Wallows, Live Music Hall Köln, 30.01.2023

Die US-amerikanische Indie-Band Wallows steht auf der Bühne der Kölner Live Music Hall.

Achtung, alte Männer Spruch von einem gar nicht so alten Mann: Rock’s not dead. Rock’s just different. Florieren aber, das tut Gitarrenmusik auch über fünfzig Jahre nach der Kernschmelze von Blues und Rock’n’Roll noch. Immerhin gibt es Bands wie die Los Angeler Wallows, die an einem späten Januarabend per Fingerschnips die Kölner Live Music Hall ausverkaufen.

Früh morgens schon campieren mehrere Handvoll Fans vor der Halle. Um die Band nämlich gibt es eine Art kleinen Tiktok-Hype. Diese Kurzvideoplattform, sie entpuppt sich immer mehr als eine Art Beatmungsmaschine, die verschiedene Subkulturen mit Leben nährt. Achso: Und zwei der drei Wallows – Dylan Minette und Braeden Lemasters – stehen oder standen auch als Schauspieler vor der Kamera (für „Tote Mädchen Lügen Nicht“ oder „Grey’s Anatomy“ etwa). Ein Stück des Hypes kommt sicherlich auch von da. Wenn die Band jedenfalls im Outro eines ihrer Songs „What Makes You Beautiful“ von One Direction anstimmt, dann ist die ganze Halle lautstark am Start. Für ein Rockkonzert ist das – ganz wertfrei – ungewöhnlich. Aber es zeigt: Wallows ziehen andere Menschen vor die Bühne als ihre männlichen Kollegen der älteren Generation.

Wallows nämlich spielen Indie-Rock für Anhänger*innen der Generation Z, einer Gruppe von Menschen, denen Genregrenzen herzlich egal sind. Auch die Musik der sechs jungen Männer auf der Bühne – drei Live-Musiker bieten Unterstützung – orientiert sich daran. Die Songs reisen einmal quer durch den Indie der 00er- und 10er-Jahre, bedienen sich an Rock, an Pop, zwischenzeitlich gar an Hip-Hop. Eigenständig ist das alles nicht immer, aber es funktioniert. Und es sorgt für Begeisterung. Als zu Beginn des Konzertes das Licht erlischt und die Band begleitet von cineastischer Streichmusik die Bühne betritt, kreischt, schreit, jubelt gefühlt die ganze Stadt. So auch nach jedem Song, jedem „Cologne, what’s up?“, jedem Harmonica-Solo. In die Luft gestreckt werden währenddessen oft viele Handys.

Die Stimmung ist trotzdem niemals schlecht. Die Fans singen lauthals und textsicher mit. Und getanzt wird auch. Bei zwei Songs gibt es sogar einen Moshpit. Laut Band der erste der Tour, die immerhin seit nahezu einem Monat läuft. Auch das vielleicht ein Indiz: Hier hält eine Generation Gitarrenmusik am Leben, die gar nicht mit ihr sozialisiert wurde. Im Endeffekt eine ehrenwerte Leistung. Eine Türen öffnende zumal. Der Australierin Maya Cumming und ihrer Musik etwa, die sie unter dem Alias May-A veröffentlicht. Pünktlich zu Beginn tritt sie mit ihrer dreiköpfigen Band vor die Menge und zockt dreißig Minuten cool ihr Set runter. Verträumt klingt ihre Musik, an den richtigen Stellen aber auch ordentlich rockig. Hier und da schleicht sich gar ein Gitarrensolo ein. Zwischendrin erzählt sie wovon ihre Songs handeln (oft: den Struggles und Freuden lesbischer Frauen), bekundet ihren generellen Support für die LGBTQI+-Community. Irgendwie ansprechender als die stellenweise mackerhafte Kultur der älteren Rock-Generationen.

Auf der Bühne passiert währenddessen altbekanntes. Auch bei Wallows ist hier wenig anders als noch vor einigen Jahren. Sechs Menschen an Gitarre, Bass, Schlagzeug, Keyboard und Trompete, ein schlicht-weißes Backdrop, ein paar Schirmlampen und andere Leuchten – mehr nicht. Einzig, dass die drei Kern-Wallows auch mal Instrumente tauschen und jeder einmal singt, mag ein wenig ungewöhnlich sein. Knapp 80 Minuten windet man sich so durch das Set. An dessen Abschluss steht „Are You Bored Yet?“, ein melancholisch-verträumtes Indie-Stück, viral-gegangen vor einigen Jahren auf Tiktok. Handys schießen in die Luft, Arme ebenso, ein begeistertes Raunen geht durch die Menge. Tot ist hier gar nichts.

Mehr Wallows gibt es hier.

Und so hört sich das an:

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Foto von Jonas Horn.

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