Im Sommer 2017 wurden wir erstmals auf die Band Greta Van Fleet aufmerksam. Inzwischen haben wir für euch in die Doppel-EP From The Fires reingehört und ein Interview mit Schlagzeuger Danny Wagner geführt, das vor dem ersten Deutschlandkonzert der Band im Kölner Bürgerhaus Stollwerck stattfand.
Am 19.10.2018 erscheint nun endlich das Debütalbum der mittlerweile weltbekannten Gruppe. Zwei von uns, Julia und Sebastian, konnten es schon hören. Hier lest ihr unsere durchaus etwas unterschiedlichen Meinungen zu “Anthem of the Peaceful Army”.
Zur Einstimmung ins Album empfehlen wir euch die Vorab-Single “When The Curtain Falls”:
Als erstes wirft nun Julia für euch einen Blick auf das Debütalbum von Greta Van Fleet:
Classic Rock und ich wurden bisher noch keine Freunde – großer Raum für Gitarrensoli und in die Länge gezogene Songs können mich, zumindest auf Albumdauer, eher langweilen als begeistern. Bei den großen Legenden von früher versteht man die Faszination natürlich noch eher, so neu und aufregend wie der Sound damals gewesen sein muss, hält die Begeisterung wohl bis heute an. Plötzlich schafft eine junge Band aus dem Stand mit einem ganz ähnlichen Klang den Sprung von den kleinsten Clubs auf die größten Bühnen – ob mich diese mit einer neuen frischen Art doch noch umstimmen können?
10 Songs umfasst das Debütalbum der Band, “Age of Man” fungiert als entspannter Einstieg, zunächst klimpern die Akustik-Gitarren, dann übernehmen die verstärkten Saiteninstrumente und schon befinden wir uns im Soundkosmos des Phänomens Greta van Fleet. Die Gitarren wagen sich öfter in gniedelige Gefilde vor und Frontmann Joshua „Josh“ Kiszka stürmt mit seiner hohen und leicht kratzigen Stimme durch sämtliche Tonlagen. Man muss sich nicht lange fragen, woher die Vergleiche mit Led Zeppelin stammen. Dabei sind die Songs zwar mit bis zu 5 Minuten Spielzeit noch verträglich lang – die Band lässt sich dennoch nicht davon abhalten, einige sehr anstrengende Sequenzen einzubauen. Joshua Kiszka unterstützt seine Brüder Jacob “Jake” (an der Gitarre) und Samuel “Sam” (am Bass) bei ihren Fingerüben tatkräftig mit enervierend langem hohem Kreischen. Die Songs haben zwar recht einnehmende Melodien und sind nicht ganz so ungreifbar wie ältere Vertreter des Genres, aber über die ganze Albumdauer ist es für Menschen, die generell nicht viel mit Classic Rock anfangen können, doch eher anstrengend als aufregend. Schöne Abwechslung bieten da die Songs, die vom gängigen Sound etwas Abstand nehmen, beispielsweise die lockere Sommerstimmung in “The New Day” oder die getragenen Strophen in “Watching Over”, die den musikalischen Raum wunderbar erweitern. Eher merkwürdig wirkt hingegen die Ballade “You’re the One”, die so auch von Bon Jovi stammen könnte.
Natürlich, für ein Debütalbum klingen Greta van Fleet schon überragend groß und haben definitiv einige Songs dabei, die starke Melodien mitbringen. Auf ganzer Albumlänge ist es dann jedoch trotzdem astreiner Classic Rock. Nicht mehr und nicht weniger. (Julia)
Sebastian hat sich das Album ebenfalls angehört und berichtet euch von seinen Eindrücken:
„It’s only clearer in the mirror“, verkündet Josh Kiszka in „Watching Over”, einem der besten Songs des Debütalbums von Greta Van Fleet, singt dabei von steigenden Wasserspiegeln und immer dünner werdender Luft – ein Blick auf den Umgang, den wir Menschen mit unserer Erde pflegen? Eine Frage nach der Verantwortung?
In Folge der EP “From The Fires” zeigt sich auch das neue Werk als eine Sammlung von Songs, in denen die Themen Liebe, Friede und Menschlichkeit eine Hauptrolle einnehmen. Das Album ist auch eine Reflexion aufs Weltgeschehen, wenn man so will. Die Band bleibt ihren Interessen hier im Grunde treu..
Was aber auf “Anthem of the Peaceful Army” besonders ersichtlich wird: Greta Van Fleet, die nach wie vor immer und überall gerne mit Led Zeppelin verglichen werden, entwickeln sich musikalisch weiter!
