein oder andere Mal die falschen Lyrics während des Auftritts und konnte sich ein peinlich berührtes Lachen dabei selbst nicht verkneifen. Während des Sets ließ auch der Regen wieder nach und Kraftklub begeisterten mit einer bunten Setlist aus älteren Tracks und Songs des aktuellen Albums “Keine Nacht für Niemand“.

Zum Ende hin zeigten Kraftklub sich gewohnt publikumsnah und ließen sich auf einem Metallgerüst durch den Innenraum fahren, von dem aus sie anschließend gemeinsam zurück auf die Bühne crowdsurften. Mit “Randale” und “Songs für Liam” endete der gelungene Auftritt schließlich. Bevor sie die Bühne verließen, wiesen sie jedoch daraufhin, dass Gitarrist Steffen später noch als DJ auf einer der Aftershowpartys auflegen würde.

Ein kurzer Blick auf die App zeigte: einer der regulären DJs hatte abgesagt und so tingelte ein Großteil der partywütigen Kraftklub-Fans zur Waldbühne herüber, wo Steffen Israeal schließlich einen ausgefallenen Hit-Mix aus Rap- und 90er-Jahre-Trash auflegte. Der zweite Festivalabend endete erst spät und entließ einen Haufen zufriedener Gäste ins wahre Leben zurück.

Das PULS Open Air 2018 war definitiv eine ganz besondere Veranstaltung. Liebevoll dekoriert mit einem ausgefallenen Rahmenprogramm und einer außergewöhnlichen Location handelt es sich hier ganz sicher um ein Festival, dass wir in jedem Fall noch einmal besuchen werden!

Zum Abschluss sei aber unbedingt noch zu erwähnen, dass bei nahezu allen Auftritten eine Frau am Bühnenrand gestanden hat, die die Songtexte der Musiker in Gebärdensprache übersetzte. Ein kleines Detail, das jedoch nur noch einmal deutlich macht, wie liebevoll das PULS Open Air gestaltet wurde.

Und so sah das aus:

Website / Facebook / Fotos (c) Kimi/Yvonne / minutenmusik.de

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