Schon der Opener „Age of Man“ erzeugt eine gewissermaßen erhellende Atmosphäre. In dem sich ruhig aufbauenden Stück verlieren Greta Van Fleet nie die Bodenhaftung, dennoch klingen sie triumphal. Dabei verbreitet sich ein Gefühl von Ausgeglichenheit. Angenehmer kann ein Album kaum beginnen, welches dann im weiteren Verlauf doch noch jegliche Spielarten und Raffinessen des Rock ‘n’ Roll auszuloten vermag und sich sehr vielfältig zeigt.
Wesentlich verspielter als in der kleinen, rockigen Nummer „Cold Wind“ könnten die Jungs kaum klingen, „The New Day“ zeigt weiteren Einfallsreichtum, fällt mit seiner sehr lockeren Art ein wenig aus dem Rahmen, und in der Single „When The Curtain Falls“ beglückt uns Jake Kiszka mit dem Paradebeispiel eines auf den Punkt gebrachten Gitarrensolos. Hier ist für jede Art von Rockmusik-Fan etwas dabei. Von Beliebigkeit oder Ziellosigkeit kann man bei der Zusammenstellung an Songs aber nicht sprechen. Das Album ist weder langwierig noch zusammengewürfelt, sondern sogar sehr durchdacht aufgebaut. Es fällt auch nicht schwer, sich vorzustellen, wie Greta Van Fleet manche der Songs auf der Bühne miteinander verknüpfen oder in Form eines Medleys spielen könnten. Viel deutlicher als in der modernen Popmusik bietet es sich im klassisch geprägten Rock jedoch an, die Konzepte Album und Live-Show auch getrennt zu betrachten. Was auf Platte geboten wird, dürfte sich insbesondere bei einer improvisatorisch veranlagten Band wie Greta Van Fleet nicht unerheblich von dem unterscheiden, was man live zu hören bekommen wird. Das Album ist gewissermaßen die Ausgangsbasis für das immer veränderliche Konzerterlebnis, das die Band aktuell in ausverkaufte Veranstaltungshallen rund um die Welt bringt.
Den schon live ausgetesteten Song „Lover, Leaver“ haben Greta van Fleet nun etwas komprimierter als Studioversion verwirklicht – und das ist ihnen sehr gut gelungen. Der Song stellt sogar einen Höhepunkt des Albums dar. Etwas dunklere Riffs und wahrlich schrille, hohe Geräusche, erzeugt durch Stimme und Gitarre, die im Übermaß gewiss auch anstrengen können, hinterlassen bei Fans etwas bizarrerer Rockmomente einen großen Eindruck. Es sind die schiere Intensität der Musik und die Bestimmtheit, bis an die Grenze dessen, was man wagen kann, zu gehen, womit Greta Van Fleet hier überzeugen können. Sie machen es sich einfach nicht zu leicht. Dieser Anspruch zeigt sich auch in „Brave New World“, dessen zwingender, treibender Verlauf in einem gewaltigen Ausschrei und einer aufreibenden Gitarrenpassage gipfelt.
Greta Van Fleet haben ein wirklich rundes Debüt abgeliefert und sind damit auch ein gutes Stück eigenständiger geworden. Es ist heutzutage für eine junge Band nicht einfach, der langen Geschichte der klassischen Rockmusik noch einen echten Mehrwert beizufügen. Kaum eine Gruppe wird nicht mit ihren mehr oder weniger augenscheinlichen Vorbildern in Verbindung gebracht. Doch zu leicht machen sollte man es sich mit einem Urteil nicht. Wer sich aufmerksam mit dem Werk von Greta Van Fleet auseinandersetzt, erkennt die eigenen Stärken dieser Band. Zunächst subtile Unterschiede zu ähnlichen Bands werden klarer und klarer. Für mich haben Greta Van Fleet bereits ein eigenes Bild gezeichnet. Der Ideenreichtum und das notwendige handwerkliche Talent großartiger Musiker sind bei diesen noch jungen Künstlern sehr präsent. Das sollte spätestens mit der Veröffentlichung von “Anthem of the Peaceful Army” klar sein. (Sebastian)
Das Album “Anthem of the Peaceful Army” kannst du dir hier kaufen.*
Und so kann sich das live anhören:
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Greta Van Fleet live 2018/2019:
30.10.2018 – Hamburg, Sporthalle (ausverkauft)
01.11.2018 – Köln, Palladium (ausverkauft)
07.11.2018 – Berlin, Columbiahalle (ausverkauft)
25.02.2019 – München, Zenith
Die Rechte am Albumcover liegen bei Greta Van Fleet / Universal.
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